Interview: Formulierung und Herstellung

Dr. Oliver Seewald von der Universität Paderborn über die Grundlagen von Rohstoffen und Rezeptierung. Von Bettina Hoffmann.

Dr. Oliver Seewald ist seit 2005 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitskreis „Coatings, Materials & Polymers“. Er ist auch Dozent im Bachelorstudiengang „Chemie und Technologie der Beschichtungsstoffe“. Bildquelle: Adelheid Rutenburges, Universität Paderborn.

Welche Einflüsse spielen bei der Rezepturentwicklung eine Rolle?
Dr. Oliver Seewald: Hier gilt es eine Vielzahl von Fragestellungen zu beantworten: Welcher Untergrund wird beschichtet? Was für eine Art der Beschichtung soll es sein; also wässriger Lack, lösemittelhaltiger Lack oder Pulver- bzw. UV-Lack? Welche Funktion soll die Beschichtung erfüllen? Eine ständige Rücksprache mit den Kunden ist hier sinnvoll, um die Anforderungen genau zu klären. Welche physikalischen, chemischen und auch optischen Eigenschaften sollen erzielt werden? Wie soll appliziert werden? Aber auch intern muss man die Gegebenheiten prüfen und entsprechend handeln. Wie ist die Lieferform der Rohstoffe? Ist der Lack in dem Betrieb produzierbar? Nicht zuletzt muss man wirtschaftliche Faktoren betrachten: wie sind die Rohstoff- und Produktionskosten und zu welchem Preis kann der Lack verkauft werden? Und natürlich spielen bei der Lackentwicklung auch Arbeitsschutz- und Umweltschutzbestimmungen eine Rolle.

Welche Faktoren gilt es bei der Auswahl von Bindemitteln zu berücksichtigen?
Seewald: Das Bindemittel stellt quasi das „Rückgrat“ eines Lackes dar. Die Haupteigenschaften einer Lackierung wie z.B. Witterungsbeständigkeit, Chemikalien- und Lösemittelbeständigkeit, Flexibilität, Härte (größtenteils) werden über das Bindemittel eingestellt. Von den Anforderungen an die Beschichtung hängt auch die „Vernetzungschemie“ ab. Ist ein physikalisch trocknendes System ausreichend oder muss vernetzt werden? Oder muss (je nach Substrat) eine Trocknung nahe bei Raumtemperatur notwendig oder kann im Ofen bei erhöhter Temperatur eingebrannt werden? Bei der großen Auswahl an Bindemitteln gibt es je nach Anforderung das passende Material.

Veranstaltungshinweis: Basiswissen über Rohstoffe, deren Einsatz und alle Grundlagen der Herstellung werden im Lehrgang Lacktechnologie vermittelt. Theoretische Blöcke und Übungen ergänzen sich in diesem Seminar. Modul 2 findet vom 4. bis 8. Dezember in Rösrath statt.

Wie geht man bei Rohstoffengpässen an eine Ersatzformulierung heran?
Seewald: Die Frage kann man allgemein nicht beantworten. Das ist nach Art des Rohstoffes (Bindemittel (Chemie, Kennzahlen, Molmasse, Viskosität), Pigment (Farbstärke, Farbton, Nachbehandlung, Oberflächenfunktionalisierung), Additiv, Füllstoff oder Lösemittel) sehr unterschiedlich. Aber natürlich ist ein Abgleich der physikalischen und chemischen Eigenschaften und der Kennzahlen der herkömmlichen und der neuen Rohstoffe ein grundlegend wichtiger Schritt. Außerdem bedarf es der Formulierung von Testreihen zur Untersuchung der Wechselwirkungen des neuen Rohstoffes mit den herkömmlichen Bestandteilen der Rezeptur und es ist insgesamt ein aufwändiger Prozess.

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