Fachgespräch zum Thema biobasierte Beschichtungen

Das Interesse an Beschichtungen auf Basis nachwachsender Rohstoffe nimmt zu. Biogene Farben und Lacke sind ein Lösungsansatz für sich verknappende fossile Ressourcen, für die weiter geforderte Reduzierung von Emissionen sowie generell für wachsende Anforderungen in punkto Nachhaltigkeit.

Fachgespräch zum Thema biobasierte Beschichtungen. Billdquelle: adam121 - Stock Adobe
Fachgespräch zum Thema biobasierte Beschichtungen. Billdquelle: adam121 - Stock Adobe -

Von Nicole Paul, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR)

Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) führte am 29. November 2018 ein Fachgespräch zum Thema „Biobasierte Beschichtungen“ durch. Dessen Ziel war es, den Status Quo und den Forschungsbedarf zum Thema heraus zu arbeiten. Insgesamt nahmen 20 Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft teil. Die FNR ist Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für das „Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe“.

Leindotteröl für Holzschutzprodukte

Das Einleitungsreferat hielt Dr. Toine Biemans, Worlée Chemie, als Vertreter des Verbandes der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL). Er stellte in seinem Vortrag u. a. die Herstellung von leindotterölbasierten Holzölen und Lasuren für den Außenbereich vor. Seit 2018 setzen die Deutschen Amphibolin-Werke (DAW) auf diese seltene Nutzpflanze, Worlée war Ideengeber für das Projekt und ist jetzt als Lackrohstoffhersteller in die Lieferkette eingebunden.

Der Leindotter wird zusammen mit Erbsen auf einem Acker im Mischfruchtanbau kultiviert und konkurriert so nicht mit der Lebensmittelproduktion. Worlée veredelt das Leindotteröl zu wasserbasierten Alkydharzen, aus denen die DAW die Holzschutzprodukte herstellt. Das Beispiel zeigt, dass heimische Landwirte durchaus als Rohstofflieferanten für biobasierte Beschichtungsstoffe in Frage kommen: Der Leindotter wuchs 2018 bereits auf rund 200 Hektar. Bis 2022 wird eine Ausweitung auf 1.000 Hektar angestrebt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit fördert das Projekt.

Neue Funktionalitäten dank biogener Rohstoffquellen

Zu den weiteren Referenten gehörte Dr. Michael Hilt, Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e. V. (FPL) und Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Dr. Hilt  sah ein Umschwenken auf biobasierte Rohstoffe in der Lacktechnik als alternativlos an. Er empfahl, bevorzugt auf biogene Komponenten mit einer hohen Strukturrelevanz für die jeweilige Beschichtung zu setzen und diese Strukturen für Funktionalsysteme zu nutzen.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Entwicklung eines hochkratzfesten, selbstheilenden Auto-Klarlacks durch die Hemmelrath Lackfabrik und die Universität Paderborn, gefördert durch das BMEL. Die Forscher setzen dabei auf neuartige Biomoleküle, um Komplexverbindungen zu bilden, die durch reversible van-der-Waals-Kräfte zusammenhalten (fnr.de/Projektförderung, Förderkennzeichen 22023716 und 22005117).

Biobasierter Holzschutz – Acrylate

Dr. Stefan Friebel, Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI, gab einen Überblick zum Thema biobasierte Holzlacke. In Europa dominieren in diesem Bereich Acrylate und Polyurethane. Im Labor- bzw. Pilotmaßstab sind biobasierte Syntheserouten für Acrylate schon heute bekannt: Zum einen der NADA-Prozess zur Umsetzung von Milchsäure durch HBr-Katalyse zu 100-prozentig biobasierter Acrylsäure. Dieser Prozess wurde von der Universität Nürnberg-Erlangen in Kooperation mit Procter & Gamble in einem BMEL-Projekt entwickelt (fnr.de/Projektförderung, Förderkennzeichen 22009614).

