Wässrige Bindemittel: „Wachstum, Nachhaltigkeit und Liefersicherheit stehen im Vordergrund“

Lars Wallstein stuft die Lage bei wässrigen Polymeren als herausfordernd ein. Im Interview spricht der Geschäftsführer von Synthomer Deutschland über die schwierige Rohstoffsituation und dass er keine Entspannung erwartet, sondern, dass weitere Anbieter aus dem Markt scheiden werden.

Interview: Die Lage am Markt für wässrige Polymere ist herausfordernd. Bild: ra2 Studio -

Wie bewerten Sie den Markt für wässrige Polymere?

Lars Wallstein: Derzeit sehen wir große Herausforderungen im Markt. Mit laufend höheren Standards, siehe REACH, APEO-Verbot, Biozid-Richtlinie, Green und Clean Trends muss man in Mitarbeiter, Technologie, Labore und Anlagen investieren können. Es ist daher wichtig, über eine gute Kapitalausstattung zu verfügen, langfristiges Vertrauen der Kunden, Eigentümer und Kapitalgeber zu genießen – und zu investieren. Gleichzeitig gibt es aber nach wie vor eine recht große Anzahl kleinerer, meist lokaler Anbieter, die mit niedrigen Investitionen, Produkt- und Sicherheitsstandards am Wettbewerb teilnehmen. Ein Spiel auf Zeit. Es wird immer schwieriger für kleinere Wettbewerber, den zahlreichen Anforderungen gleichzeitig gerecht zu werden. Die bisher unzureichende Weitergabe der stark gestiegenen Rohstoffkosten dürfte die Ergebnissituation bei vielen Polymerherstellern nicht verbessert, sondern verschärft haben. Der ein oder andere Wettbewerber wird wohl ausscheiden.

Wie reagieren Sie auf diese Herausforderungen?

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Lars Wallstein

Geschäftsführer Synthomer

Wallstein: Wir haben jüngst sehr gute 2017er Zahlen berichtet, auch wegen der erfolgreichen Akquisitionen von Hexions Acrylatmonomeren, Dispersionen und Pulvern Mitte 2016 sowie Perstorps Oxo-Geschäft 2017. Das herausfordernde Umfeld sehen wir daher als große Chance für Synthomer, denn wir sind gut aufgestellt und wollen weiter wachsen. Wir investieren am Standort Worms in weitere 35.000 Tonnen Dispersionskapazität, die im vierten Quartal verfügbar sein werden. Die Anlage schafft dann zirka 125.000 Tonnen und wird in etwa zwei bis drei Jahren wieder voll sein. Zusätzlich investieren wir auch an anderen Standorten signifikant, z.B. in Frankreich, Italien, Spanien, Tschechien und Finnland. Darüber hinaus investieren wir kräftig in die Verstärkung unserer Teams. Wir heißen zahlreiche neue Kollegen, insbesondere am Standort Marl in Deutschland willkommen, wo wir mittlerweile etwa 150 Leute in der F&E und im technischen Service beschäftigen.

Die aktuellen Herausforderungen liegen darin, das europäische Anlagennetzwerk weiter auszubauen, Produktpaletten und Innovationspipelines abzugleichen und zu harmonisieren. Wir investieren grade viel Zeit darin, unsere organischen Wachstumspläne mit unseren Kunden abzustimmen und Anlageninvestitionen umzusetzen. Wir wachsen recht dynamisch sowie sehr erfolgreich. Wir haben uns mit dem Kauf der österreichischen Anlage von BASF seit Anfang dieses Jahres zur klaren Nummer 1 bei wässrigen Polymeren in Europa entwickelt, auch wenn wir uns in der Rolle des Hidden Champion ganz wohl fühlen.

Sie sprechen auch die gestiegenen Rohstoffpreise an. Erwarten Sie diesbezüglich eine Entspannung für die Branche?

Wallstein: Wir sehen die gesamte Rohstoffsituation als eine der großen Herausforderungen für Polymerlieferanten, aber auch für die Lackhersteller. Sicherheit und Zuverlässigkeit in der Versorgung müssen im Vordergrund stehen. Die Rohstoffmärkte sind in den letzten 15 Jahren immer volatiler und die Versorgungslage, speziell in Europa, immer anspruchsvoller geworden. Was für die ganz großen Chemieunternehmen mittlerweile zum Tagesgeschäft gehört, ist für uns und unsere Kunden sehr ärgerlich, anstrengend und kostet viel Kraft und auch Geld. Unsere Erwartung ist, dass die Rohstoffmärkte recht knapp und volatil bleiben und ein Absinken der Preisniveaus eher unwahrscheinlich ist. Das große Thema ist: Liefersicherheit nicht Preis. Wünschenswert wäre, wenn sich beides verbessern würde.

Bei welchen Rohstoffen sehen Sie konkrete Probleme?

Wallstein: Wir sind besorgt, dass insbesondere beim MMA kaum ein Licht am Ende des Tunnels erkennbar ist. Ein großer Stillstand dürfte Europa zur Saison weiter in Atem halten. Der weitere Ausblick in die zweite Jahreshälfte ist unklar, da MMA nicht nur in Europa, sondern weltweit knapp ist.

Die Situation bei den Acrylat-Estern hat sich nach der großen Force Majeure des Hauptlieferanten in Europa beruhigt. Allerdings verharren die Preise auf sehr hohem Niveau. Styrol ist bekanntlich sehr volatil. Anti-Dumping-Zölle in China könnten die weltweiten Rohstoffströme beeinflussen und wir beobachten die Situation sehr aufmerksam.

VAM ist in letzter Zeit laufend teurer geworden, das ist unerfreulich. Europa ist Nettoimporteur von VAM. Die nach wie vor bestehenden europäischen Importzölle sind im Interesse der großen Hersteller, meiner Einschätzung nach jedoch nicht im Interesse der Verbraucher. Nicht nur die großen, sondern auch die kleinen Rohstoffe bedürfen einer Menge Aufmerksamkeit, denn es gilt die vollständige REACH- Compliance bis Ende Mai sicherzustellen. Wir sind mit dem Thema vor der Zeit durch.

Dieses Interview führte Damir Gagro

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