Neue Nanopartikel in Lacken verhindern die Bildung von Biofilmen

Es gibt kaum eine Oberfläche, die nicht von Mikroorganismen besiedelt wird. Die entstehenden Biofilme können große Schäden anrichten und sogar gefährlich für die menschliche Gesundheit werden. Neuartige Nanopartikel versprechen schon in geringen Dosierungen effektiven Schutz.

Bewuchs von Metallplatten nach einem siebenwöchigen Feldtest in der Maas -

Biofilme aus Bakterien, Pilzen oder Algen sind an die jeweilige Umgebung meist sehr gut angepasst und verfügen über eine höhere Widerstandsfähigkeit gegenüber ihrer Umgebung als isolierte Zellen. Bei deren Bildung werden Oberflächen zunächst von einzelnen Zellen besiedelt, die sich im feuchten Milieu vermehren. Viele Bakterien können eine Schleimschicht aufbauen, die sie vor Umwelteinflüssen schützt und die Anreicherung von Nährstoffen aus einer nährstoffarmen Umgebung ermöglicht. Für das menschliche Auge sichtbar werden die Biofilem meist erst, wenn die Vermehrung der Mikroorganismen so stark ist, dass Verfärbungen, Korrosion des Materials oder Funktionsminderungen von Geräten oder Anlagen auftreten. Im klinischen Bereich (z.B. an Instrumenten oder Implantaten) können sie zu Infektionskrankheiten beim Menschen führen.

Natürliche Abwehrmechanismen

Die Natur hat im Laufe der Evolution verschiedene Abwehrmechanismen gegen Besiedler entwickelt, die meist in Kombination eingesetzt werden. Physikalische Strategien nutzen die Verkleinerung der Kontaktfläche oder die regelmäßige „selbstpolierende“ Hautabschuppung. Stoffliche Barrieren gegen Bewuchs sind hydroviskose Schleime, die in Wasser zu einer Bewuchs-hemmenden Oberfläche aufquellen und das Anhaften von Besiedlern erschweren.

Chemische Verteidigungsstrategien beruhen auf der Biosynthese von Toxinen, die Fremdorganismen abtöten, oder von Enzymen, die viskose biogene Klebstoffe des Biofilms in abspülbare wässrige Lösungen umwandeln. Die Biofilmbildung wird darüber hinaus von der Zell-zu-Zell-Kommunikation beeinflusst. Biofilme entwickeln sich, wenn Mikroorganismen synergistische Gemeinschaften eingehen. Voraussetzung für diesen Zusammenhalt ist die Ausbildung einer polymeren Matrix (extrazelluläre polymere Substanz, EPS). Der zugehörige Informationsaustausch zur Bildung der EPS von Zelle zu Zelle wird als Quorum sensing bezeichnet. Bakterien nutzen dies, um sich gegenseitig wahrzunehmen. Sie können so ihre Populationsdichte erhöhen und ihre Überlebensstrategie verändern.

Kommunikationsprobleme schaffen Abhilfe

Eine Abwehrstrategie gegen Besiedler beruht darauf, die Bildung von Biofilmen durch Störung der Zell-zu-Zell-Kommunikation zu unterdrücken. Dies erfolgt mit Hilfe von Enzymen (Haloperoxidasen, V-HPOs), die eine Schlüsselrolle bei der Inaktivierung der bakteriellen Kommunikation spielen. V-HPOs katalysieren die Oxidation von Halogenid-Anionen (X = Cl, Br, I) durch Wasserstoffperoxid (H2O2), das stets in geringen Konzentrationen bei Tageslicht gebildet wird. Die entstehenden freien hypohalogenigen Säuren (HOX) reagieren zu halogenierten Signalmolekülen, die aber physiologisch unwirksam sind und den bakteriellen Informationsaustausch lahmlegen. Damit wird die Bildung von Biofilmen blockiert.

Aus diesen Kenntnissen des bakteriellen Befalls wurde ein neuer Lösungsansatz entwickelt, bei dem die Haloperoxidase-Enzyme durch katalytisch aktive Nanopartikel ersetzt werden[1,2] und so den Verteidigungsmechanismus der Natur nachahmen. Die Partikel besitzen eine höhere Aktivität als die Enzyme, sind aber um Größenordnungen preisgünstiger und stabiler.

