Meldepflicht erfüllen

Für Inverkehrbringer von gefährlichen Stoffen in der EU besteht Meldepflicht über die genaue Zusammensetzung bei den Giftnotrufzentralen oder der Europäischen Chemikalienagentur ECHA. Treuhänder wie TÜV SÜD schützen bei der Übermittlung sensibler Daten Betriebsgeheimnisse der Hersteller.

Für Inverkehrbringer von gefährlichen Stoffen in der EU besteht Meldepflicht über die genaue Zusammensetzung bei den Giftnotrufzentralen. Bildquelle: kebox-StockAdobe.com

Für Inverkehrbringer von gefährlichen Stoffen in der EU besteht Meldepflicht über die genaue Zusammensetzung bei den Giftnotrufzentralen. Bildquelle: kebox-StockAdobe.com

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Von Dr. Dieter Reiml und Rupert Scherer, TÜV Süd Industrie Service

Nicht nur Endverbraucher kommen mit Farben und Lacken in Kontakt, sondern auch im Gewerbe und in der Industrie finden diese chemischen Produkte Anwendung. Das Gefahrenpotential erstreckt sich von physikalischen Gefahren (etwa Brandgefahr) über Gefahren für die Gesundheit (akute und chronische Vergiftungen) bis hin zu Umweltgefahren (Vergiftung von Gewässern). In medizinischen Notfällen bieten Giftnotrufzentralen oder die ECHA telefonischen Rat: Sie informieren über nötige Maßnahmen wie Entgiftungen, Untersuchungen und weitere Schritte. Damit Ärzte und Fachkundige aus den verschiedensten Bereichen diese Auskunft gewährleisten können, müssen Hersteller und Importeure vor dem Inverkehrbringen gefährlicher Produkte in der EU die ausgehenden Gefahren einstufen und kennzeichnen und dabei Angaben über die chemische Zusammensetzung sowie toxikologischen Eigenschaften machen.

In der Vergangenheit gab es keine einheitlichen Regelungen zur Benachrichtigung von Giftnotrufzentralen zu chemischen Produkten. Jetzt hat die EU mit einer Änderung der CLP-Verordnung (Classification, Labelling and Packaging) die Meldung an die Giftnotrufzentralen vereinheitlicht. Für Inverkehrbringer von Produkten in der EU bestehen je nach Anwendungsbereich zeitlich gestaffelte Meldefristen: Für Produkte für Endverbraucher war zunächst der 1. Januar 2020 vorgesehen – diese Frist wurde allerdings um ein Jahr auf den 1. Januar 2021 verlängert. Gleiches gilt für gewerblich genutzte Produkte. Für eine industrielle Verwendung ist der 1. Januar 2024 Stichtag. Bis 2025 müssen alle Produkte gemeldet sein, einschließlich Produkten, die bereits vorher nach nationalen Gesetzen auf dem Markt waren.

Know-how

Die Einstufung und die Kennzeichnung von Produkten stellen keine ganz einfache Angelegenheit dar. Zum einen bereitet es Verbrauchern Schwierigkeiten, die Informationen auf Produktetiketten zu verstehen und zum anderen wissen Unternehmen häufig nicht genau, wie sie Chemikalien kennzeichnen und deren Gefahren einstufen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) gibt Auskunft darüber. Auch auf den Seiten der Giftnotrufzentralen der ECHA gibt es ausführliche Informationen und Anleitungen. Bevor gefährliche Stoffe gemeldet werden, müssen sie allerdings zunächst den Anforderungen der REACH-Verordnung entsprechen. Diese weitere Chemikalienverordnung dient in erster Linie dazu, die menschliche Gesundheit zu schützen und Umweltrisiken zu minimieren.

Meldungen an die Giftnotrufzentralen erfolgen ausschließlich elektronisch über das harmonisierte PCN-Format (Poison Center Notification) –gemäß CLP-Verordnung. Das Format sorgt unter anderem dafür, dass Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedsstaaten der EU bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums reduziert werden. Ausgehend von festgelegten Kriterien bestimmen Unternehmen gefährliche Eigenschaften chemischer Produkte und ordnen diesen Gefahrenkategorien zu. Hierfür wurde ein Europäisches Produktkategorisierungssystem (EuPCS) aufgebaut.

