Wie lassen sich Trends bei Automobilfarben hervorsagen?
Laut Elke Dirks, OEM Colour Designerin für Axalta Coating Systems Europa, den Nahen Osten und Afrika, ist es besonders wichtig, beim Designen von Autofarben das fertige Produkt vor Augen zu haben. „Farbe kann ein Projekt hervorheben und zum regelrechten Hingucker machen, es aber auch genauso gut ruinieren. Sieht man sich ein Auto an, so sieht man zu aller erst die Farbe, ehe man die Form wahrnimmt. Daher ist die perfekte Balance zwischen Farbe und Form ein Muss“, sagt sie.
Trends erkennen
Farbtrends werden im Laufe der Zeit von vielen unterschiedlichen, parallel zueinander bestehenden Faktoren beeinflusst. Sie tauchen nicht plötzlich auf und können auch nicht künstlich geschaffen werden, aber mit Hilfe einer umfassenden Trendanalyse kann man sie frühzeitig erkennen. Als OEM Colour Designerin gehört es unter anderem zu Elke Dirks Aufgaben, kurzlebige von langlebigen Trends zu unterscheiden. Weiter betont sie: „Gute Designer kreieren keinen Farbtrend, vielmehr verwenden sie zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, die richtige Farbe für das richtige Produkt. Die Entwicklung einer Autofarbe ist sehr komplex und benötigt eine lange Vorlaufzeit mit mehreren Entwicklungs- und Testphasen. Wir arbeiten also an Farben für Modelle, die erst in drei bis vier Jahren auf den Markt kommen.“
Es werden verschiedene Methoden zur Trendanalyse eingesetzt. Zum einen kann man der Entwicklung in anderen, nicht direkt korrelierenden Bereichen wie z. B. Möbel, Mode, Stoffe und anderen Arten von Konsumgütern folgen, deren Trends sich möglicherweise auf die Automobilbranche übertragen lassen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Elektronik- und Computerbranche, die zum Wegbereiter der Megatrendfarbe Weiß wurde. Diese Farbe ließ sich ebenfalls auf Autos übertragen und ist mit insgesamt 25 % auch heute noch die beliebteste Autofarbe in Europa. Zum anderen kann man fast 60 Jahre an Farbstatistiken in Axaltas Globaler Studie der beliebtesten Autofarben (Global Colour Popularity Report) nachverfolgen. „Wir sehen uns länderspezifische Faktoren an, um kulturelle Unterschiede, Traditionen und Vorlieben zu bestimmen, die die Farbwahl beeinflussen“, sagt Dirks.
Enge Zusammenarbeit mit Automobilherstellern
lke Dirks, OEM Colour Designerin für Europa, den Nahen Osten und Afrika (EMEA)
Axalta Coating Systems
Dirks fährt fort: „Wir arbeiten sehr eng mit den Automobilherstellern zusammen, um für sie individuelle Farbprofile zu kreieren, denn ein Hersteller hebt sich vor allem auch durch Farbe und Design vom Wettbewerb ab.“
Zur Identifizierung der mit Farbe und Effekten zu akzentuierenden Formen und Linien analysiert Elke Dirks modellspezifische Eigenschaften des Automobilherstellers. Farben mit einem ausgeprägten Flop-Effekt können visuell beispielsweise als Bruch in der Form der Karosserie wahrgenommen werden und die allgemeine Ästhetik stören. Außerdem wirken manche Farben auf Bauteilen mit Ecken und Kanten fehlerhaft. Unter Berücksichtigung dieser Punkte sowie des gesamten Fahrzeugkonzepts, entwickelt Elke Dirks dann eine Farbpalette, die nicht nur die spezifischen Design-Anforderungen des Automobilherstellers erfüllt, sondern auch in der Serienfertigung technisch umgesetzt werden kann.
Anschließend präsentiert sie der für Farbe und Ausstattung zuständigen „Colour and Trim“ Abteilung des Automobilherstellers ihre Farbvorschläge. Deren Design-Experten entscheiden letztendlich, welche der von Axalta präsentierten Farben vom Band rollen. Jedes Fahrzeugmodell hat seine eigene Farbpalette. Hauptgründe für die Wahl einer bestimmten Farbskala sind beispielsweise der Wunsch die Form zu betonen oder eine Trendfarbe oder stark nachgefragte Farbe einzusetzen.
Farbe und Technologie arbeiten Hand in Hand
Da immer mehr autonome bzw. selbstfahrende Fahrzeuge hergestellt werden, ist es besonders wichtig zu verstehen, inwiefern Farbe einen Einfluss auf diese Technologie hat und wie sie sie am besten unterstützen kann. Selbstfahrende Fahrzeuge arbeiten mit LiDAR-Systemen (Light Detection and Ranging) und hochreflektierende, helle Farben wirken sich positiv auf deren Funktionsweise aus. Auch aufgrund der Assoziierung von Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit mit sauberen, hellen Farben wählen viele Automobilhersteller weiche, nüchterne Farben für ihre Umweltkonzepte.
Elke Dirks versichert allerdings, dass dies nicht das Aus für dunklere Autos bedeutet. „Automobilhersteller beschäftigen sich bereits mit Technologien und Systemen, die auch dunkle Farben erfolgreich wahrnehmen“, sagt sie. Axaltas Forschungs- und Entwicklungsteams arbeiten an NIR-Farben (Nah-Infrarot-Farben), die von LiDAR-Systemen erkannt werden und Automobilherstellern zukünftig eine größere Auswahl an Farbtönen bieten.
Elke Dirks bemerkt abschließend: „Als Farbdesignerin für Automobilhersteller muss man viel Fachkenntnis, Fingerspitzengefühl und noch mehr Erfahrung mitbringen. Ich benötige nicht nur ein umfassendes Wissen bezüglich der Farben, Farbtöne, Effekte und wie diese sich auf die Fahrzeugform auswirken, sondern auch bezüglich der Eigenschaften einer Farbe, einschließlich ihrer Pigmentzusammensetzung, der Anwendungstechnologie und genauer Spezifikationen für die Serienproduktion. All diese Faktoren müssen in Einklang gebracht werden, um für den Hersteller die perfekte Farbe, die sich auch auf lange Sicht bewährt, zu kreieren.“