Kinderarbeit im Glimmerabbau in fünf Jahren beseitigen
Wir haben mit Fanny Frémont, Projektmanagerin bei der kürzlich gegründeten Responsible Mica Initiative darüber gesprochen, wie die Kinderarbeit beendet werden kann und welche Probleme es dabei zu überwinden gilt.
Können Sie das Ziel der „Responsible Mica Initiative“ beschreiben?
Fanny Frémont: Die „Responsible Mica Initiative“ ist eine globale Zusammenarbeit, bei der sich verschiedene Branchen und Organisationen der Zivilgesellschaft verpflichten, für nachhaltige Glimmer-Lieferketten in Indien zusammenzuarbeiten und die Kinderarbeit im indischen Glimmerabbau innerhalb der nächsten fünf Jahre zu beseitigen. Dies schließt auch ein, Verbesserungen im Gemeinwesen zu erreichen. Die Kinderarbeit ist also unser oberstes Ziel, die Mission ist jedoch viel breiter angelegt.
Wenn Sie von „breiter angelegt“ sprechen, was genau meinen Sie damit?
Frémont: Damit ist gemeint, dass wir, wenn wir Kinderarbeit bekämpfen wollen, gegen die Grundursachen wie Armut und mangelnde Bildung vorgehen müssen. Wenn wir über Indien sprechen, sind etwa die Arbeitsbedingungen beim Glimmerabbau ein Thema, nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Gegenwärtig ist der Abbau von Glimmer nicht organisiert, sondern besteht in Klein- und Kleinstbergbau.
Ist dies nur in Indien ein Thema oder gibt es andere Länder und Regionen mit ähnlichen Problemen?
Frémont: Momentan konzentrieren wir uns auf Indien, da das Land die wichtigste Quelle für Glimmer ist. Abgebaut wird Glimmer jedoch auch in anderen Ländern wie den USA, Brasilien, Madagaskar und einigen anderen. Eines unserer Mitglieder beschäftigt sich mit diesen Ländern, um festzustellen, welche Probleme dort eine Rolle spielen könnten.
Sie erwähnten bereits, dass Armut eine Grundursache für Kinderarbeit ist. Was tun Sie daher gegen das Armutsproblem?
Fanny Frémont arbeitet als Projektmanagerin für die Responsible Mica Initiative. Sie plant die Kinderarbeit in indischen Glimmerminen in fünf Jahren zu beenden.
Frémont: Wir erarbeiten beispielsweise eine Reihe von Standards für die Industrie, die auf internationalen Konventionen beruhen. Unternehmen, die der „Responsible Mica Initiative“ beitreten, verpflichten sich zur Einführung dieser Standards, sobald diese vorliegen. Diese Standards werden unter anderem auf Arbeitsbedingungen, Sicherheit, Kinderarbeit und Mindestlöhne adressieren. Eine Grundidee ist dabei, dass Erwachsene, wenn sie genug verdienen, ihre Kinder nicht mit zu den Bergwerken nehmen müssen.
Wir arbeiten auch mit Partnern vor Ort zusammen, um Kinder und Familien zu stärken, sie über ihre Rechte zu informieren, das Bewusstsein für die Gefahren der Kinderarbeit zu schärfen und hochwertige Bildung zur Verfügung zu stellen. Wir möchten den Familien helfen, einen Dialog mit der lokalen Regierung ins Leben zu rufen, damit die Rechte der Kinder, der globalen Gemeinschaften und der Bergleute respektiert werden. Des Weiteren beginnen wir zu untersuchen, wie wir zur Stärkung der Wirtschaft beitragen können und neue Einkommensmöglichkeiten innerhalb und außerhalb der Glimmer-Lieferkette finden.
Und was behindert Sie, diese Ziele in Indien zu erreichen?
Frémont: Ein Teil der Aufgabe besteht darin, den Glimmer-Sektor richtig zu organisieren und den Kleinbergbau Betreibenden eine Stimme zu geben. Und natürlich muss man die Akteure vor Ort dazu bringen, den Bergleuten für ihre Arbeit einen fairen Lohn zu zahlen. Das Ziel besteht auch darin, kulturelle Veränderungen zu bewirken, das wird jedoch einige Zeit dauern.
Einige große Unternehmen sind bereits Mitglied Ihrer Initiative. Es gibt jedoch auch viele Unternehmen, die Glimmer einsetzen und nicht Mitglied sind. Ist das ein großes Hindernis?
Frémont: Ja, mit Sicherheit. Unser Ziel ist es, alle Akteure dazu zu bringen, sich zusammenzuschließen, um eine langfristige Verbesserung zu erreichen. Momentan haben wir mehr als 35 Mitglieder aus unterschiedlichen Branchen, und die Kosmetikindustrie ist bereits sehr gut vertreten. Doch die wichtigsten Akteure in der Glimmerindustrie sind die Automobil- und die Elektronikindustrie. In der Automobilindustrie wird Glimmer für Effektlacke für viele verschiedene Komponenten eingesetzt. In der Elektronik wird es als elektrischer Isolator eingesetzt, der auch in der Automobilindustrie zum Einsatz kommt.
Dies sind die wichtigen Akteure, die große Veränderungen bewirken können, wenn sie an Bord kommen. So lässt sich das globale Problem ansprechen.
Gegenwärtig nimmt nur ein Automobilhersteller an Ihrer Initiative teil.
Frémont: Ja. Natürlich müssen sich große Unternehmen um viele Probleme kümmern und Prioritäten setzen. Ich hoffe jedoch sehr, dass diese die Glimmer-Bereitstellung als wichtiges Thema anerkennen und dass künftig mehr Unternehmen unserer Initiative beitreten.