Bei der Einstufung können Unternehmen auf das Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis (C&L Inventory) der ECHA zurückgreifen und bereits harmonisierte Einstufungen zu Stoffen einsehen oder aber eine Selbsteinstufung der zu erwarteten Gefahren vornehmen. Sofern Stoffe mindestens einer Gefahrenkategorie zugeordnet sind, gelten sie als gefährlich und es besteht Meldepflicht. Die Kennzeichnung auf Etiketten erfolgt mithilfe standardisierter Elemente wie etwa Gefahrenhinweisen, Sicherheitshinweisen und Kontaktinformationen. Außerdem müssen Inverkehrbringer einen UFI-Code (Unique Formula Identifier) erstellen und auf dem Produktetikett anbringen.

Vertraulichkeit und gezielte Hilfe

Beim UFI-Code, dem eindeutigen Rezepturidentifikator, handelt es sich um einen 16-stelligen alphanumerischen Code, der unter anderem aus der Umsatzsteuernummer des Unternehmens und einer Zahl von 0 bis 268.435.455 besteht. Da die genaue Zusammensetzung eines Gemisches Geschäftsgeheimnis ist, wird sie vertraulich bei den Giftnotrufzentralen hinterlegt. Anhand des UFIs lassen sich das Produkt und dessen chemische Zusammensetzung sowie toxikologische Eigenschaften in medizinischen Notfällen genau identifizieren.

Bei Industrieprodukten ohne Etikett muss der UFI im Sicherheitsdatenblatt angeführt sein. Der Vorteil eines UFIs ist, dass er für Datenschutz sorgt: Die Giftnotrufzentralen wissen über die chemische Zusammensetzung Bescheid und gleichzeitig vermeiden Hersteller Produktpiraterie. Zur einfacheren und wirtschaftlicheren Verwaltung kann ein UFI auch produktübergreifend verwendet werden, wenn sich die chemische Zusammensetzung nicht unterscheidet bzw. solange Abweichungen oder Toleranzgrenzen bei der Dosierung nicht überschritten werden – auch bei Produkten mit abweichendem Handelsnamen oder anderer Verpackung.

Treuhänder schützen sensible Produktdaten

Wer Gemische von Herstellern außerhalb der EU in der EU in Verkehr bringen möchte, benötigt Informationen zur chemischen Zusammensetzung. Da außerhalb der EU keine Meldepflicht gemäß CLP-Verordnung besteht, zögern Hersteller aus geschäftsstrategischen Gründen meist, ihre Betriebsgeheimnisse zu offenbaren. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, kann ein Treuhänder eingesetzt werden. Ein Hersteller außerhalb der EU vertraut die Daten einem Treuhänder an, der sie an die Giftnotrufzentralen aller EU-Mitgliedsstaaten weitergibt. Auf diese Weise können Geschäftsbeziehungen bestehen bleiben, ohne Meldepflichten zu versäumen.

Expertise und Zuverlässigkeit sind fundamental

Treuhänder müssen alle Daten absolut vertraulich behandeln und dürfen sie niemals für eigene Ziele weitergeben. Dazu gehört auch, dass Daten sicher aufbewahrt werden. Zudem müssen Treuhänder fachkundig sowohl auf dem Gebiet der Chemie als auch auf dem Gebiet des Chemikalienrechts sein. Damit Treuhänder die Aufgabe erfüllen können, die Giftnotrufzentralen über die zu importierenden Produkte zu benachrichtigen, müssen sie über die notwendigen EDV-Kenntnisse verfügen, die im Umgang mit den Software-Instrumenten nötig sind. Darüber hinaus bedeutet Zuverlässigkeit, dass Treuhänder ihre Aufgabe mit größter Sorgfalt ordnungsgemäß durchführen.

Sinn und Zweck

Eine einheitliche Produktmeldung für gefährliche Gemische in Europa sorgt für eine Harmonisierung des Chemikalienrechts. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit einer zentralen Meldung alle Giftnotrufzentralen in der EU benachrichtigt werden können. In medizinischen Notfällen können Giftnotrufzentralen außerdem qualifizierter Hilfestellung leisten. Gleichzeitig wahren Unternehmen ihre Geschäftsgeheimnisse. Treuhänder wie TÜV SÜD helfen bei Fragen rund um die Mitteilungspflicht oder etwa der Übersetzung der PCN in die jeweilige Landessprache.

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