Nachwachsende Rohstoffe: „Es gibt viele Monomere, die über neuartige Strukturelemente verfügen“

Will die Lackindustrie nachhaltiger werden, muss sie ihre Abhängigkeit vom Erdöl reduzieren. Das aber ist leichter gesagt als getan. Wir haben mit Tobias Robert vom Fraunhofer WKI in Braunschweig über Chancen und Herausforderungen biobasierter Lackrohstoffe gesprochen.

Biobasierte Rohstoffe können die Nachhaltigkeit von Farben und Lacken erhöhen. Das ist aber keine einfache Aufgabe. (Foto: Nomad_Soul – stock.adobe.com) -

Welche biobasierte Rohstoffe sind derzeit aus Ihrer Sicht wichtig für die Farben- und Lackindustrie?

Dr. Tobias Robert: Die Branche setzt traditionell schon sehr viele biobasierte Rohstoffe ein. Da wären etwa Cellulose, Stärke und Pflanzenöle zu nennen. Aber das Ziel ist natürlich eine noch größere Variabilität biobasierter Rohstoffe einzusetzen. Daher wurden in der jüngeren Vergangenheit viele neue (teil)-biobasierte Ausgangsstoffe auf den Markt gebracht, wie zum Beispiel Polyole oder auch Isocyanate. Hier werden vor allem Fettsäuren als Ausgangsstoffe eingesetzt, aber auch neue Monomere, die mittlerweile biotechnologisch aus nachwachsenden Rohstoffen produziert werden können.

Zu nennen wären hier u.a. Monomere wie 1,3-Propandiol, Sebacinsäure, Itaconsäure oder auch Bernsteinsäure als Bausteine für Polyester, Alkyde oder Polyurethane. Es gibt allerdings auch noch Bindemittel für deren Herstellung derzeit kaum biobasierte Lösungen existieren, wie Polyacrylate.

Und welche Rohstoffe werden in Zukunft noch wichtig werden?

Robert: Da gibt es Synthesebausteine wie Furandicarbonsäure oder Isosorbid, die nach meiner Wahrnehmung auf der Schwelle zur Anwendung stehen. Da gibt es allerdings noch ein paar Probleme zu überwinden, damit diese in Standartanwendungen zum Einsatz kommen können.

Dr Tobias Robert

Dr. Tobias Robert forscht und arbeitet am Fraunhofer Institut für Holzforschung (WKI) in Braunschweig. Im November wird er außerdem ein Seminar zu biobasierten Lackrohstoffen in Amsterdam abhalten.

Was für Probleme wären das?

Robert: Das Potential der Furandicarbonsäure wird zurzeit vor allem für den Kunststoff-Bereich ausgelotet. Hier könnte PEF eine bio-basierte Alternative für PET-Flaschen sein. Allerdings ist die Verfügbarkeit immer noch sehr eingeschränkt. Derzeit kann man Furandicarbonsäure nur zu sehr hohen Preisen über Feinchemikalienanbieter beziehen.

Woran liegt das?

Robert: Die Produktionskapazitäten sind noch nicht ausreichend aufgebaut.

Das klingt ja immerhin nach einem lösbaren Problem.

Robert: Richtig, gerade auf der Furandicarbonsäure liegen große Hoffnungen, dass sie kommerziell irgendwann in größeren Mengen zu konkurrenzfähigen Preisen verfügbar ist. Insbesondere für Beschichtungsindustrie gibt es kaum zyklische Bausteine aus nachwachsenden Rohstoffen, die man aber benötigt, um bestimmte Eigenschaften wie zum Beispiel eine hohe Härte zu erhalten. Allerdings zeigt die Furandicarbonsäure auch eine Tendenz zum Vergilben, was die Anwendbarkeit in einigen Bereichen einschränken würde.

Als alternatives Monomer kommt auch noch Isosorbid in Frage, an dem viel geforscht wird. Hier fehlen bisher allerdings auch ausreichend Anwendungen. Das Problem ist, dass die Harzproduzenten ihre gewohnte Chemie umstellen müssten, da etwa die Reaktivität des Isosorbids etwas geringer ist, was es schwieriger macht, diesen Ausgangsstoff in die Bindemittel einzubauen.

Die Industrie tut sich hier vermutlich schwer, da sie nicht unbedingt einfach mal so komplett neue Formulierungen entwickeln will?

Robert: Genau. Das sieht man zum Beispiel an der Bernsteinsäure. Es gibt inzwischen Firmen, die versuchen Bernsteinsäure in großen Mengen auf den Markt zu bringen und betreiben dafür einigen Aufwand. Hier wurden eine Vielzahl Studien durchgeführt, um zu zeigen, dass man diesen Baustein erfolgreich einsetzen kann.

Werden biobasierte Rohstoffe ihrer Meinung nach eher genutzt werden, um fossile Rohstoffe eins zu eins zu ersetzen oder stehen die oft genannten neuen Eigenschaften im Fokus?

