Wässrige Lacke: Auf der Wachstumswelle
Der Einsatz von Wasserlacken entwickelt sich erfreulich. In 2021 erreichte der weltweite Markt für Wasserlacke ein Volumen von etwa 35 Mio. Tonnen und einen Wert von knapp 96 Mrd. EUR, wie das Marktforschungsunternehmen Markets and Markets (MaM) in einer kürzlich veröffentlichten Studie bekannt gab. Der Löwenanteil geht auf die Region Asien-Pazifik zurück. Gut die Hälfte des Volumens (17,28 Mio. Tonnen) und etwa 43 % des Wertes entfallen auf die Region.
Europa rangiert mit knapp 7 Mio. Tonnen im Wert von 21,5 Mrd. EUR auf dem zweiten Rang. Für Nordamerika ermittelten die Marktforscher eine Menge von 6,1 Mio. Tonnen sowie einen Wert von 19,5 Mrd. EUR. Für Südamerika schätzt MaM das Volumen auf 2,44 Mio. Tonnen und etwa 6,7 Mrd. EUR ein. Eine ähnliche Größenordnung ergibt sich für die Region Mittlerer Osten und Afrika, 2,12 Mio. Tonnen und einen Wert von 5,9 Mrd. EUR.
Die Marktforscher gehen von weiterem Wachstum in den kommenden Jahren aus. Die globale jährliche durchschnittliche Wachstumsrate (CAGR) liegt laut MaM bis 2026 bei 4,9 %. Das höchste Wachstum, mit einer CAGR von 6,6 %, wird in Asien-Pazifik erwartet. Die Region Mittlerer Osten und Afrika liegt mit 4,5 % knapp unter dem globalen Schnitt. In Europa sollen es moderate 2,9 % werden. Im Wert steigen Wasserlacke mit einer CAGR von 3,5 %. Auch liegen Asien Pazifik (5,1 %) sowie der Mittlere Osten und Afrika (3,6 %) über dem globalen Schnitt.
Den Wachstumsprognosen schließt sich Thomas Bernhofer von Synthomer an. Das Unternehmen erwarte eine weiterhin positive Nachfrage-Entwicklung mit CAGR 5 %. „Wir sehen den Markt weiter als attraktiv und interessant an, mit einzelnen Segmenten, die überdurchschnittliche Wachstumschancen bieten. Wir erwarten in den nächsten Jahren eine beschleunigte Entwicklung durch die Nachfrage nach nachhaltigen Beschichtungslösungen und Unterstützung durch die gesetzgeberische Seite, wie zum Beispiel den Green Deal“, sagt Bernhofer.
Prognosen für weiteres Wachstum erfreulich
Der Markt für Wasserlacke sei ein sehr interessanter Bereich der Farben und Lackindustrie, der einen Teil des lösungsmittelbasierenden Bereichs ersetzen werde, ist sich Dr. Dirk Schwöppe von Synthopol sicher. „Dieser Trend ist heute schon zu beobachten. Theoretisch stehen alle Polymere aus dem Lösungsmittelbereich zur Verfügung, aber der Weg, wie diese Präpolymere mittels Additive ins Wasser gelangen, ist wesentlich komplexer“, erklärt der F&E-Leiter. In der Vergangenheit waren die wässrigen Produkte meist kostenintensiver und komplizierter zu verarbeiten. „Mit den steigenden Rohstoffkosten und Anforderungen in Richtung Nachhaltigkeit kommt man fast nicht mehr an wässrigen Systemen vorbei, auch wenn es noch Herausforderungen auf dem Gebiet der Applikationstechnik und der Performance gibt. Deshalb gehen wir davon aus, dass sich der Markt in den nächsten 15 Jahren verdoppeln wird“, ergänzt Schwöppe.
