Die Notwendigkeit einer 24h-Notrufnummer
Von Marko Buchholz, UMCO
Beim Transport chemischer Stoffe und Gemische sowie gefährlicher Güter hat die Sicherheit von Mensch und Natur oberste Priorität. Sollte es trotz aller Sicherheitsvorkehrungen dennoch zu einem Unfall kommen, ist es wichtig, dass die benötigten Maßnahmen schnell und zuverlässig getroffen werden.
Um dies gewährleisten zu können, wird von Unternehmen verlangt, dass sie eine Notrufnummer in Transportdokumente und Sicherheitsdatenblätter aufnehmen. Da Vorschriften in der Regel auf nationaler Ebene festgelegt werden, variieren die Bedingungen für ihre Umsetzung von Land zu Land. Dadurch können neben sprachlichen Barrieren, gerade auf internationaler Ebene auch lokale Besonderheiten eine schnelle Problemlösung verhindern. Hilfreich wäre in solchen Situationen eine einzige global agierende Institution, unter der alle notwendigen Prozesse angestoßen werden. Der Betroffene müsste lediglich nur einen Anruf tätigen, um ein effektives Notfall-Krisenmanagement anzustoßen.
Nachfolgend soll aufgezeigt werden, warum die aktuelle Situation ein ebensolches vielmehr blockiert als fördert und schließlich, was eine global agierende Institution mit einer entsprechenden Notrufnummer und Verwaltung der Sicherheitsdatenblätter ändern würde.
Notrufnummer im Sicherheitsdatenblatt
Gemäß REACH-VO, Artikel 31 und Anhang II 1.4 ist die Angabe einer 24h-Notrufnummer im Sicherheitsdatenblatt verpflichtend.
„Gibt es in dem Mitgliedstaat, in dem der Stoff oder das Gemisch in Verkehr gebracht wird, eine öffentliche Beratungsstelle, so ist deren Telefonnummer zu nennen, was ausreichend sein kann. Sind solche Dienste aus bestimmten Gründen nur begrenzt verfügbar — gelten etwa bestimmte Betriebszeiten oder sind bestimmte Arten von Informationen nicht verfügbar —, ist dies klar anzugeben.“
Kann aber keine öffentliche Beratungsstelle eines Mitgliedstaates genannt werden, weil diese zwar für die nach Art. 45 CLP-Verordnung geforderte Produktmeldung zu gefährlichen Gemischen verantwortlich ist, selbst keine Notfallberatung leistet, oder nur als Kontaktstelle für medizinisches Personal agiert, ist anders zu verfahren: In solchen Fällen muss eine firmeneigene Notrufnummer oder die eines sachkundigen Dienstleisters angegeben werden, der in der Lage ist, eine sachkundige Notfallberatung, vorzugsweise in der Sprache des Anrufers, unverzüglich zu leisten. In jedem Fall verpflichtet REACH die Angabe der Notrufnummer der öffentlich benannten Beratungsstelle im Sicherheitsdatenblatt und ggf. eine zweite sachkundige, wenn die benannte Stelle keine Notfallberatung leistet.
Beide Punkte verdeutlichen, dass bereits bei der Erstellung der Sicherheitsdatenblätter große Herausforderungen entstehen. In welche Länder möchte ich meine Produkte senden? Gibt es dort eine öffentliche Beratungsstelle, die auch eine sachkundige Notfallberatung leisten kann? Wo finde ich die entsprechende Notrufnummer? Welche sprachlichen Barrieren gilt es zu überwinden?
Andere Länder, andere Nummern – Abweichende Regelungen
Neben der europäischen Regelung gibt es ebenso weltweite Anforderungen an eine Notrufnummer im Sicherheitsdatenblatt. Nun unterscheiden sich die Anforderungen an diese Notrufnummer von Land zu Land. Neben der Forderung an eine Inlandsvorwahl kann auch eine Antwort in Landessprache sowie eine Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit erforderlich sein.
So legt beispielsweise in Mexiko die amtliche Norm für den Inhalt von Sicherheitsdatenblättern SDS NOM-018-STPS-2015 in Anhang D Abschnitt 1.e fest, dass eine 24h-Notrufnummer aufgeführt werden muss. Auch in Malaysia muss gemäß dem dortigen Standard des Globally Harmonized System (GHS) zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (MS 1804:2008) „das Sicherheitsdatenblatt die lokale Notrufnummer (24 Std. erreichbar) in Malaysia (einschließlich der Vorwahl) enthalten, unter der Hilfe in Anspruch genommen werden kann. Falls eine gefährliche Chemikalie importiert wird, kann die Notrufnummer des ausländischen Herstellers (24 Std. erreichbar) für Hilfestellungen während eines Notfalles angegeben werden.” Sicherheitsdatenblätter müssen sowohl in der Landessprache als auch in Englisch verfasst sein.
Notrufnummer in den Transportpapieren
Doch es gibt noch weitere Fälle, bei denen eine Notrufnummer genannt werden muss, wie zum Beispiel beim Transport von Gefahrgütern. Erste Forderungen nach einer entsprechenden Nummer kamen bereits vor über 20 Jahren in den USA auf. Dort muss seit jeher eine 24h-Notrufnummer zusammen mit den Transportpapieren bereitgestellt werden (§ 49 CFR 172.604).