Und seit wann ist Ihre Initiative aktiv?
Frémont: Sie wurde offiziell im Januar dieses Jahres ins Leben gerufen, ist also noch sehr jung. Aber die Initiative gründet sich auf vorangegangene Verpflichtungen und die Erfahrungen einzelner Mitglieder. Wir starten also nicht bei null. Momentan sind wir in der Pilotphase und legen gerade die Standards fest und wie wir an Gesetzeswerken und der Stärkung des Gemeinwesens arbeiten wollen. Im nächsten November werden wir in Neu-Delhi die fünfjährige Umsetzungsphase starten; das ist der Zeitrahmen, in dem wir das Problem der Kinderarbeit lösen wollen.
Sie sagten, dass sich die „Responsible Mica Initiative“ auf vorangegangene Verpflichtungen gründet. Das Problem der Kinderarbeit wurde teilweise auch von den Medien behandelt, beispielsweise vom „Guardian“ in Großbritannien und dem „Spiegel“ in Deutschland. Spielte das für die Gründung der Initiative eine Rolle?
Frémont: Nein. Eine Verbindung zur Berichterstattung der Medien gab es eigentlich nicht, weil sich einige der Mitglieder das Thema bereits vor 8 bis 10 Jahren auf die Fahnen geschrieben hatten. Aber sicher führt die mediale Berichterstattung dazu, dass mehr Unternehmen der Initiative beitreten.
Was können kleine und mittlere Unternehmen mit begrenzten Ressourcen tun, damit sie nur solchen Glimmer erhalten, der nicht durch Kinderarbeit abgebaut wurde? Können diese mit Ihrer Initiative in Kontakt treten oder gibt es ein Label, dem sie vertrauen können?
Glimmer kommt als Effektpigment in Kosmetik und Autolacken vor. Auch die Elektronikindustrie ist ein großer Abnehmer. (Foto: Fanny Frémont)
Frémont: Natürlich würde ich empfehlen, dass die Unternehmen unserer Initiative beitreten. Das ist die Idee dahinter, dass sich jeder anschließen sollte. Und sie können die Standards umsetzen, sobald wir diese fertig ausgearbeitet haben, und können sie an ihre Lieferanten weiterleiten. Das ist in der Tat das Wesentliche, denn einfach eine Reihe von Standards auszuarbeiten ist an sich nicht genug – sie müssen auch umgesetzt werden.
Wenn Händler oder Bergbauunternehmen diese Standards umgesetzt haben, wie können sie dies öffentlich machen?
Frémont: Wir haben das noch nicht in allen Details diskutiert. Eine Zertifizierung direkt durch uns wird in keinem Fall erfolgen, da wir keine Zertifizierungsstelle sind und nicht gleichzeitig Richter und auch Beteiligter sein können. In der Zukunft könnte es eine entsprechende Möglichkeit geben, die Zertifizierung müsste jedoch durch externe Stellen vorgenommen werden.
Über die geschäftliche Seite haben wir bereits gesprochen. Was aber ist mit dem politischen Willen? Ziehen die Regierungen mit?
Frémont: Wir benötigen natürlich die Unterstützung durch die Regierung indische Regierung und die Regierungen der indischen Bundestaaten. Vor allem vor Ort ist die Unterstützung wichtig. Und natürlich wäre es auch hilfreich, wenn internationale Organisationen die Initiative auf verschiedene Weise mit voranbringen könnten.
Gegenwärtig haben wir regelmäßige Gespräche mit der OECD und versuchen, zu unterschiedlichen europäischen Regierungsbehörden durchzudringen. Jede Hilfe ist mehr als willkommen.
Ist die weit verbreitete Korruption in Indien ein Problem?
Frémont: Glimmer kommt zumeist aus den zwei Bundesstaaten Jharkand und Bihar im Nordosten Indiens. Und für Glimmer gelten nicht nur die nationalen Gesetze, sondern vor allem die Gesetze der lokalen Regierungen. Und es gibt dort einige Probleme, die ein Eingreifen für uns schwierig machen.
Sie hatten bereits erwähnt, dass auch der Organisationsgrad des Glimmerabbaus eine Rolle spielt. Wie ist die Lage hier derzeit?
Frémont: Momentan stehen uns einige Zahlen zur Verfügung, es ist jedoch recht schwierig, genau zu wissen, wie die Dinge liegen. Gegenwärtige Schätzungen besagen, dass nur etwa 10 Prozent des Glimmer-Abbaus legal und offiziell organisiert erfolgen.
Gibt es Versuche, den gesetzlichen Rahmen, nach dem der Glimmer-Abbau erfolgt, zu verbessern?
Frémont: Die indische Regierung hat angekündigt, dass es Auktionen für neue Glimmer-Bergwerke geben würde. Wir kennen jedoch den Zeitplan nicht und wissen nichts über die Bedingungen. Wir glauben, dass dies ein guter Schritt hin zu gesetzlicher Regelung und Organisation ist, aber uns sind noch nicht genügend Details bekannt. Momentan könnte dies die Situation im Klein- und Kleinstbergbau verbessern oder verschlechtern – wir wissen es einfach nicht.
Das Interview führte Jan Gesthuizen
Weitere Einzelheiten zur „Responsible Mica Initiative” sind unter www.responsible-mica-initiative.com zu finden.
Das Interview ist eine Übersetzung aus dem Englischen. Das Originalinterview findet sich auf der Webseite des European Coatings Journal.