Der Markt für Wasserlacke wächst weltweit kontinuierlich. Ursächlich hierfür sind weltweit steigende gesetzliche Anforderungen an Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit, betont Dr. Nils Kottner von Münzing. „Der Markt für wasserbasierte Lacksysteme wächst weltweit insgesamt schneller als der Beschichtungsmarkt als Ganzes. Verantwortlich hierfür sind Kennzeichnungspflichten, Regularien und gesetzliche Vorgaben. Beispielhaft sind VOC-Emissionsbeschränkungen speziell in Europa, Nordamerika und China zu nennen. Forderungen zu verbesserter Nachhaltigkeit der Beschichtungssysteme und die Einhaltung grüner Baustandards sind weitere wesentliche Aspekte, welche das Wachstum wasserbasierter Lacke und Farben fördern. Mittlerweile werden Beschichtungssysteme auf Basis nachwachsender Rohstoffe und die Berücksichtigung der Life Cycle Analyse und des Carbon Footprints immer wichtiger“, sagt Kottner.
Potenzial für Wachstum in unterschiedlichsten Segmenten
Im DIY-Bereich ist der wässrige Anteil bereits sehr hoch, dieser Trend wird sich, laut Schwöppe, weiter fortsetzen. Weiteres Potenzial sieht er im Innenbereich bei Automobilen oder Holz/Möbel, aber auch im industriellen Bereich wie z.B. bei Einbrennlacken und mittlerem Korrosionsschutz.
Der größte Teil des Marktes für wässrige Lacksysteme entfällt auf das Segment der Bautenfarben. Somit sieht Kottner hier nach wie vor auch das größte gegenwärtige Potential im Bausegment. „Speziell in China und den Entwicklungsländern wird massiv in die Infrastruktur, Wohnungsbauprojekte und Industriebauten investiert. Somit ist ein erhöhter Bedarf an Bautenfarben, u.a. Innenraumfarben und Basis-Lacken, zu erwarten. Aber auch Holz- und Möbellacke, sowie wasserbasierte Druckfarben sind durchaus Wachstumsbereiche.
Bernhofer sieht das größte Potential im Bereich Bautenlacke / Trim-Paints und danach Metall-Beschichtungen / Korrosionsschutzlacke. „Das Wachstumspotenzial im Bereich wässrige Möbellacke ist unserer Auffassung nach schon weitgehend ausgeschöpft.“
Im Bereich der Industrielacke ist der Anteil wässriger Lacksysteme deutlich geringer. Aber auch hier gibt es immer mehr Beschichtungssysteme mit durchaus vergleichbaren Eigenschaften zu lösungsmittelbasierten Lacken, erklärt Kottner.
Wouter Jongepier von Westlake Epoxy betrachtet wasserbasierte Schutzbeschichtungen als ein Anwendungsgebiet, welches nach wie vor ein hohes Maß an Expertise in Bezug auf Formulierung und Anwendung erfordert. Wenn wasserbasierte Epoxidharz-Lacke korrekt formuliert und appliziert werden, können sie jedoch mit der Leistungsfähigkeit lösemittelbasierter Systeme gleichziehen. „Der Wechsel von lösemittelbasierten zu wasserbasierten Korrosionsschutzlacken wird stark von der Gesetzgebung beeinflusst. Die europäischen Vorgaben bezüglich der Reduktion von flüchtigen organischen Substanzen (VOC) scheinen zu stagnieren. Insofern wird die Nachfrage stärker durch das allgemeine industrielle Wachstum sowie strengeren Maßgaben in bestimmten Segmenten, wie z.B. im Eisenbahn-Bereich, getrieben. In Europa sehen wir im Bedarf für Korrosionsschutzlacke insgesamt ein gesundes Wachstum, jedoch könnte dieser Trend vorübergehend durch die aktuellen Unterbrechungen der Lieferketten und eine potenzielle Rezession abgeschwächt werden“, sagt Jongepier. Das größte Potenzial in der Applikation von wasserbasierten Schutzbeschichtungen sieht er auf größeren Metallkonstruktionen wie z.B. Zügen, Transportfahrzeugen oder Baumaschinen unter industriellen Bedingungen.
Am 22. und 23. November 2022 referiert Dominque Vandenberghe von Westlake Epoxy bei der EC Conference Water-based Coatings über die Entwicklung von Lacken mit neuartigen Epoxidharz-Bausteinen auf Wasserbasis entsprechend der neuesten VOC-Vorgaben.
