Verborgene Eigenschaften der Lichtabsorption von Titandioxid aufgedeckt
Die Arbeit wird in Nature Communications veröffentlicht.
Eines der am meisten untersuchten Materialien
Anatas-TiO2 hat vielfältige Einsatzgebiete: von Photovoltaik und Photokatalyse bis hin zu selbstreinigenden Gläsern sowie Wasser- und Luftreinigung. Alle diese Anwendungen basieren auf der Absorption von Licht und deren anschließender Umwandlung in elektrische Ladungen. Angesichts seiner weit verbreiteten Verwendung, war TiO2 eines der am meisten untersuchten Materialien im zwanzigsten Jahrhundert, sowohl experimentell als auch theoretisch. Paradoxerweise blieb die tatsächliche Natur des Lichtabsorptionsprozesses bisher noch ungeklärt.
Physikalische Objekt für die Lichtabsorption
Wenn Licht auf einem Halbleitermaterial trifft werden entweder freie negative Ladungen (Elektronen), positive Ladungen (Löcher) oder gebundene Elektron-Loch-Paare (Exzitonen) erzeugt. Exzitonen können sowohl Energie als auch Ladung transportieren und sind die Basis eines ganzen Forschungsfeldes, welches sich um neuartige „Next-Generation“ Elektronik bemüht. In Anlehnung an Elektronik wird das Feld „Exzitonik“ genannt. Bisher waren Wissenschaftler nicht in der Lage, mit Sicherheit zu identifizieren, welches physikalische Objekt für die Lichtabsorption und entsprechend für die charakteristischen Eigenschaften von TiO2 verantwortlich war.
Problem mit experimentellen Methoden gelöst
Forscher des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) und internationale Kooperationspartner haben das Problem mit einer Kombination aus hochmodernen ab-initio Simulationen zusammen mit modernsten experimentellen Methoden gelöst. Relevant sind hierbei die winkelaufgelösten Photoelektronenspektroskopie, die die Energetik der Elektronen entlang der verschiedenen Achsen im Festkörper abbildet, und die spektroskopische Ellipsometrie, die die makroskopischen optischen Parameter des Festkörpers mit Präzision und ultraschneller zweidimensionaler Tief-UV-Spektroskopie bestimmt und erstmals bei der Untersuchung von Materialien eingesetzt wurde. Sie fanden heraus, dass die Schwelle des Absorptionsspektrums auf ein stark gebundenes Exziton zurückzuführen ist, das zwei bemerkenswerte neuartige Eigenschaften aufweist:
- Es ist auf eine 2D-Ebene des dreidimensionalen Gitters des Materials beschränkt. Dies wäre der erste bekannte Fall einer solchen Eigenschaft.
- Das 2D-Exciton ist bei Raumtemperatur stabil und robust gegen Defekte, die in jeder Art von TiO2 (Einkristallen, Dünnfilmen und sogar Nanopartikeln) vorhanden sind.
„Immunität“ des Exzitons
Diese „Immunität“ des Exzitons zu weitreichenden strukturellen Störungen und Defekten impliziert, dass es die ankommende Energie in Form von Licht speichern und auf der Nanoskala selektiv führen kann. Dies verspricht eine enorme Verbesserung gegenüber der gegenwärtigen Technologie, bei der die herkömmlichen Anregungsvorgänge üblicherweise extrem ineffizient sind, da die absorbierte Lichtenergie nicht gespeichert, sondern als Wärme auf das Kristallgitter abgetragen wird.
Noch effizientere Materialien entwerfen
„Der Einsatz modernster experimenteller Techniken und Theorie ermöglicht uns nicht nur bekannte Materialien besser zu verstehen, sondern auch neue, noch effizientere Materialien für Energieanwendungen zu entwerfen“, sagt Adriel Domínguez. Darüber hinaus können die Exzitonparameter durch eine Vielzahl von externen und internen Reizen (Temperatur, Druck, überschüssige Elektronendichte) abgestimmt werden, was ein leistungsfähiges, genaues und billiges Erkennungsschema für Sensoren mit optischer Auslesung verspricht. „Angesichts der preiswerten und leicht herzustellenden Anatas-TiO2-Materialien sind diese Erkenntnisse für solche Anwendungen und darüber hinaus von entscheidender Bedeutung, um zu verstehen, wie elektrische Ladungen entstehen, nachdem das Licht absorbiert worden ist“, sagt Prof. Majed Chergui von der EPFL. „Diese sind Hauptakteure in der Solarenergieumwandlung und Photokatalyse.“
Buchtipp: Titandioxid-Pigmente stellen rund 60% der weltweiten Pigmentproduktion dar. Der Autor Jochen Winkler reagiert unmittelbar auf diese Bedeutung: Die zweite, überarbeitete Auflage des Lehrbuchs Titandioxid: Produktion, Eigenschaften und effektiver Einsatz liegt nun vor.