„Die Versendererklärung für gefährliche Güter, wie sie durch diese Vorschriften verlangt wird, muss eine Notrufnummer für den Fall eines Zwischenfalls beinhalten. Über diese Notrufnummer muss, während der gesamten Transportdauer des Gefahrguts einschließlich damit zusammenhängenden Lagerzeiten, jederzeit eine Person erreichbar sein […].“
Diese Bestimmungen wurden im Laufe der Zeit immer weiter konkretisiert und gesetzlich festgehalten, welche Voraussetzungen zu erfüllen sind. Hinzu kommen Anforderungen, die durch die IATA–Gefahrengutvorschriften (Kapitel 2.8) festgelegt sind. Auch hier können die Anforderungen an eine Notrufnummer stark variieren. Grundsätzlich wird eine Notrufnummer gefordert. Hinzu kommt eine 24h-Erreichbarkeit, inländische Vorwahlen und Ansprechpartner in Landessprache. Abweichungen der Staaten und der Luftfahrtunternehmen finden sich ebenfalls in den IATA–Gefahrengutvorschriften unter Kapitel 2.8.
Als besondere Herausforderung sei an dieser Stelle China genannt: Neben der 24h-Erreichbarkeit wird gefordert, das alle gefährlichen Chemikalien vor der Einfuhr in das Land registriert werden müssen. Hierbei ist es erforderlich, dass sie den Vorschriften der Artikel 5-6, Abschnitt 2 und Artikel 22, Abschnitt 4, Punkt 53 der staatlichen chinesischen Arbeitssicherheitsbehörde (State Administration of Work Safety) genügen. Diese definieren, dass nur Registrierungseinrichtungen befähigt sind, Notfalldienstleistungen bereitzustellen. Eine dieser Regierungseinrichtungen ist beispielsweise die chinesische Behörde National Registration Centre for Chemicals (NRCC). Der NRCC stellt sicher, dass die Notrufnummer mit der entsprechenden Landesvorwahl und einem Ansprechpartner in Landessprache zur Verfügung gestellt wird. Des Weiteren ist zu beachten, dass es sich hierbei nur um die Registrierung für den Transport handelt. Eine Produktregistrierung gemäß dem lokalen Chemikalienrecht (vergleichbar mit REACH) ist deutlich aufwändiger.
Herausforderungen und Möglichkeiten
Nicht nur die telefonische Kommunikation ist im Falle höchster Dringlichkeit schwer oder gar nicht möglich, denn die Informationen im Sicherheitsdatenblatt liegen oftmals nur in der Landessprache vor. Es ist also zunächst ein organisatorischer Aufwand notwendig, damit sich Betroffene und beispielsweise die Beratungsstelle überhaupt verständigen können. Wo bekommen sie auf die Schnelle einen Dolmetscher her? Ist er auch mitten in der Nacht erreichbar?
Ein weiteres Problem stellt sich bezüglich der Erreichbarkeit der angegebenen Notrufnummer. Die Angabe einer behördlichen Notrufnummer mag auf den ersten Blick oftmals die einfachste Lösung sein, doch deckt die Erreichbarkeit der örtlichen Anlaufstelle nur in seltenen Fällen die geforderte 24-Stunden Erreichbarkeit, wodurch mindestens ein zweiter Ansprechpartner notwendig wird. Der abgegebene Notruf könnte im schlimmsten Fall also ins Nichts laufen, bzw. es müsste zunächst festgestellt werden, dass die Behörde nicht erreichbar ist, bevor die alternative Notrufnummer gewählt werden könnte. Eine Struktur, die alle notwendigen Prozesse anstößt und den Anrufer mittels in den firmeninternen Notfallplan implementierter Maßnahmen schnell und unkompliziert hilft, wäre sinvoll. Eine global agierende Institution könnte in diesem Fall als Schnittstelle fungieren und eine Bereitstellung entsprechender Experten gewährleisten.
Gibt es keine öffentliche Beratungsstelle, die angegeben werden kann, stehen viele Firmen zudem vor der Schwierigkeit, einen kompetenten Ansprechpartner zu finden. Naheliegend könnte die Angabe einer firmeninternen Person sein, deren Mobilnummer beispielsweise aufgeführt wird. Fraglich bleibt hierbei allerdings, ob diese tatsächlich 24-Stunden erreichbar ist und im Notfall auch das nötige Wissen und Know-how hat, um die Situation angemessen zu lösen.
Die Frage der Kompetenz stellt sich auch in Hinblick auf das Datenmanagement. In manchen Ländern müssen Sicherheitsdatenblätter vorliegen und eine regelmäßige Registrierung ist notwendig. Das bedeutet wiederum, dass die Pflege, Übermittlung und Gewährleistung aktueller Daten gegeben sein muss, um die Compliance des Unternehmens zu garantieren. Lieferanten, die große Mengen bewegen, stehen hier vor einem organisatorischen Großprojekt. Auch hier ist also ein externer Ansprechpartner notwendig, sollte es keine interne Stelle geben, die damit beauftragt ist.