„Schließung dürfte keine unmittelbaren Auswirkungen auf Verfügbarkeiten haben“

Im Zuge des Kostenoptimierungsplans hat sich Chemours Titanium Technologies entschlossen, ein Werk in Taiwan stillzulegen. Titandioxid-Experte Reg Adams Artikol ordnet diesen Schritt ein. Von Bettina Hoffmann.

Im Zuge des Kostenoptimierungsplans hat sich Chemours Titanium Technologies entschlossen, ein Werk in Taiwan stillzulegen. Titandioxid-Experte Reg Adams Artikol ordnet diesen Schritt ein und spricht über die Auswirkungen der Werksschließung für die Farben- und Lackindustrie.
Reg Adams spricht über die Auswirkungen der Werksschließung für die Farben- und Lackindustrie.

Chemours schließt Werk in Kuan Yin im Nordwesten Taiwans. Können Sie einige Hintergründe für die Entscheidung nennen?

Reg Adams: Vor dem Hintergrund eines starken Gewinneinbruchs bei Chemours Titanium Technologies im zweiten Quartal 2023, eines Rückgangs des weltweiten Absatzvolumens um 27 % und einer sich verschlechternden Überkapazitätssituation in der globalen TiO2-Pigmentindustrie war dies keine wirkliche Überraschung. Nach Angaben von Chemours lag die weltweite Nachfrage nach TiO2 im Gesamtjahr 2022 bei 6,2 Mio. Tonnen und damit 13 % unter dem Niveau von 2021 und nur geringfügig über dem von 2017. In diesen fünf Jahren ist die weltweite Kapazität jedoch von 7,3 Mio. Tonnen pro Jahr auf 8,9 Mio. Tonnen pro Jahr gestiegen. Das Verhältnis zwischen weltweiter Nachfrage und Kapazität ist von 84 % auf 70 % gesunken, und die Kapazitätsauslastung von Chemours ist ebenfalls zurückgegangen. Chemours hat sorgfältig darauf geachtet, keine übermäßigen Lagerbestände an unverkauften Pigmenten aufzubauen, und war recht erfolgreich bei der Sicherung langfristiger Lieferverträge mit Kunden zu inflationsgeschützten Preisen, seiner so genannten „Wertstabilisierungsstrategie“. Der Umsatzrückgang von 27 % im zweiten Quartal 2023 war ausschließlich auf einen Rückgang der Verkaufsmenge zurückzuführen, während das Preisniveau (in US-Dollar) unverändert blieb. Von seinen vier Werken aus verkauft Chemours TiO2 in praktisch alle Länder der Welt. In den letzten sechs Jahren entfielen 27-34 % des Gesamtumsatzes auf die Region Asien-Pazifik, 26-28 % auf Nordamerika, 13-15 % auf Lateinamerika, 3-4 % auf den Nahen Osten und Afrika und 17-23 % auf Europa.

Welche Auswirkungen wird die Schließung der KuanYin-Anlage auf die Verfügbarkeit von TiO2 für Farbenhersteller haben?

Adams: Die Schließung dürfte keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von TiO2 haben. Chemours wird die Produktion in seinen US-amerikanischen und mexikanischen Werken erhöhen, um den Wegfall von etwa 10.000-12.000 Tonnen pro Monat aus KuanYin auszugleichen. Mittelfristig wird Chemours versuchen, seinen Weltmarktanteil von etwa 14 % zu halten. Chemours wird dazu besser in der Lage sein als seine multinationalen Konkurrenten, aber die größte Bedrohung für den Wettbewerb wird von mehreren chinesischen Anbietern ausgehen, die immer größere Mengen an qualitativ hochwertigem TiO2 auf Chlorid-Basis anbieten. Dazu gehören: die LB-Gruppe, Citic, Kuncai, Lubei, Pangang, Yansteel und Yibin Tianyuan.

Werden die Auswirkungen nur regional oder weltweit spürbar sein?

Adams: Der verschärfte Wettbewerb durch chinesische Anbieter wird sich auf die Märkte in der ganzen Welt auswirken, aber der US-Markt ist durch den seit Anfang 2019 geltenden Einfuhrzoll von 31 % auf chinesisches TiO2 weitgehend geschützt. Taiwan hat in den letzten Jahren mehr als 100.000 Tonnen TiO2 pro Jahr exportiert, vor allem in die asiatischen Märkte – insbesondere nach China, Indien, Japan, Singapur, Thailand und Vietnam. Etwa 4.000-6.000 Tonnen pro Jahr wurden an das europäische Chemours-Hub-Terminal in Antwerpen geliefert. Darüber hinaus hat Chemours etwa 30.000 Tonnen pro Jahr aus seinem Werk in KuanYin an taiwanesische Kunden geliefert. Neben den chinesischen Anbietern wird auch Tronox, das in Westaustralien über zwei Chloridanlagen mit einer Gesamtkapazität von 260.000 Tonnen pro Jahr verfügt, versuchen, die durch den Wegfall der taiwanesischen Quelle entstandene Lücke auf den asiatischen Märkten zu schließen.

Inwieweit sind weitere Schließungen bei anderen Herstellern zu erwarten?

Adams: Alle Hersteller von TiO2-Pigmenten sind von den steigenden Kosten für TiO2-Rohstoffe und Energie, dem Rückgang der Nachfrage nach TiO2-Pigmenten und den sich verschärfenden Überkapazitäten in der Branche negativ betroffen. Neu geschaffene Kapazitäten in China und eine Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft werden die Situation noch verschärfen. Von den multinationalen Unternehmen ist Venator am stärksten betroffen, und das Unternehmen hat als Auftakt zu einer finanziellen Umstrukturierung freiwillig Konkurs angemeldet. Das Venator-Werk in Duisburg mit einer Kapazität von 50.000 Tonnen pro Jahr und das Werk im italienischen Scarlino mit einer Kapazität von 80.000 Tonnen pro Jahr werden wahrscheinlich stillgelegt. Auf der Krim wurde das Werk in Armyansk mit einer Kapazität von 100.000 Tonnen pro Jahr als Folge der Katastrophe am Kachowka-Damm stillgelegt. Unabhängig vom Ausgang des Krieges wird diese Anlage, die jetzt zu Bashkir Soda gehört, mindestens drei Jahre lang nicht in Betrieb sein. Bis auf weiteres sind keine weiteren größeren Schließungen von TiO2-Pigmentwerken in Europa oder anderswo zu erwarten. Dennoch wird die Entscheidung von Chemours, das seine kostenintensivste Anlage schließt, zweifellos andere Hersteller dazu veranlassen, ähnliche Maßnahmen ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

Dieses Interview führte Bettina Hoffmann.

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