Geringe Mengen reichen

Die Bildung von Biofilmen auf Grenzflächen lässt sich damit bereits durch geringe Beimengungen von CeO2-x-Katalysatorpartikeln als Enzym-Ersatz unterbinden. Gele mit dispergierten CeO2-x-Partikeln zeigen einen stark verminderten Bakterienbewuchs.[3] CeO2-x-Nanopartikel sind über Sol-Gel-Chemie leicht zugänglich.[4] Sie sind unlöslich in Wasser [4] und verringern bei Applikation in konventionellen Unterwasser-Lacken (ca. 2 % des Trockengewichts) im natürlichen Habitat den Bewuchs mit Mikroorganismen und Algen (Abbildung 1) in vergleichbarem Umfang wie Cu2O, der derzeitige Goldstandard.[3] Lackierte Vergleichsoberflächen ohne Partikel-Zusatz zeigten dagegen im gleichen Zeitraum massives Fouling. Die Aktivität von CeO2-x Partikeln kann durch Substitution mit anderen Metallen (z.B. in Ce1‑xBixO2‑δ) um eine Größenordnung gesteigert werden.[5]

Die Verwendung der CeO2-x-Katalysator-Partikel erfordert keinerlei Biozide. Das Verfahren nutzt das natürliche Verteidigungssystem vieler Organismen und ist damit eine umweltverträgliche und kostengünstige Alternative zu konventionellen chemischen Wirkstoffen. Das Verfahren erfordert lediglich katalytische Mengen (einige Gramm pro Kilogramm Lack) eines stabilen und preiswerten Oxids. Alle Ausgangsverbindungen sind in der Natur vorhanden oder sie werden auf natürlichem Wege erzeugt. Alle entstehenden Verbindungen sind als Produkte natürlicher Prozesse in der Biosphäre ebenfalls verbreitet. Wichtiger noch: Obwohl diese Verbindungen seit Jahrmillionen existieren, sind Mikroorganismen dagegen nicht resistent geworden.

Weniger Kollateralschäden

In der Regel wird bei der Bekämpfung von Biofilmen die Strategie verfolgt, Mikroorganismen durch massive Gabe von Bioziden oder Antibiotika zu inaktivieren und/oder irreparabel zu schädigen. In dieser „konventionellen“ und weit verbreiteten Methode sind Kollateralschäden, d.h. die Vernichtung harmloser oder gar nützlicher Organismen, unvermeidbar. Ein zusätzlicher entscheidender Nachteil antibakterieller Beschichtungen ist, dass ihre Wirkung mit der Zeit nachlässt oder die Erreger Resistenzen ausbilden. Daher sollte aus Umwelt- und Verbraucherschutzgründen auf die Verwendung von Bioziden verzichtet werden.

Die neue Strategie könnte daher die Grundlage für eine neue Generation von Antifouling-Lacken bilden. Darüber hinaus könnte der innovative Ansatz auch in anderen Bereichen (z.B. Aquafarming, Filter für Wasseraufbereitung und Entsalzung, Rohrleitungen, Außenanstriche, Dachabdeckungen, Innenanstriche in feuchten Räumen (z.B. Wäschereien), Kontaktflächen (z.B. Badezimmerarmaturen, Tastaturen, Druckknöpfe und Türklinken) sowie Katheter im medizinischen Bereich finden.

H. Frerichs, F. Pfitzner, W. Tremel (Institut für Anorganische Chemie und Analytische Chemie, Johannes Gutenberg Universität, D 55099 Mainz)

Literatur

[1] F. Natalio, R. André, A. F. Hartog, B. Stoll, K. P. Jochum, R. Wever, W. Tremel, Nature Nanotechnol. 2012, 7, 530-535.

[2] K. Herget, F. Pfitzner, H. Frerichs, M. N. Tahir, W. Tremel, Adv. Mater. 2018, 30, 1707073.

[3] K. Herget, P. Hubach, S. Pusch, P. Deglmann, H. Götz, T. E. Gorelik, I. Guralskyi, T. Link, S. Schenk, M. Panthöfer, V. Ksenofontov, U. Kolb, T. Opatz,R. André, W. Tremel, Adv. Mater.2017, 29, 1603823.

[4] K. Korschelt, R. Schwidetzky, F. Pfitzner, J. Strugatchi, C. Schilling, M. von der Au, K. Kirchhoff, M. Panthöfer, I. Lieberwirth, M. N. Tahir, C. Hess, B. Meermann, W. Tremel, Nanoscale 2018, DOI: 10.1039/C8NR03556C.

[5] K. Herget, H. Frerichs, F. Pfitzner, W. Tremel, WO2018078171A1.

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