Korrosion und Oberflächenschutz als Schwerpunkt
Korrosion spielt in der öffentlichen Wahrnehmung meist keine grosse Rolle. Erst ein grösseres Unglück wie z.B. der Einsturz der Morandi-Brücke in Genua 2018 führt vor Augen, wie wichtig es ist, Korrosion zu beherrschen. Aber auch aus der wirtschaftlichen Perspektive ist der Schaden immens. Es wird geschätzt, dass die Schäden durch Korrosion jährlich weltweit zwischen 1,3 und 1,4 Billionen Euro oder ca. 3-4% des Bruttoinlandsproduktes eines Landes betragen. (Studie der World Corrosion Organization, 2009). Gerade die Beschichtungsbranche trägt massgeblich zum Korrosionsschutz bei.
Zum jährlich durchgeführten Winterthurer Oberflächentag hatte das Institute of Materials and Process Engineering (IMPE) der ZHAW School of Engineering eingeladen.
Korrosion und Korrosionsschutz systematisch betrachtet
Christof Scherrer (IMPE, ZHAW School of Engineering) gab zur Einführung eine systematische Übersicht über Korrosionssysteme, Mechanismen und Schutzmassnahmen und rundete seinen Vortrag mit Beispielen korrelativer Untersuchungen ab.
Das Vortragsprogramm wurde durch eine Reihe von Austellern ergänzt, die ihre Lösungen präsentierten.
Korrosion ist keine Materialeigenschaft, erklärte Sherrer, sondern eine Eigenschaft des Systems. Das System besteht aus meist metallischem Werkstoff und einem festem, flüssigem oder gasförmigen Umgebungsmedium, welches die Korrosion verursacht.
Wirtschaftlich interessant ist vor allem die elektrochemische Korrosion in wässrigen Medien bei Raumtemperatur, mit Luftsauerstoff als Oxidationsmittel. Daraus folgen aktive und passive Schutzmassnahmen.
Aktive Schutzmassnahmen greifen ins System ein, etwa durch Wahl eines beständigeren Werkstoffes, Zugabe von Inhibitoren oder pH-Wert Erhöhung, während passive Schutzmassnahmen die Trennung von Werkstoff und Medium, z.B. durch Beschichtungen, beinhalten. Nachdem er die unterschiedlichen Korrosionsmechanismen, wie Lochkorrosion, Kontaktkorrosion und Spaltkorrosion beleuchtet hatte, berichtete er über sein Spezialgebiet, der korrelativen Mikroskopie. Diese mächtige Methode erlaubt die Untersuchung identischer Stellen mit unterschiedlicher Analytik wie Licht-, Elektronen-, 3D- und Infrarotmikroskopie und ermöglicht so einen vertieften Einblick in die Problematik. Beispielhaft zeigte er diese Methode bei der Lochkorrosion einer Nickelbasislegierung.
Smart Coatings im Korrosionsschutz – neue Ansätze für ein altes Problem
Bei Smart Coatings handelt es sich um Beschichtungen, welche auf umwelt- und andere äussere Einflüsse reagieren können, erläuterte Martin Winkler (IMPE, ZHAW School of Engineering) in seinem Beitrag. Smart Coatings sind der menschlichen Haut, die sich beispielsweise selbst heilen kann, nachempfunden. Die selbstheilenden und selbstreparierenden Eigenschaften mancher dieser neuen Beschichtungen machen sie zu idealen Kandidaten für den Korrosionsschutz. Die chemischen Mechanismen, die dieser Selbstheilung zugrunde liegen, wurden an neuen Beispielen vorgeführt.
Die Selbstheilung durch Verkapselung von Bindemitteln beruht darauf, dass die Kapseln bei einer Verletzung der Beschichtung auslaufen, und Bindemittel und Katalysator dadurch miteinander in Kontakt kommen und miteinander reagieren können, um den Spalt aufzufüllen. Leider funktioniert dieser Typ Selbstheilung nur einmal, beim zweiten Kratzer an derselben Stelle sind die Kapseln aufgebraucht. Nicht nur Bindemittel, sondern auch Korrosionsinhibitoren können verkapselt werden, die dann bei Beschädigung aufbrechen und das freigelegte Metall schützen.
Die Austeller präsentierten auch Produkte, die nicht direkt mit Korrosionsschutz zu tun haben. Hier etwa Lösungen für die Farbmessung
Ein anderer Mechanismus der Selbstheilung ist die dynamische Bindungsneuknüpfung durch einen externen Reiz, wie z.B. Wärme oder Licht. Dabei kann die verletzte Stelle beliebig oft repariert werden. Der Kratzer im Autolack verschwindet also entweder durch Bestrahlung oder eine Wärmebehandlung, was eine attraktive Lösung dieses Alltagsproblems darstellt. Eine Vielzahl chemischer Reaktionen, wie z.B. der reversiblen Diels-Alder-Reaktion, kann dieser Selbstheilung zugrunde liegen. Multiple Heilungs- und Korrosionsschutzmechanismen können in einem Beschichtungssystem kombiniert werden.
