Beschränkungsvorschlag für die Verwendung von Isocyanaten
Von Kerstin Heitmann, UMCO
Diisocyanate werden in der Lackindustrie in großem Umfang als Monomere in Polyurethan-zubereitungen für Dichtungen, Klebstoffe und Beschichtungen eingesetzt. Bei der Formulierung und Handhabung noch nicht ausgehärteter Reaktionsgemische können Arbeitnehmer den Stoffen ausgesetzt sein. Viele Diisocyanate sind als haut- und atemwegssensibilisierend eingestuft und werden als Auslöser für eine hohe Anzahl arbeitsbedingter Asthmaerkrankungen angesehen, die aus allen Mitgliedstaaten der EU berichtet werden. Ein Vertreter der Gruppe – das Methylendiphenyldiisocyanat (MDI) und seine Isomere – unterliegt bereits einer Beschränkung als Bestandteil von Verbraucherprodukten (REACH Anhang XVII, Nr. 56).
Diskussion geeigneter Maßnahmen zur Risikobegrenzung
Die Deutsche Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) untersuchte 2014 im Rahmen einer Risk Management Option Analysis (RMOA) den Handlungsbedarf und die Optionen bezüglich der Verwendung von Diisocyanaten. Sie kam zu dem Schluss, dass Maßnahmen auf Europäischer Ebene erforderlich sind, um die Risiken für Arbeitnehmer zu begrenzen. Ein Zulassungsverfahren erschien dabei aus verschiedenen Gründen ungeeignet. So würde das Fehlen geeigneter Alternativen dazu führen, dass in vielen Fällen eine Zulassung gewährt würde, auch wenn eine sichere Verwendung nicht gewährleistet werden kann. Die in diesem Fall sehr verzweigten Lieferketten würden ein Zulassungsverfahren sehr kompliziert machen.
2015 forderte die BAuA daher in einem so genannten „Call for Evidence“ die Beteiligten auf, Informationen über die Verwendung von Diisocyanaten und mögliche Alternativen mitzuteilen. Im Oktober 2016 hat sie auf der Basis der Ergebnisse einen Beschränkungsvorschlag, ein Anhang XV-Dossier, als “registry of intention – RoI“ bei der Europäischen Chemikalienagentur – ECHA eingereicht.
Inhalte des Beschränkungsvorschlags
Der neue Beschränkungsvorschlag bezieht sich auf die berufliche Verwendung von Diisocyanaten als Stoffe und in Gemischen sowie deren Vermarktung für diesen Zweck. Dabei wird die Verwendung nicht vollständig verboten, sondern an die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen geknüpft, die letztlich einer strikteren Handhabung entsprechen und gewährleistet sollen, dass es eben nicht zu gesundheitsgefährdenden Expositionen kommt.
Das heißt, entweder das Produkt ist so gestaltet oder verpackt, dass bei der Verwendung die Exposition der Arbeitnehmer nur minimal ist oder die Arbeitnehmer müssen so gut ausgebildet sein, dass sie selbst die Expositionsgefahr erkennen und vermeiden können. In der Begründung weist die BAuA auch darauf hin, dass die verfügbaren Arbeitsplatzgrenzwerte nicht geeignet sind, um die Entstehung von Atemwegsallergien auszuschließen. Die Exposition der Arbeitnehmer muss daher mit den beschriebenen Maßnahmen soweit wie möglich minimiert werden.
Nach dem Beschränkungsvorschlag wäre die Vermarktung und Verwendung von monomeren Diisocyanaten als solchen oder als Bestandteile von Gemischen für die industrielle oder gewerbliche Verwendung verboten, es sei denn
- Die aufsummierte Konzentration an Diisocyanaten liegt unter 0,1 Gewichtsprozent oder
- Der Stoff oder das Gemisch entspricht in der Form, in der es an den Verwender geliefert wird, den Anforderungen des Anhang 12 oder
- Der Arbeitnehmer oder selbstständige Arbeiter hat vor der Verwendung ein entsprechendes Training nach Anhang 13 absolviert und Maßnahmen ergriffen.
Inverkehrbringer diisocyanathaltiger Produkte sollen gegebenfalls gemäß Anhang 12 des Beschränkungsvorschlags nachweisen, dass in der vorgesehenen Verwendung nur ein sehr geringes Expositionspotenzial besteht. Eine entsprechende Ausarbeitung muss der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates, in dem das Produkt vermarktet wird, auf Anfrage innerhalb von 10 Tagen zur Verfügung gestellt werden (in Englisch oder einer offiziellen Sprache des Mitgliedstaates).
Anhang 13 beschreibt Maßnahmen und Informationen, die Bestandteil eines Trainings sein müssen, das Arbeitnehmer durchlaufen müssen, bevor sie mit Diisocyanaten umgehen dürfen. Die Maßnahmen sind in drei Gruppe aufgeteilt und bauen aufeinander auf. Die Gruppen beinhalten sowohl technische als auch organisatorische Maßnahmen und persönliche Schutzausrüstung. Für jede Maßnahmengruppe sind vier Stunden Training vorgesehen, die alle vier Jahre aufgefrischt werden müssen. Die Lieferanten der Produkte werden verpflichtet, entsprechende Trainingsmaterialien in der Sprache der jeweiligen Mitgliedstaaten zu erstellen, in denen sie die Produkte vermarkten.
Nächste Schritte auf EU-Ebene
Mit dem Einreichen des Beschränkungsvorschlags beginnt ein formaler Prozess auf EU-Ebene. Im nächsten Schritt prüft die ECHA die Konformität des Vorschlags und leitet, wenn diese gegeben ist, eine 6-monatige öffentliche Konsultation ein. Hier haben die Beteiligten die Möglichkeit den Vorschlag aus wissenschaftlicher und sozioökomischer Sicht zu kommentieren.
Parallel dazu erarbeiten die Fachausschüsse der ECHA, das Risk Assessment Committee (RAC) und das Committee for Socio-economic Analysis (SEAC), ihre Stellungnahme (opinion). Auch zu diesen Stellungnahmen werden öffentliche Konsultationen, diesmal für zwei Monate, durchgeführt. Schließlich legt die Europäische Kommission einen entsprechenden Verordnungsentwurf vor, über den im Ausschussverfahren unter Beteiligung der Mitgliedstaaten entschieden wird. Bis eine entsprechende Beschränkung wirksam wird, werden noch einige Jahre vergehen. Unternehmen sollten den Beschränkungsprozess aber aufmerksam verfolgen, die Auswirkungen für die eigenen Tätigkeiten und Produkte bewerten und ggf. die Möglichkeiten zur Kommentierung nutzen.
Die Rubrik „Gesetze und Regularien“ ist ein fester Bestandteil der FARBE UND LACK. In der aktuellen Ausgabe lesen Sie die Einschätzungen von VdL, des Industrieverbandes Klebstoffe und der Deutschen Bauchemie zur Biozidverordnung.