Robert: Das kommt sehr auf die Rohstoffe an. Es gibt zum einen Drop-in Anwendungen, bei denen man den petrochemischen Rohstoff ausgehend von nachwachsenden Rohstoffen biobasiert herstellt. Das bietet den Vorteil, dass die Industrie nichts an ihren Prozessen und Produkten verändern muss, solange die biobasierten Rohstoffe über eine ausreichende Qualität verfügen. Ein Beispiel hierfür ist biobasierte Acrylsäure, allerdings sind die Produktionskosten derzeit noch höher als für petrochemisch hergestellte Acrylsäure. Daher wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis die biobasierte Variante kommerziell wettbewerbsfähig sein wird.

Es gibt aber eben auch viele neue Monomere, die den Vorteil bieten, über neuartige Strukturelemente zu verfügen, mit denen man auch neue Produkte oder Eigenschaften erzeugen kann. Ich denke, dass hier ein großes Potenzial für biobasierte Rohstoffe liegt. Diese Potentiale treiben unsere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten hier auch am Fraunhofer WKI an.

Können Sie ein Beispiel für solche neuen Eigenschaften nennen?

Robert: Wenn Sie zum Beispiel die Itaconsäure in Polyester einbauen, sind die Doppelbindungen über das Polymerrückgrat verteilt. Wohingegen Sie bei den klassischen Polyesteracrylaten für UV-härtende Anwendungen die reaktive Bindung nur am Ende der Kette finden. Obwohl die Reaktivität eine andere ist, kann man hier Beschichtungen erhalten, die ganz andere mechanische und physikalische Eigenschaften aufweisen. Das kann zum Beispiel eine höhere Härte sein, oder eine verbesserte Witterungsstabilität.

Sehen Sie auch negative Auswirkungen von biobasierten Lackrohstoffen?

Robert: Es kommt immer wieder die Diskussion auf, dass nachwachsende Rohstoffe Agrarflächen für Nahrungsmittel substituieren. Allerdings muss man betrachten, dass der Flächenbedarf für bio-basierte Rohstoffe im kleinen einstelligen Prozentbereich liegt, wenn man den Vergleich zu den Flächen anstellt, die derzeit für Futtermittel oder Biokraftstoffe genutzt wird. Daher denke ich, dass bio-basierte Beschichtungen und auch Kunststoffe vor diesem Hintergrund eine gute Alternative sind.

Auf Dauer muss man sich auch die Prozesse genauer anschauen, aus denen biobasierten Monomere hergestellt werden. Hier brauchen wir mehr Ökobilanzierungen, welche noch nicht für alle Produkte vorliegen. Viele Monomere werden zwar als nachhaltige Alternative ausgelobt, belegt ist das aber nicht immer.

Ein biobasierter Rohstoff, der aus Nebenströmen erhältlich ist, wäre ist ja Lignin. Wie sehen sie dessen Potenzial?

Robert: Das ist tatsächlich einer der Stoffe, der schon lange als biobasierter Rohstoff gehandelt wird und in dem wir auch ein großes Potential sehen. Man muss allerdings bedenken, dass Lignin ein Feststoff mit hoher Glasübergangstemperatur ist, der in gängigen Lösemitteln unlöslich ist. Das heißt es bedarf einiger chemischer Tricks, Lignin in eine anwendbare Form zu überführen. Eine weitere Eigenschaft des Lignins ist dessen braune Farbe. Für dekorative Beschichtungen ist die realisierbare Farbpalette daher sehr eingeschränkt. Realistischer ist ein Einsatz in Klebstoffen oder Kunststoffen. Hier wurden in den letzten Jahren sowohl in der Industrie als auch an Forschungsinstituten gute Ideen entwickelt, Lignin stofflich zu nutzen.

Gibt es noch andere Hürden bei der Nutzung biobasierter Lackrohstoffe?

Robert: Hier sind mehrere Dinge zu nennen. Zum einen sind die Kosten biobasierten Rohstoffe oft höher als die der konventionellen. Aber auch die zum Teil unsichere Verfügbarkeit und die geringe Zahl der Lieferanten stellen ein Problem dar. Zwar sind einige biobasierte Rohstoffe schon zu wettbewerbsfähigen Preisen in größeren Mengen verfügbar, allerdings stellt sich hier die Frage, ob das auf Dauer so bleibt, vor allem wenn die Nachfrage steigt.

In Kürze werden Sie auch ein Seminar zu biobasierten Lackrohstoffen durchführen. Was können die Teilnehmer dort erwarten?

Robert: Da wird es um biobasierte Rohstoffe und Monomere für die Beschichtungsindustrie gehen. Also welche Rohstoffe werden schon eingesetzt, welche werden in Zukunft wichtig und was sind die Vorteile, wenn man darauf umschwenkt. Also zum Beispiel einen höheren bio-basierten Anteil in den Produkten, was ja auch für Konsumenten immer wichtiger wird. Es geht aber auch darum, zu zeigen, dass neue Eigenschaften durch neuartige Monomere erhalten werden können und zu welchen Anwendungen das führen kann.

Das Interview führte Jan Gesthuizen

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