Zum anderen gibt es die von BASF, Novozymes und Cargill entwickelte Umwandlung von 3-Hydroxypropionsäure zu Acrylsäure. Forschungsbedarf für biogene Acrylate sah Dr. Friebel u.a. im Bereich neuer biobasierter Monoalkohole und beim Upscaling zur wirtschaftlichen Gewinnung von biobasierter Acryl- und Methacrylsäure.

… und Polyurethane

Bei den Polyurethanen lässt sich die Polyesterkomponente theoretisch zu 100% aus diversen biobasierten Materialien herstellen, etwa aus 1,3-Propandiol, Isosorbid, Glycerin, Fettsäuren, Milchsäure oder Bernsteinsäure. Benötigt werden u.a. noch neue Neutralisationsmittel und neue Polyamine zur Kettenverlängerung. Im Bereich der NIPU fehlt es an Alternativen für Harnstoff, an biobasierten Dialdehyden, Carbonaten und Diaminen.

Trotz des großen Forschungs- und Entwicklungsbedarfs sieht Dr. Friebel in der Holzlack-Branche ein erhebliches, noch nicht ausgeschöpftes Potenzial, auf biobasierte Produkte umzusteigen. Nach seiner Einschätzung gibt es zahlreiche Möglichkeiten, petrochemische durch biobasierte Lacke zu ersetzen, ohne vorhandene Applikationsgeräte umstellen zu müssen.

Tabelle 1 zeigt die aktuellen und künftig möglichen biobasierten Anteile bei den wichtigsten Bindemitteln für Holzlacke (Quelle: Dr. Stefan Friebel, Fraunhofer WKI).

Bindemittel-Typ Heute schon biobasiert? Biobasiert möglich?
Acrylate Nein Potentiell bis 100 % möglich
Polyurethane Partiell Potentiell bis 100 % möglich
UV-Bindemittel Überwiegend nein Potentiell bis 100 % möglich
Öl-Systeme Partiell Bis zu 100 % möglich
UV-Öle Partiell Bis zu 100 % möglich
Alkyde Partiell Bis zu 100 % möglich
Epoxy Überwiegend nein Partiell
 

Großer Handlungsbedarf

Die Teilnehmer des Fachgesprächs waren sich einig, dass die Chancen im Bereich biobasierter Beschichtungen für diverse Anwendungsbereiche groß sind und dass ein verstärkter Bedarf an Produkt- und Prozessinnovationen besteht. Auf der Ebene der einzelnen Komponenten kristallisierte sich folgender Handlungsbedarf heraus:

  • Bindemittel: Einsatz von biobasierten Grundbausteinen; Optimierung der Performance durch Derivatisierung der biogenen Rohstoffe
  • Lösemittel: Einsatz biobasierter Lösemittel; Einsatz biobasierter Reaktivverdünner
  • Additive: Ausloten der Möglichkeiten, neuen Funktionen und Zusatznutzen durch biobasierte Additive
  • Pigmente: Organische Pigmente aus biogenen Rohstoffen oder biobasierten Vorprodukten

Auf der Ebene der Beschichtungssysteme sahen die Teilnehmer folgende Punkte als wichtig an:

  • Untersuchung neuer Rohstoffe
  • Nutzung der „natürlichen“ Strukturen und der Synthesevorleistung der Natur
  • Einsatz von Komponenten mit hoher Strukturrelevanz für die entstehende Beschichtung
  • Optimierung der Verarbeitungsparameter
  • Entwicklung reproduzierbarer, valider Globalbilanzen
  • Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Reduktion kostenbezogener Defizite

Ein großes Potenzial wurde allgemein bei Beschichtungen gesehen, die über den Status Quo hinausgehen und neue oder verbesserte Eigenschaften und Funktionen aufweisen.

Im Ergebnis des Fachgesprächs hat das BMEL am 1. März 2019 den Förderaufruf „Biobasierte Beschichtungen“ für marktnahe Forschungsprojekte zum Thema veröffentlicht. Nähere Informationen finden sich auf fnr.de/Projektfoerderung und auf Seite 128 in der Farbe und Lack-Ausgabe 3/19.

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