Titandioxid: Weite Wege zum Weiß

"Meines Erachtens vermag das Titandioxyd als Anstrichfarbe mit Bleiweiß nicht zu konkurrieren." Dies schrieb Dr. J.F. Sacher in der FARBE und LACK im Juli 1920. Wenn man dieses Zitat heute liest, muss man schon schmunzeln. Ein historischer Rückblick zu Titandioxid.

Ein historische Rückblick zu Titandioxid. Bildquelle: laboko-Fotolia
Ein historische Rückblick zu Titandioxid. Bildquelle: laboko-Fotolia -

Titandioxid begleitet die Farbe und Lack schon sehr lange – allerdings wurde es erst Mitte des letzten Jahrhunderts zum Trend. Das obige Zitat stammt aus der FARBE UND LACK vom Juli 1920. Im der Rubrik Fragenkasten wurden Leserfragen von der Redaktion und Experten per Postkarte beantwortet. Dr. Sacher (zu seiner Zeit hat er ein paar Schriften zum Thema Deckfähigkeit veröffentlich) antwortet hier auf eine Anfrage nach der Titanweiß-Farbe, oder auch Deckweiß, aus Norwegen. Wenn man dieses Zitat heutzutage liest, muss man schon sehr schmunzeln. Auch Dr. Sacher hätte In den letzten knapp 100 Jahren seine Ansicht sicherlich angepasst. Titandioxid ist heute das Weißpigment der Wahl in vielen Anwendungen und vor allem in Farben und Lacken. Knapp 60% der Menge aller Pigmente im Markt ist TiO2.

Wie man aber am Kommentar ablesen kann, war der Start im frühen 20. Jahrhundert doch etwas holperig. Erste Patente für die Anatas Modifikation des Materials wurden in Europa und auch USA erteilt. Am Anfang wurde die neue Technologie natürlich mit Bleiweiß und anderen Deckweißfarben verglichen. Bleiweiß war schon sehr lange als gesundheitsschädlich bekannt, und es wurde viel mit Zinkoxid oder auch Barytweiß als Alternativen gearbeitet. Letzteres war aber zum Beispiel nicht für den Einsatz in Leinöl geeignet, da der Brechungsindex zu nah am Wert des Bindemittels war und damit nicht gut deckte. Die Deckfähigkeit des neuen Materials war „tatsächlich eine sehr gute“ (Dr. Sacher), allerdings mit dem Nachteil, dass Titandioxid mehr Licht aus dem Grenzbereich des UV Lichtes als Bleiweiß emittiert und damit blaustichiger und weniger warm wirkt. Außerdem war die geschätzte Reaktion mit der Leinölfirnis nicht mehr vorhanden und die Bedenken bezüglich Witterungsbeständigkeit, auch wegen der photokatalytischen Wirkung, groß. Dabei wurde das Titandioxid gerade als besonders beständig gegen chemische und physikalische Einflüsse beworben.

Anatas und Rutil

Nach dem 2. Weltkrieg werden dann fast nur noch die  Rutil Modifikation des Titandioxids hergestellt. Diese entsteht irreversibel durch Glühen bei oberhalb von 700°C aus Anatas Titandioxid. Diese Modifikation hat nur noch geringe photokatalytische Eigenschaften und brauchte mit den aufkommenden alternativen Bindemitteln auch nicht mehr unbedingt einreagieren. Weitere Fortschritte für die Verbreitung brachten die Oberflächenmodifikationen des Materials. Hier können bestimmte Eigenschaften mit organischen aber vor allem auch anorganischen Stoffen eingestellt werden.

Die frühe Herstellung über den Sulfat-Prozess bedingte als Nebenprodukt große Mengen verdünnte Schwefelsäure (Dünnsäure), deren Entsorgung in der Nordsee am Ende der 1980er Jahren in Europa einen großen Skandal auslöste. Es war eine der ersten großen Aktionen von Greenpeace. Seit dem produzieren europäische und amerikanische Hersteller heute fast ausschließlich nach dem Chlorid-Prozess. Dieser ist umweltfreundlicher, da das Chlor fast vollständig im Prozess verbleibt.

Die Zukunft von TiO2 ist – Stand heute – allerdings trotzdem nicht ganz klar. Eine Neuklassifizierung mit H351 (inhalatives Krebsrisiko) würde die Nutzung vermutlich stark einschränken, oder zumindest die Verarbeitung in der Produktion beeinflussen. Eventuell droht dem Pigment hier ein ähnliches Schicksal wie Bleioxid seiner Zeit – wir bleiben aber vorerst optimistisch.

Von Nina Musche

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