Cosi: Wenn Chemiker über Gefühle sprechen

Funktionelle Beschichtungen stehen bei vielen Konferenzen auf der Agenda. Auf der Coating Science International (Cosi) widmeten sich diverse Beiträge einer oft ignorierten Funktionalität: der Haptik. Aber auch sonst hatte die Konferenz einiges zu bieten, zum Beispiel ein preiswürdiges Start-up.

Impressionen von der Coating Science International Konferenz in den Niederlanden. (Fotos: Jan Gesthuizen) -

Den Auftakt machte Mark Ruthland, der am KTH Royal Institute of Technology in Stockholm, Schweden, physikalische Chemie lehrt. Er beschrieb die Schwierigkeit Oberflächeneigenschaften mit menschlichen Empfindungen in Einklang zu bringen. Es sei etwa nicht so, dass es einen linearen Zusammenhang zwischen mechanischen und chemischen Oberflächeneigenschaften auf der einen Seite und der haptischen Empfindung beim Menschen auf der anderen Seite gäbe. Um sich dem Thema weiter zu nähern, haben sich Physikalische Chemiker und Psychologen zusammengetan, um das Thema interdisziplinär weiter zu erforschen. 

Auch die Industrie hat das Thema für sich entdeckt. So berichtete etwa Matthew Gebhard, Science Manager bei DSM, von den Anstrengungen, den das Unternehmen unternommen hat seine Materialen haptisch besser zu verstehen. Wie die Forscher in Schweden hat sich auch das niederländische Unternehmen Hilfe aus anderen Fachbereichen geholt. In Anlehnung an Geschmackstests aus der Lebensmittelindustrie wurde so ein Verfahren entwickelt, dass ein gezieltes Screening der haptischen Eigenschaften möglich machen soll. Dazu wurden insgesamt 14 Freiwillige geschult, die 9 verschiedene Eigenschaften auf einer Skala von 1 bis 9 bewerten.

Cosi Award innovation

Tommy Haraldsson erhält den Cosi-Innovationspreis für sein UV-lithografisch erzeugtes synthetisches und mikrostrukturiertes Papier. Den Preis übergab Professor Catarina Esteves (TU Eindhoven) aus dem Tagungsbeirat.

Wichtig sei dabei, so Gebhard, die richtigen Eigenschaften zu identifizieren, die zudem nichts mit persönlichem Geschmack zu tun haben dürften. Man dürfe also nicht messen, ob sich eine Beschichtung gut anfühle, sondern eher wie rau, weich oder dergleichen. Was sich gut anfühle, unterscheide sich zu sehr von Mensch zu Mensch und sei auch kulturell sehr divers. Insgesamt 200 Oberflächen habe man inzwischen vermessen.

Hausaufgaben für Glasbeschichter

Um ganz andere Themen ging es dann beim Vortrag von Mark Nichols von Ford Research. Er war eigens aus Detroit angereist, um den versammelten Lackexperten Hausaufgaben mitzugeben. Wie so ziemlich alle Automobilkonzerne arbeitet Ford intensiv an der Entwicklung von selbstfahrenden Fahrzeugen. Hierfür braucht es gute Sensoren, die den Bordcomputer mit Informationen versorgen. Damit diese zuverlässig arbeiten, dürfen sie nicht zu schnell verschmutzen, schließlich wird meist niemand in der Nähe sein, der mal eben die Kameralinse oder die Laserabdeckung putzen kann. Und wenn doch mal Schmutz haften bleibt, sollte dieser leicht zu reinigen sein. Dazu müssen die Beschichtungen den Belastungen in feuchtschwülen und subtropischen Klimazonen standhalten, wie auch im hohen Norden bei Eis, Schnee und Streusalz.

Immerhin, autonome Fahrzeuge werden vermutlich 16 oder mehr Stunden am Tag im Einsatz sein, erklärte Nichols die Einschätzung seines Arbeitgebers. Das sei ja gerade der Vorteil gegenüber menschlichen Fahrern. Die meisten Fahrzeuge dürften daher wohl nicht viel älter als fünf Jahre werden, dementsprechend müssten die Beschichtungen auch nicht auf 20 Jahre Haltbarkeit konzipiert werden.

Bewitterung und Alterung

Auch das Thema Bewitterungstests stand auf der diesjährigen Cosi Konferenz in den Niederlanden auf der Agenda. Etwa bei der Präsentation von Sean Fawler, der als technischer Direktor für Bewitterung und Korrosion bei Q-Labs in den USA arbeitet. Er berichtete von den Bemühungen seines Unternehmens, beschleunigte Alterungstests zu verbessern. Er bemängelte, dass in vielen Standardtest noch immer Testzyklen genutzt werden, die vor über 100 Jahren entwickelt wurden.

Außerdem merkte er an, dass beschleunigte Alterungstests oft nicht linear auf die echte Lebensdauer einer Farbe bzw. eines Lackes schließen ließen. Eine Verdopplung der UV-Dosis bedeute etwa nicht, dass man damit den Alterungstest in der halben Zeit durchführen könne. Ziel von Q-Labs ist es eine Matrix an Messpunkten zu entwickeln, die möglichst viele verschiedene Messparameter unabhängig voneinander variiert (UV-Dosis, Luftfeuchtigkeit, Temperatur ect.) und diese dann mit echten Freibewitterungen zu verifizieren. So soll eine deutlich effizientere und genauere Vorhersage über die Beständigkeit von neuen Lackformulierungen entstehen.

Synthetisches Papier und Röntgenstrahlen

Auch in diesem Jahr wurden wieder Beträge ausgezeichnet, die eine besondere Bedeutung für die Farben- und Lackszene haben. Der Innovationspreis wurde an Tommy Haraldsson verliehen, er ist Mitgründer des Start-Ups Mercene Labs in Schweden. Sein Unternehmen hat ein multidimensionales UV-Lithographieverfahren entwickelt, mit dessen Hilfe eine Art synthetisches mikroporöses Papier auf ein Substrat aufgetragen wird.

Coating Science Award

Professor Stephan Roth vom KTH Royal Institute of Technology in Stockholm, Schweden erhält den Cosi-Wissenschaftspreis für seine Methode zur in-situ und Echtzeitmessung der Nanostrukturierung von Sprühfilmapplikationen.

Dieses soll zum Beispiel in chromatografischen Anwendungen wie Lateral Flow Arrays zum Einsatz kommen. Im Gegensatz zu regulären Anwendungen auf Basis von Nitrocellulose, sollen damit auch quantitative Messungen möglich gemacht werden. Das Naturprodukt Cellulose ermöglicht dies normalerweise nicht, da die Standardabweichung der Laufweite meist zu groß ist. Hergestellt wird das synthetische Papier durch eine multidimensionale UV-Lithografie.

Ebenfalls ausgezeichnet wurde Stephan Roth vom KTH Royal Institute of Technology in Stockholm, Schweden. Er entwickelte am DESY in Hamburg eine Röntgenmessung, die es ermöglicht in-situ und in Echtzeit die Oberflächenvorgänge bei der Filmbildung von funktionalen Sprühbeschichtungen zu beobachten. Er zeigte am Beispiel organischer Solarzellen, wie die Messmethode dazu beitragen konnte, den sogenannten Kaffee-Ring-Effekt zu vermeiden und so eine homogenere Oberfläche und damit auch effizientere Solarzelle zu erhalten.

Im nächsten Jahr wird die Cosi gemeinsam mit der ETCC Ende Juni in Amsterdam ausgerichtet. Ab dem 4. September 2017 können Paper eingereicht werden.

Jan Gesthuizen

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