Gegen den Brand gewappnet
Welche gesetzlichen Brandschutz-Bestimmungen gelten für Produktionsanlagen für Farben und Lacke in Deutschland?
Dr. Wolfgang Friedl: Egal, ob Kfz-Bau, Lebensmittelherstellung, Lackproduktion, der Handel damit oder die Lacklagerung: Es gilt immer die Bauordnung des Bundeslandes (LBO), ggf. eine Sonderbauverordnung (Verkaufsstättenverordnung, Industriebaurichtlinie). Die Anlagen zur Herstellung müssen alle einer Gefährdungsbeurteilung unterliegen, die in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) gefordert ist. Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verlangt, dass Gefahren in den Produktionsbereichen immer so gering wie eben möglich sind und das bedeutet, dass man die Anlagen auf dem jeweiligen Stand der Sicherheitstechnik hält.
Wenn eine Explosionsgefahr vorliegen könnte, braucht man nach der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ein so genanntes Explosionsschutzdokument – das wurde bis zum 1. Juni 2016 in der BetrSichV gefordert. Ansonsten gelten grundsätzlich immer (Reihenfolge ohne wertende Meinung) die Vorgaben des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG), die sonstigen Vorgaben des ArbSchG, der Arbeits- und Brandschutzbestimmungen der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), die so genannten autonomen Rechtsnormen der Berufsgenossenschaften, die technischen Regeln, in denen die Vorgaben der Gefahrstoffverordnung konkretisiert werden (TRGS 400, 510, 800 u. a. m.), die technischen Regeln, in denen die Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung konkretisiert werden (TRBS 1111, 2111 , 2152, u.v.m.) oder die Arbeitsstättenregeln (z. B. ASR A1.3, A2.2, A2.3, u. a. m.), in denen die Forderungen des Arbeitsschutzes und des Brandschutzes konkretisiert werden. Dann gelten die einschlägigen DIN-Normen, VDE-Bestimmungen, und nicht zu unterschätzen sind die privatrechtlichen Forderungen der Feuerversicherungen.
Gibt es hier große Unterschiede zu anderen europäischen Ländern?
Friedl: Theoretisch nein, praktisch ja. Einige Länder gehen sehr „großzügig“ mit der Umsetzung von EU-Vorgaben um. Das fängt bei den Prüfbehörden an und endet dann bei den Unternehmen, die eben Vorgaben nicht umsetzen, nie kontrolliert werden und demzufolge für Verstöße auch nicht bestraft werden. Die bei uns gültigen Sicherheitsvorgaben für die Herstellung von Lacken und Farben gelten jedoch EU-weit, nur ist die Umsetzung in einigen Ländern fortgeschrittener. Aktuelles Beispiel ist das Noch-EU-Land Großbritannien, das sogar bei Hochhäusern normalentflammbare Dämmstoffe erlaubt – diese müssen in Deutschland nichtbrennbar sein.
Man sieht, gerade in der Baugesetzgebung sind die Unterschiede der Staaten deutlich größer. Die Gefährdungsbeurteilung für Lacklagerbereiche oder auch Lackproduktionsbereiche würde z.B. bei uns ergeben, dass die Bereiche feuerbeständig abgetrennt sein müssen, feuerhemmende Zugangstüren brauchen, nichtbrennbare Gebäudebestandteile (Dämmung, Boden, Wandverkleidungen) ggf. EX-geschützte Elektrogeräte und vieles anderes mehr.
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Wie gut werden die bestehenden Bestimmungen von den Herstellern umgesetzt?
Friedl: In Deutschland sehr gut, das kann man pauschal sagen. Zum einen, weil jeder weiß, wie brand- und explosionsgefährlich bestimmte Prozesse werden können. Zum anderen, weil jeder Unternehmer weiß, dass er Verantwortung trägt und was es bedeuten kann, diese nicht ernst zu nehmen. Die Erfahrung zeigt, je größer ein Unternehmen ist, umso professioneller geht es in Richtung Arbeits- und Brandschutz zu; der Umkehrschluss ist übrigens nicht immer zulässig.
Wer überprüft die Einhaltung der Brandschutzvorgaben?
Dr. Wolfgang Friedl
Referent TÜV Nord Akademie
Friedl: Das machen verschiedene Institutionen, z.B. die Gewerbeaufsicht, die Berufsgenossenschaft, die Feuerwehren oder das Amt für Arbeitsschutz und privatrechtlich auch die Feuerversicherungen. Doch es mag Unternehmen geben, die zehn und mehr Jahre nicht mehr besichtigt worden sind. Verantwortlich ist immer der Unternehmer, und das kann sowohl der Mieter, als auch der Vermieter sein.
