StörfallVO – eine Kritik an der Abstandsplanung

Die neue Störfallverordnung ist seit über einem Jahr in Kraft getreten. Zeit zu hinterfragen, was die neue Verordnung für die betroffenen Unternehmen für Veränderungen gebracht hat.

StörfallVO – eine Kritik an der Abstandsplanung. Bild: Michael Sick - Fotolia.com -

Von Peter Duschek, UMCO

Wir ziehen ein erstes Resümee über unsere Erfahrungen als Berater in diesem Bereich, das sicherlich nicht vollständig repräsentativ ist. Das bundesdeutsche Störfallrecht ist auf Basis der Seveso III-Richtlinie novelliert worden. Dafür wurden das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die eigentliche Störfallverordnung geändert. In der dann beginnenden Phase des Inkrafttretens der einzelnen Regelungen trat ein Aspekt immer mehr in den Vordergrund des behördlichen Handelns: das Abstandsthema. Aus der Erfahrung vieler Genehmigungsverfahren lässt sich sagen, dass dies ein sehr bestimmendes und leider auch sehr kontrovers diskutiertes Thema ist. Inzwischen hören wir vermehrt, dass bundesweit Investitionen überdacht und verworfen werden, weil die Betriebsbereiche fürchten, dass ihnen im Rahmen der „Abstandsdiskussionen“ eine Genehmigung versagt werden könnte. Zur Beurteilung soll nachfolgend dargestellt werden, welche Problematiken der Diskussion zugrunde liegen.

Herausforderungen bei der Planung

Die grundsätzliche Planung seitens der Bundesländer bzw. ihrer jeweiligen Landesbaubehörden erschließt sich schon aus der Seveso II-Richtlinie und dem daraus abgeleiteten § 50 BImSchG: „Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen […] in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete […] so weit wie möglich vermieden werden.“

Diese Abstandsplanung (im EU-Sprachgebrauch als „land-use-planning“ bezeichnet) ist aber in den letzten 10-15 Jahren kaum beachtet und umgesetzt worden. Das hat sich jetzt radikal dadurch geändert, dass das Abstandsthema bei den Umweltbehörden eine enorme Aufmerksamkeit bekommen hat und nun im Zusammenhang mit den Genehmigungsverfahren im Sinne des BImSchG in Verbindung gebracht wird.

Um das Thema besser greifen zu können, wurde in § 3, Abs. 5c BImSchG der sogenannte „angemessene Sicherheitsabstand“ definiert. Es ist der „[…] Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle […] hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.“

  • In Absatz 5d des gleichen Paragrafen wurden Schutzobjekte definiert als:
  • ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete
  • öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete
  • Freizeitgebiete
  • wichtige Verkehrswege
  • und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete

Zur Bemessung des Sicherheitsabstandes

Die Definition des angemessenen Sicherheitsabstandes dient in verschiedenen Paragrafen des BImSchG (u.a. §§15, 16) dazu, festzustellen, welches Genehmigungsverfahren anzuwenden ist. Damit verbunden ist die sehr bedeutsame Frage, ob die Öffentlichkeit beteiligt werden muss. Damit stellt er im Verständnis vieler Experten und Verbände (u.a. dem VCI ) keine materielle Genehmigungsanforderung und Voraussetzung.

Das bedeutet, ein Unterschreiten eines berechneten angemessenen Sicherheitsabstandes ist nicht gleich zu setzen mit einer Ablehnung des Genehmigungsantrages. Doch genau das passiert derzeit: Abstandsberechnungen werden oftmals als Genehmigungs- und Steuerungsinstrument eingesetzt: Ohne Gutachten und Berechnung (umgangssprachlich als „KAS 18 – Gutachten“ inflationär verwendet) wird teilweise nicht einmal die Antragskonferenz einberufen. Soweit ein Abstandswert nicht angemessen erscheint, kommt immer häufiger der Ruf nach einem zweiten Gutachten auf oder es werden Kompensationsmaßnahmen eingefordert. Und damit ist man als Betrieb doch im Bereich der materiellen Anforderungen, die eigentlich nicht mit der Abstandsplanung verbunden waren.

In den letzten Monaten ist durch viele Genehmigungsverfahren der Eindruck entstanden, dass die bestehende Anlagensicherheit überhaupt nicht gewertet wird, sondern nur noch auf ein durch einen Sachverständigen nach § 29b BImSchG errechneten Abstandswert geachtet wird. Liegen dann innerhalb des berechneten Abstandes noch andere Betriebsbereiche oder in der Tat auch Einrichtungen, die unter die Definition des § 3, Abs. 5d BImSchG fallen, ist die Forderung nach materiellen Nachbesserungen nicht weit. Zuweilen wird auch offen verkündet, dass ein Betrieb an seinem jetzigen Standort keine Veränderungsmöglichkeit mehr hätte. Das ganze Vorgehen ist insofern verwunderlich, da in der Störfallverordnung in §3, Abs. 5 aufgeführt ist: „(5) Die Wahrung angemessener Sicherheitsabstände zwischen Betriebsbereich und benachbarten Schutzobjekten stellt keine Betreiberpflicht dar.“

Fazit

Es ist dringend notwendig, dass die auf Basis des § 48, Abs. 6, Nr. 1 BImSchG einberufene Arbeitsgruppe zur Technischen Anleitung „Angemessener Sicherheitsabstand“ erfolgreich und einvernehmlich ihre Ausarbeitung vorlegen kann. Die durch das neue Störfallrecht ausgelöste Diskussion stellt derzeit keine erkennbare Erhöhung der Anlagensicherheit dar, sondern einen zusätzlichen Kostenfaktor. Im europäischen Vergleich der Unternehmen, die Betriebsbereiche im störfallrechtlichen Sinne sind, ist die oben beschriebene Erfahrung ein eindeutiger Standortnachteil für Unternehmen in Deutschland.

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