Biobasierte Beschichtungen: Nachhaltigkeit 2.0
Zunächst muss überhaupt klar sein, was Nachhaltigkeit genau bedeutet. Das war eine Kernaussage von Nicolaus Raupp, Global Sustainability Manager bei BASF in Ludwigshafen. Er eröffnete das EC Tech Forum – Renewable Coatings in Berlin und gab eine Einführung in das Thema. Einfach auf irgendeinen nachwachsenden Rohstoff umzusteigen, das sei nicht der richtige Weg, erklärte er. So gelte es etwa, die Konkurrenz mit der Nahrungs- und Futtermittelproduktion zu vermeiden.
Keine Konkurrenz zwischen Lack und Nahrung
Es gebe derzeit einen Trend, dies auszublenden. Dahinter stehe die Argumentation, dass es eigentlich mehr als genug Nahrungsmittel auf der Welt gäbe. Dem widersprach er allerdings energisch, solange Menschen auf der Welt noch Hunger leiden müssten, sei diese Argumentation unzulässig.
Nikolaus Raupp, Global Sustainability Manager bei BASF sprach über biobasierte Lackrohstoffe.
Allerdings räumte er ein, dass es auch nicht einfach sei, Biomasse ohne diese Nutzungskonkurrenz zu verwerten. Biobasierte Lackrohstoffe der zweiten Generation, die auf biogenen Rest- und Abfallstoffen basieren, seien schwer zu entwickeln. Einen Ansatz die Konkurrenz zu vermeiden setzt BASF selbst ein.
Beim sogenannten Biomassenbilanzverfahren gibt das Unternehmen Biogas und Bio-Naphta in seine Verbundanlage in Ludwigshafen zu herkömmlichen Erdgas und Naptha am Anfang der Produktionskette hinzu. Beide Biorohstoffe werden aus Reststoffen gewonnen. Dieses wird dann regulär zu den üblichen Produkten weiterverarbeitet.
Umfrageergebnis einer Vorortbefragung der Konferenzteilnehmer biobasierten Lackrohstoffen.
Dieses Drop-in-Verfahren sah Raupp aber auch nur als Brückentechnologie. Deren Vorteil sei, dass die Technik schon heute funktioniere und vergleichsweise günstig daherkomme, denn schließlich könne man die bestehende Infrastruktur nutzen.
Biobasierte Rohstoffe für bessere Farben und Lacke
Langfristig werde es aber darauf ankommen, gänzlich neue biobasierte Rohstoffe zu entwickeln. Besonders wenn diese neue oder verbesserte Eigenschaften gegenüber gängigen fossilen Materialien hätten, könnten sie sich am Markt durchsetzen. Eine Absage erteilte er dagegen Materialien, die schlechtere Eigenschaften als der Status Quo lieferten. Da biobasierte Rohstoffe meist teurer als die etablierten Produkte seien, dürfe man auf keinem Fall bei der Qualität Abstriche machen. Das würden Kunden nicht mitmachen.
Umfrageergebnis einer Vorortbefragung der Konferenzteilnehmer zur Wirtschaftlichkeit.
Das Thema Wirtschaftlichkeit war auch sonst ein dominantes Thema. Eine Umfrage unter den versammelten Experten ergab, dass der Großteil erwartet, die Kosten für neuartige biobasierte Lackrohstoffe würden frühestens in sieben Jahren in einem konkurrenzfähigen Verhältnis zu fossilen Rohstoffen stehen. Es scheint also Geduld gefragt zu sein. Anderseits, immerhin 20 % der anwesenden Experten glaubten, es könne bereits in 3 Jahren so weit sein.
Aminosäuren als Lackrohstoff
Die zuvor schon von Nikolaus Raupp geforderten, gänzlich neuen biobasierten Lackrohstoffe gab es dann im Verlauf der Konferenz in großer Menge zu sehen. So stellte etwa Olivia Giani vom Institut Charles Gerhard aus Montpellier, Frankreich, neue UV-härtende Beschichtungen vor. Als biobasierter Rohstoff setzt sie auf Isosorbit, das aus Stärke gewonnen wird. Außerdem stellte sie vor, wie Aminosäuren als Monomer für die Entwicklung von neuartigen Beschichtungen genutzt werden können.
Umfrageergebnis einer Vorortbefragung der Konferenzteilnehmer zu biobasierten Lackrohstoffen.
Auch DSM hatte neue Rohstoffe zu präsentieren und setzt dabei ebenfalls auf Aminosäuren. Cor Koning, der beim niederländischen Rohstofflieferanten als Senior Science Fellow arbeitet, zeigte neue biobasierte Alkydharze. Bei diesen kommen vor allem Fettsäuren, pflanzliche Öle und Polyole wie Glycerin oder Pentaerythritol als Rohstoff zum Einsatz. Um Monomere mit hohem Tg, wie etwa Phtalic Anhydrid, Benzolsäure oder IPA biobasiert zu ersetzen, nutzt das Unternehmen Imide, die in situ aus natürlichen Aminosäuren gewonnen werden.
Unabhängig vom Ölpreis
Auch Koning ging auf Probleme ein. Zum einen stimmte er anderen Referenten zu, dass nachwachsende Rohstoffe nicht automatisch nachhaltig seien. Allerdings merkte er an, dass biobasierte Rohstoffe auch das Potenzial böten, sich von schwankenden Ölpreisen und den – politisch oft instabilen – Öl produzierenden Ländern unabhängiger zu machen.
Tobias Robert, Fraunhofer-Institut für Holzforschung hielt einen Workshop zu neuen biobasierten UV-Lacken.
Zahlreiche Workshops präsentierten viele weitere neuartige biobasierte Rohstoffe und sorgten für praktische Hilfestellung im heimischen Labor. Hier wurde live lackiert, proben rumgereicht und vor allem intensiv diskutiert.
Die Konferenz zeigte, es gibt schon viele biobasierte Lackrohstoffe und viele Ansätze weitere zu entwickeln. Allerdings braucht es auch einen langen Atem, viel Überzeugungsarbeit, und wie der eine oder andere Teilnehmer zugab, vielleicht auch einen etwas höheren Ölpreis.
Jan Gesthuizen