Digitalisierung: „Offenheit für Misserfolge auf dem Weg zur Perfektion

„Was uns in unserer Branche am meisten fehlt, wenn es um die digitale Transformation geht, ist etwas, das wir eigentlich am besten können: experimentieren“, sagt Alexander Madl von Transform Chemistry Innovation. Im Interview spricht er über den Status quo der Digitalisierung in der Farben- und Lackindustrie.

Wir sprachen mit Alexander Madl von Transform Chemistry Innovation über Potentiale und typische Fehler bei der Digitalisierung in der Lackindustrie. Quelle: Transform Chemistry Innovation

Wie „digital“ ist Ihrer Meinung nach die chemische Industrie?

Alexander Madl: Ich denke, diese Frage kann man nicht für die gesamte chemische Industrie beantworten. Es gibt Vorreiter und Nachzügler bei der Digitalisierung – und alles, was dazwischen liegt. Auch innerhalb einzelner Unternehmen kann der Grad der Durchdringung mit digitalen Technologien und die Denkweise von Funktion zu Funktion unterschiedlich sein. Ich habe Unternehmen gesehen, die vollständig automatisierte Logistikzentren mit autonomen Robotern usw. haben. – aber eine sehr analoge, papierbasierte Forschung und Entwicklung.

Im Allgemeinen glaube ich, dass wir als Industrie nicht so weit zurückliegen, wie wir manchmal den Eindruck haben. Die Verwendung von Sensoren und Daten in der Produktion, um eine digitale Darstellung der Materialprozesse zu erhalten, wird zum Beispiel schon seit Jahrzehnten in Form von DCS eingesetzt. Gleichzeitig gibt es natürlich ein großes Potenzial für die vollständige Umstellung auf eine digitale, datenbasierte Chemie.

Was sind die größten Potenziale der Digitalisierung in der Farben- und Lackindustrie?

Madl: Wenn ich an die Farben- und Lackindustrie denke, fällt mir als erstes die Komplexität ein. Diese Branche hat einen so vielfältigen Kundenstamm mit einem breiten Spektrum an Anwendungen, eine so vielfältige Rohstoffbasis und so komplexe Rezepturen. Die Digitalisierung oder digitale Tools haben ein großes Potenzial, diese Komplexität zu bewältigen. Vom Verständnis der sich ändernden Wünsche eines globalen Kundenstamms über Beschaffung und Lieferkette bis hin zu daten- oder modellbasierter Forschung und Entwicklung neuer Geschäftsfelder: Es gibt viele Möglichkeiten, mit der Digitalisierung Mehrwerte zu schaffen.

Was sind einige der häufigsten Fehler, die Unternehmen bei der Umstellung auf ein stärker digitalisiertes Unternehmen vermeiden sollten?

Madl: Meiner Beobachtung nach fehlt es unserer Branche bei der digitalen Transformation am meisten an etwas, das wir eigentlich am besten können: Experimentieren! Am einen Ende des Spektrums der „Fehler“ steht ein zu konservativer Ansatz: Die Digitalisierung wird als ein weiteres Instrument gesehen, um zusätzliche Kosten zu sparen.

Auf der anderen Seite gibt es einen zu perfektionistischen und auch zu ungeduldigen Ansatz, der sofortige Auswirkungen auf die Bilanz fordert. Die digitale Transformation ist ein langsamer, aber kontinuierlicher Prozess. Sie wird die Organisation selbst verändern; sie erfordert neue Fähigkeiten und vor allem neue Denkweisen der Menschen in der Organisation. Was wir von den digitalen Pionieren wie Google, Vimeo, Amazon usw. lernen können, ist ein unkonventioneller Lernansatz und eine Offenheit für Fehlschläge auf dem Weg zur Perfektion.

Eventtipp

Alexander Madl wird zu diesem Thema auch auf der Gulf Coatings Show sprechen. Das neue Event am 17- 19 Oktober in Sharjah bietet eine Messe, Konferenz sowie Shortcourses. 

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