Was passiert, wenn diese Vorgaben nicht eingehalten werden?
Friedl: Das ist eine juristische Frage, die man einem Anwalt stellen sollte. Jeder Fall ist ein Einzelfall, d.h. wird individuell betrachtet. Wie stark war der Verstoß? Lag kriminelle Energie vor? Wurde das Unternehmen auf den Verstoß schon mal hingewiesen? Ist der Mangel erheblich und offensichtlich? War der Mangel bekannt? Gab es schon Schäden oder nicht? Je nachdem wird dann die Strafe geringer oder höher ausfallen.
Was bewirken individuelle Brandschutzkonzepte?
Friedl: Es handelt sich um ein Brandschutzkonzept, das präventiv Brände verhindern soll und das, wenn dieses nicht gelingen sollte, dafür sorgt, dass keine Personen im Gebäude durch das Feuer gefährdet sind. Ein Brandschutzkonzept versucht, die Schadeneintrittswahrscheinlichkeit einerseits und die Schadenhöhe andererseits zu minimieren; das Konzept muss alle realistischen Gefahren erkennen, analysieren und kompensieren, im Idealfall beseitigen.
Man muss individuell auf die Gegebenheiten im Gebäude eingehen, deshalb ist ein Brandschutzkonzept von dem Unternehmen A auch nicht auf B übertragbar – eben, weil bei A bestimmte Randbedingungen anders aussehen als bei B; das gilt auch bei gleichen Unternehmensarten wie der Herstellung oder Lagerung von Lacken. Man muss auf die Art und Anzahl der Personen eingehen, auf die verwendeten Materialien, aber auch auf die direkte Umgebung. Dann werden diese Dinge mit den baurechtlichen Anforderungen abgeglichen und man erstellt bauliche, anlagentechnische und organisatorische Vorgaben, die umzusetzen sind.
Wer erstellt Brandschutzkonzepte?
Friedl: Grund-Gefährdungsbeurteilungen von Anlagen oder auch Lack-Ausgangsmaterialien zum Beispiel machen die Hersteller, Lieferanten oder Inverkehrbringer. Das vor dem Hintergrund, weil diese Firmen ja wollen, dass mit ihren Produkten sicher gearbeitet wird und es keine Schäden gibt. Das Brandschutzkonzept für ein Gebäude jedoch erstellt ein geschulter Architekt oder ein dafür zugelassener Brandschutzingenieur bzw. Brandschutz-Fachplaner. Seit ca. dem Jahr 2000 werden Brandschutzkonzepte für Neubauten gefordert, manche Unternehmen erstellen sie auch nachträglich für bereits bestehende Gebäude. Gute, hoch qualifizierte Brandschutzbeauftragte können so etwas ggf. auch selber bewerkstelligen.
An wen können sich Lackhersteller wenden, um ein geeignetes Konzept zu finden?
Friedl: Es ist nicht sinnvoll, dass jeder das Rad sozusagen neu erfindet. Deshalb sollte ein Konzern das zentral angehen, damit das Niveau in allen Niederlassungen gleich ist. Dann gibt es Dachverbände (meistens ein eingetragener Verein), die als Interessensvertretungen fungieren und den Mitgliedern die anstehenden Probleme abnehmen will. D.h. man kann auch so einen Dachverband kontaktieren, wenn man ein Brandschutzkonzept benötigt. Als nächstes wird empfohlen, die zuständige Berufsgenossenschaft zu kontaktieren, oder die Gewerbeaufsicht. Aus dem Sicherheitsdatenblatt kann man schon viel entnehmen, was man für die Gefährdungsbeurteilung und das Brandschutzkonzept benötigt.
Im Internet findet man mehr, als man jemals lesen könnte. Auch hilfreich kann es sein, andere Unternehmen zu befragen, woher sie ihre Informationen haben. Aber auch die Feuerversicherer haben gute Abteilungen, die gern bereit sind, den Kunden sicherheitstechnisch weiter zu helfen, oder ein guter Brandschutzbeauftragter. Besonders hilfreich sind aber immer die Betriebsanweisungen oder sonstige Informationen der Lieferanten oder Hersteller von Geräten und Ausgangsmaterialien für Lacke.
Das Interview führte Kirsten Wrede.