Im industriellen Einsatz bleiben Herausforderungen bestehen
Für Schwöppe stellen stark schwankende Klimabedingungen (Temperatur/Luftfeuchte) und die im Vergleich zu lösungsmittelhaltigen Lacken noch nicht vollständig heranreichenden Eigenschaften wie Verlauf, Verarbeitbarkeit, Offenzeit, Glanz und Beständigkeit, eine Herausforderung dar. Dies bedeute, dass Anwendungen im industriellen Bereich, wie Industrielacke, Schiffs- bzw. Flugzeugfarben und schwerer Korrosionsschutz auf Wasserbasis selten anzutreffen sind.
Obwohl Bernhofer im Bereich Bauten-Lacke / Trim-Paints das größte Wachstumspotenzial sieht, sei gerade hier der Ersatz der traditionellen lösemittelhaltigen Bautenlacke aufgrund der Verarbeiteranforderungen (z.B. lange Offenzeit, erzielbarer Hochglanz) technisch noch nicht zufriedenstellend gelöst und daher die Umstellung weiterhin langsam. „Wir sehen den Einsatz in Bereichen der industriellen Lackierung aus technischen Gründen begrenzt, insbesondere dort, wo sich Pulverlacke und strahlenhärtende 100%-Systeme durchgesetzt haben, sowie in der Kunststofflackierung“, ergänzt Bernhofer.
Eine ähnliche Sicht vertritt Jongepier. „In Segmenten, die durch Pulverbeschichtungen abgedeckt werden können, bleibt die Anwendung von wasserbasierten Systemen limitiert. Eine große Herausforderung an wasserbasierte Systeme besteht weiterhin in der Anwendung unter weniger kontrollierbaren Bedingungen, wie stark schwankenden und niedrigen Temperaturen, sowie hoher Luftfeuchtigkeit. Daher ist möglicherweise für sehr umfangreiche Konstruktionen im Schiffsbau und im Offshore-Bereich der Einsatz von lösemittelfreien oder High-Solids-Technologien bevorzugt“, erklärt er.
Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Trend bei Wasserlacken
Grundsätzlich wird der Einsatz nachhaltiger Systeme immer bedeutender, teilt Kottner über die Trends in Bezug auf Wasserlacke mit. Hierbei gehe es konkret um die Erreichung einer hohen Lebensdauer kombiniert mit langanhaltender Funktionalität.
„Unserer Meinung nach ist der Trend nach nachhaltigen Rohstoffen/Lacken und die umweltbewusste Zertifizierung dieser, wie etwa Blauer Engel, Nordic Swan, EU Ecolabel, nicht mehr aufzuhalten. Auch die Reduktion der Colöser in Richtung „Zero VOC“, welche vor allem die Filmbildung beeinflussen, wird weiter vorangetrieben. Noch nicht abzuschätzen ist, welche Auswirkungen die Erweiterung von REACH auf Polymere haben wird. Für die Qualifizierung bestehender Produkte könnte ein erheblicher Anteil an R&D- bzw. anwendungstechnischen Ressourcen benötigt werden, die der Produktweiterentwicklung nicht mehr zur Verfügung stehen. Das würde den Fortschritt verlangsamen“ gibt Schwöppe zu bedenken.
Für Jongepier verschieben sich derzeit die Grenzen von wasserbasierten Epoxidharz-Systemen in Richtung Colöser-freier Systeme. „Wir arbeiten kontinuierlich an der Ausweitung des Anwendungsfensters und der Robustheit von wasserbasierten Epoxidharz-Systemen. Als Industrieunternehmen verbessern wir im Sinne des European Green Deals den CO2-Fußabdruck unserer Beschichtungsmaterialien“, sagt Jongepier.
Bernhofer beobachtet im Wesentlichen drei Trends. „Eine ständige Verbesserung der erzielbaren mechanisch-technologischen Beständigkeit, z.B. Wetter -/ UV-Beständigkeit, Chemikalienbeständigkeit bei Möbellacken, Blockfestigkeit und Korrosionsschutz bei Metall-Lacken (bis C5 high). Ein weiterer Trend ist die Verbesserung der anwendungstechnischen Eigenschaften und Vergrößerung des anwendungstechnischen Fensters, wie verlängerte Offenzeit und bessere Frühregenbeständigkeit. Der dritte Trend ist die Verbesserung der Nachhaltigkeit, z.B. weitere VOC-Reduktion, Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen.“