Obwohl die vorgestellten selbstheilenden Beschichtungen bisher hauptsächlich von akademischem Interesse sind, sind Produkte mit einfachem Selbstheilungsmechanismus nahe der Marktreife. Bislang wurden jedoch nur einfache Schadensmechanismen wie Kratzer untersucht, und die Effekte der Alterung nicht oder nur wenig berücksichtigt.
Korrosionsschutzgrundierungen mit modifizierten Zinkpigmenten
Zinkstaub in hoher Konzentration in Grundierungen wird angewandt, um das darunterliegende Metall – hier Stahl – vor Korrosion zu schützen. Das Zink wirkt dabei als Opferanode, das heisst, dass zuerst Zink oxidiert, bevor der Stahl angegriffen wird. Weil Zinkoxidationsprodukte viele Wasserorganismen gefährden und hohe Zinkkonzentrationen im Lack kohäsive und adhäsive Probleme schaffen, wurde ein Projekt initiiert, das auf verbesserte zinkhaltige Beschichtungen mit guten Korrosionsschutzeigenschaften abzielt. Matthias Wanner (Fraunhofer IPA, Stuttgart) berichtete über dieses noch nicht abgeschlossene Projekt.
Eine Standardgrundierung aus Epoxidharz mit ca. 84% Zinkstaubgehalt wurde mit anderen, neuen Formulierungen verglichen. Der duale Wirkmechanismus von Zink-Primern wurde vorgestellt: Nach einer Phase des kathodischen Korrosionsschutzes (Zinkmetall wird oxidiert) und einer Übergangsphase (Zink wird fortscheitend oxidiert, kann aber die Substratkorrosion nicht mehr vollständig unterdrücken) kommt es zur Barrierephase. In dieser liefert Zink keinen substanziellen kathodischen Korrosionsschutz mehr. Es kommt jedoch zur Bildung von voluminösen Zinkoxidationsprodukten, welche die Diffusionswege verschliessen und so die Korrosion des darunterliegenden Stahls erschweren.
Nach detaillierten Studien an verschiedenen Zink-Primern kam der Redner zu folgenden Schlüssen. Aussichtsreiche Zink-Primer mit reduziertem Zinkgehalt könnten erhalten werden durch:
- Modifizierung der Grösse, Form und Zusammensetzung des Zinks
- Ausstattung des Zinks mit einer (organischen) Oberflächenbehandlung
- Substitution des Zinks durch partikuläre Inert-Leitfähigkeitsadditive
Diese Modifizierungen beeinflussen die Korrosionsschutzeigenschaften der resultierenden Testprimer und stellen eine Anpassung der elektrochemischen Aktivität und eine Verlängerung der Phase des kathodischen Korrosionsschutzes in Aussicht.
Wasser- und Elektrolyttransport in autophoretisch abgeschiedenen Korrosionsschutzbeschichtungen
Tobias Krawcyk (Hochschule Niederrhein, ILOC, Krefeld) berichtete aus seiner Promotionsarbeit. Im Gegensatz zur kathodischen Tauchlackierung, die mit elektrischem Strom durchgeführt wird, beruht die autophoretisch abgeschiedene Korrosionsschutzbeschichtung auf einem stromlosen Verfahren. Nach einer Reinigung des Stahls wird dieser im Tauchbeschichtungsverfahren beschichtet, mit Wasser gewaschen, und der Lack im Ofen ausgehärtet. Dank der chemischen Natur des Beschichtungsprozesses wird nur Stahl (Eisen) beschichtet, alle anderen Metalle bleiben unangetastet. Die Beschichtung ist durch beigemengte Russpigmente schwarz gefärbt.
Mittels elektrochemischer Impedanzspektroskopie (EIS), Infrarotspektroskopie (IR) und energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) wurde versucht, den Wasser- und Elektrolyttransport in den Acryl- und Epoxysystemen zu untersuchen. Es zeigte sich, dass die Fehler in der EDX zu gross waren, um Aussagen zu erlauben. EIS ergab, dass in den Acrylsystemen kein Einfluss des Pigments auf den Barriereeffekt zu beobachten war, im Gegensatz zu den Epoxysystemen. In beiden Systemen war die Wasseraufnahme für niedrigen Pigmentgehalt minimiert und es wurde kein Quellen beobachtet. IR-Resultate weisen auf zwei mögliche Wege des Wassertransports durch die Beschichtung für die Acrylsysteme hin, während für das Epoxysystem nur ein Weg beobachtet wurde.
