Explosionsschutz-Anforderungen in neuem Lack
Nahezu gleichzeitig wurden die europäischen Normen für explosionsgeschützte mechanische Geräte durch internationale Normen abgelöst. Was bedeutet das für die Hersteller von Farben und Lacken?
Von Dr. Michael Beyer, Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)
Hersteller von lösemittelhaltigen Farben und Lacken müssen in der Regel Explosionsgefahren abwehren und explosionsgefährdete Bereiche ausweisen. Auch bei Wasser- und Pulverlacken können Explosionsgefahren auftreten. Was sollte man beim Einkauf oder der Installation von explosionsgeschützten Geräten wie Rührern, Pumpen, Antrieben oder Messgeräten beachten? Was sollte man unterlassen, um nicht unbeabsichtigt als Hersteller oder Importeur solcher Geräte zu gelten?
Rechtliche Grundlagen
Die Neufassung der ATEX-Richtlinie hatte vorrangig das Ziel, die Prinzipien des Neuen Europäischen Rechtsrahmens einzuarbeiten. Dies umfasst im Wesentlichen die Regelung bzw. Klarstellung der rechtlichen Verantwortlichkeiten von Importeuren und Händlern. Auch die Pflichten bei der Herstellung für eigene Zwecke werden offensichtlich. In der neuen Richtlinie tritt an die Stelle des „Inverkehrbringens“ in der alten Richtlinie die „Bereitstellung auf dem Markt und Inbetriebnahme“, wodurch der Betreiber des Gerätes bei Eigenherstellung eindeutig mit den Herstellerpflichten belegt wird.
Dagegen gibt es zwischen den beiden Richtlinien keine Unterschiede hinsichtlich der Grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen (GSGA). Aus diesem Grund sind auch keine technischen Änderungen an den explosionsgeschützten Geräten notwendig. Selbst bestehende EG-Baumusterprüfbescheinigungen bleiben im neuen Rechtsrahmen gültig. Indessen müssen in jedem Fall neue EU-Konformitätserklärungen ausgestellt werden und den einzelnen Produkten beigefügt werden. Verändert man ein explosionsgeschütztes Produkt in wesentlichen Eigenschaften, erlischt die Verantwortlichkeit des ursprünglichen Herstellers und der „Veränderer“ wird zum Hersteller eines neuen Produktes, verbunden mit allen Dokumentationspflichten und auch den zum Teil vorgesehenen technischen Prüfpflichten (EU-Baumusterprüfung und Fertigungsüberwachung durch eine benannte Stelle). Gleiches gilt auch für die Herstellung zur eigenen Verwendung.
Einfuhr in die EU
Wer ein (neues oder gebrauchtes) Produkt in die EU einführt, trägt ebenfalls die gesetzlichen Herstellerpflichten. Hier lauert für die Verwender der Geräte und Maschinen ein Fallstrick, der vielen nicht bewusst ist. Kauft man Produkte, die unter eine europäische Richtlinie fallen, im Nicht-EU-Ausland ein, ist der Verkäufer nicht verpflichtet, die EU-Gesetze einzuhalten. So können dem Käufer sämtliche Herstellerpflichten einschließlich der Dokumentationspflichten und der Prüfpflichten durch benannte Stellen zufallen, wenn er die Produkte über einen nur als Vermittler tätigen Dienstleister bezieht (fulfillment house; wie zum Beispiel Amazon).
Neue internationale Normen für den mechanischen Explosionsschutz
Internationale Normen erlauben im Idealfall einen weltweiten freien Warenverkehr ohne länderspezifische Anpassungen. Der Nutzen einer internationalen Technologiekonvergenz besteht neben erheblichen Kosten- und Zeitersparnissen in einer verbesserten Kompatibilität, einer erhöhten Transparenz bezüglich der Eignung und Sicherheit und letztlich in einer verlässlicheren Rechtssicherheit. Betrachtet man zum Beispiel die Schwierigkeiten bei der Vereinheitlichung von recht einfachen technischen Produkten wie Handy-Ladegeräten, mag es verwundern, welche Fortschritte auf einem sicherheitstechnisch sensiblen Gebiet wie dem Explosionsschutz bereits erzielt wurden.
Die neuen Normen ISO 80079-36 (Nichtelektrische Geräte für den Einsatz in explosionsfähigen Atmosphären – Grundlagen und Anforderungen) und ISO 80079-37 (Nichtelektrische Geräte für den Einsatz in explosionsfähigen Atmosphären – Schutz durch konstruktive Sicherheit „c“, Zündquellenüberwachung „b“, Flüssigkeitskapselung „k“) ersetzen die entsprechenden Teile der Normenreihe DIN EN 13463 und bilden nun zusammen mit den IEC-Normen für explosionsgeschützte elektrische Geräte eine integrierte und einheitliche Normenreihe für den Explosionsschutz (IEC 60079 und ISO/IEC 80079).
Quelle: Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)
Herausforderungen durch neue Atex-Richtlinie
Die Normen werden grundsätzlich als europäische Norm übernommen. Die Herausforderung bei der Erstellung der neuen Normen für mechanische Geräte war es, die bekannten und erprobten sicherheitstechnischen Grundsätze und die technischen Anforderungen im internationalen Kontext zu etablieren und darüber einen Konsens herzustellen. Durch die Zusammenarbeit mit europäischen Normungsexperten wurde bereits in der Erstellungsphase erreicht, dass die Normen in die Liste der harmonisierten Normen zur ATEX-Richtlinie aufgenommen werden konnten. Gegenüber der europäischen Vorgängernorm wurden die Anforderungen inhaltlich praktisch vollständig übernommen, insbesondere die Anforderung, die notwendigen Schutzmaßnahmen auf Grundlage einer Zündgefahrenbewertung festzulegen. Jedoch waren vielfältige begriffliche Anpassungen an die internationalen Normen notwendig. Dies betrifft u.a. den Anwendungsbereich, die Verweise auf internationale Normen an Stelle der europäischen Normen und die Kennzeichnung. Der Kennbuchstabe „h“ gilt nun für alle nichtelektrischen Geräte und es wird keine separate Kennzeichnung der Zündschutzarten „c“, „b“ und „k“ auf dem Typenschild mehr geben. Ein ausführlicher Artikel ist unter http://dx.doi.org/10.7795/510.20161124 verfügbar.
Durch die neue ATEX-Richtlinie und die neuen internationalen Normen entsteht kein technischer Änderungsbedarf an explosionsgeschützten Geräten. Bestehende Baumusterprüfbescheinigungen behalten grundsätzliche ihre Gültigkeit. Andererseits müssen die EU-Konformitätserklärungen aktualisiert werden und mechanische Geräte erhalten eine geänderte Kennzeichnung nach den internationalen Kennzeichnungsregeln im Explosionsschutz.