Die Substitution von H2O durch D2O soll in zukünftigen Experimenten die Resultate der IR-Spektroskopie aussagekräftiger machen.
Signalportale – feuerverzinkt und beschichtet
Über Schweizer Autobahnen spannen sich Stahlkonstruktionen, die Signalanlagen tragen. Der Vortrag von Ferdi Rickenbacher (Kontra Korrosion Rickenbacher GmbH, Hombrechtikon) berichtete über Mängel im Korrosionsschutz dieser Signalportale. Die Stahlträger der Signalportale werden feuerverzinkt und dann beschichtet.
Dabei können Fehler unterschiedlichster Art auftreten, die die Korrosionsbeständigkeit und damit die Lebensdauer dieser Konstruktionen beeinträchtigen. Der Referent zeigte zahlreiche Unzulänglichkeiten in den Vorschriften für die Beschichtungen wie auch in der Ausführung auf, die u. a. auf mangelnde Kenntnisse bezüglich der Eigenschaften des Korrosionssystems zurückzuführen sind.
Neue Korrosionsschutzkonzepte – oder sind sie alt?
Die Kosten, welche die Korrosion verursacht, sind um Faktoren höher als die Kosten, die durch Rauchen oder Fettleibigkeit anfallen, berichtete Mirdash Bakalli (Sika Schweiz AG, Zürich). Etwa 50 – 70% dieser Kosten können bei Anwendung der aktuell verfügbaren Kenntnisse über Korrosion und Korrosionsschutz eingespart werden. Ob neu oder alt, die Konzepte des Korrosionsschutzes sind bekannt, das Prinzip des Korrosionsschutzes mit Beschichtungen ist gut etablierte Industriepraxis.
Die Hauptentwicklungsrichtungen und Anforderungen sind momentan: Reduzierung oder sogar Eliminierung von Lösemitteln in Beschichtungsstoffen, Eliminierung kritischer Rohstoffe (z.B. Bisphenol A), Verbesserung der Applikationseigenschaften (schneller, untergrundtolerant, nicht aufwändig…), emissionsarme Beschichtungen (z.B. Brandschutz), neue Füllstoffe, Korrosionsschutzpigmente, Additive, das Nutzen von Synergieeffekten und einer «faster time to market». Daraus folgt, ein zeitgemässer Beschichtungsstoff soll sich wirtschaftlich verarbeiten lassen und umweltfreundlich sein, Innovation ist ein Muss.
Haftung sei die wichtigste Eigenschaft einer Beschichtung, denn jede Beschichtung die nicht haftet, erfüllt ihre Funktion nicht. Der Referent ging dann auf Oberflächenenergien und deren polaren und dispersiven Anteilen ein. Für gute Haftung sollten diese in Beschichtung und Werkstück möglichst ähnlich sein.
Neue Konzepte für Korrosionsschutzbeschichtungen sind im Gange (kommen und gehen). Ob sie sich durchsetzen oder nur als Hype bestehen wird die Zukunft zeigen. Es ist noch viel Raum für Grundlagenforschung.
Korrosionsschutz durch Thermisches Spritzen: Chemische und Schichtstruktureigenschaften
Stephan Siegmann (Nova Swiss) stellte kurz die Nova Werke AG vor, die in drei Abteilungen aufgeteilt ist, darunter auch die Oberflächentechnik. Dort wird thermisch gespritzt, d.h., metallische Partikel werden mit hoher Energie auf die Oberfläche aufgebracht, also mit grosser Geschwindigkeit und /oder hoher Temperatur. Es gibt viele Spritzverfahren, sie unterscheiden sich in der Erzeugung der heissen Metallpartikel. Die eingesetzten Metalle sind hauptsächlich Zink oder Aluminium, die als Opferanode dem Korrosionsschutz dienen. Das thermische Spritzen ist eine 100-Jahre alte Schweizer Erfindung.
Die Vorteile des thermischen Spritzens sind seine Einsetzbarkeit bei fertigen Werkstücken und Reparaturarbeiten. Ein Arbeiter kann die (kleine) Spritzpistole einfach einsetzen und kleine bis mittlere Flächen metallisieren. Der Referent zeigte viele Bilder aus der Praxis, von Flugzeugpropellern bis hin zu ganzen Jachten.
Korrosionsschutz durch thermisch gespritzte Beschichtungen ist seit Jahrzehnten erfolgreich im Einsatz. Nachverdichten durch Aufbringen von «Versieglern» zur Lebensdauersteigerung erhöht den Korrosionsschutz zusätzlich.
Konstantin Siegmann, Martin Winkler und Andreas Amrein
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