Interview: „Wir werden organisch und durch Akquisitionen wachsen“

Während der Pandemie konnte der Bautenfarbensektor insbesondere im DIY-Bereich einen starken Nachfrageanstieg verzeichnen. Joe Devitt, Group Vice President of Hempel Decorative Europe, spricht über die Entwicklung im Bautenfarbengeschäft und Hempels Wachstumsambitionen in diesem Segment.

Joe Devitt

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Wie haben Sie die Entwicklung des Marktes für dekorative Beschichtungen während der Pandemie erlebt?

Joe Devitt: Der Covid-Faktor war und ist für die gesamte Beschichtungsindustrie enorm. Betrachten wir unser Geschäft mit Bautenfarben- und lacken, so haben wir eine starke Nachfrage im Heimwerkerbereich festgestellt, während der professionelle Bereich seit März dieses Jahres einen leichten Rückgang zu verzeichnen hatte.

Die höhere Nachfrage hängt sicherlich mit den Lockdowns in verschiedenen Ländern zusammen. Die Menschen arbeiteten entweder nicht oder blieben zu Hause. In Kombination mit dem guten Wetter begannen sie, ihr Heim zu streichen. Im Gegensatz zum Verbrauchermarkt war die Entwicklung im professionellen Markt viel langsamer, da Projekte gestoppt oder verschoben wurden. Es wird wahrscheinlich bis ins nächste Jahr hineingehen, bis der Profi-Markt Anzeichen einer Besserung zeigt.

Im Allgemeinen ist der DIY-Markt im Jahr 2020 stark, während der Profi-Markt stagniert oder rückläufig ist. Aber nicht alle Länder zeigen die gleiche Entwicklung.

Könnten Sie bitte genauer auf die Unterschiede eingehen?

Devitt: Auch wenn der DIY-Sektor einen regelrechten Boom erlebt hat, waren die Wachstumsraten in den einzelnen Ländern unterschiedlich. Wenn wir zum Beispiel Deutschland nehmen, dann war das Managen der gesamten Covid-Situation viel reaktionsschneller. Viele der Baumärkte blieben geöffnet und infolgedessen blieb die Nachfrage nicht nur stark, sondern stieg sogar noch an. Im Vereinigten Königreich und in Frankreich hingegen wurden fast alle Baumärkte geschlossen und die Nachfrage ging rapide zurück.

Nach dem Lockdown erlebten wir eine allmähliche Wiedereröffnung der Märkte und insbesondere in Frankreich und im Vereinigten Königreich war die Nachfrage im Baumarktsegment enorm. Die Lieferkette wurde von der Pandemie jedoch stark in Mitleidenschaft gezogen. Daraus ergaben sich zwei große Herausforderungen: Erstens die Erhöhung unserer Produktionsleistung, um der neuen Nachfrage gerecht zu werden, und zweitens die Verwaltung der Kommissionierung und des Versands der Produkte an unsere Kunden. Es war schwierig, die Farbe an die Kunden zu liefern, selbst wenn wir sie produzieren konnten. Es gab eine gewisse Zeit, in der es keinen Vertrieb gab, um die Farbe zu den Verbrauchern zu bringen. Der Druck auf den Transport bestand darin, die Lieferungen schnell zu erledigen.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Nachfragesituation?

Devitt: Ich denke, wir müssen die Nachfrage auf zwei Arten betrachten. Erstens wurden Projekte begonnen, die lange Zeit nicht erledigt worden waren. Man beschloss, sie einfach jetzt zu erledigen. Zweitens wurden Pojekte vorgezogen, die sonst erst später in diesem oder im nächsten Jahr erledigt worden wären. Auch verreisten in diesem Jahr nur wenige Leute und machten stattdessen viel DIY-Projekte. Im zweiten und dritten Quartal dieses Jahres verzeichneten wir eine hohe Nachfrage. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich die Nachfrage normalisieren und wieder auf das Niveau von früher zurückkehren wird.

Wie hat sich Ihr Geschäft über Ihren E-Commerce-Kanal während der Pandemie entwickelt?

Devitt: Während der Ladenschließungen stieg die Nachfrage im E-Commerce verkaufter Produkte exponentiell an. Wir haben einen enormen Anstieg der Online-Käufe beobachtet. Diese war natürlich nicht auf dem gleichen Niveau wie die Nachfrage in den Geschäften. Aber es war eine deutliche Steigerung gegenüber dem, was wir normalerweise erwartet hätten.

Im Vereinigten Königreich sind wir mit dem E-Commerce etwas besser aufgestellt, da wir bereits seit mehreren Jahren eine Plattform hatten. Aber sie war nicht für das Nachfrage-niveau ausgelegt, das wir in diesem Jahr erlebt haben.

Die digitalen Verkäufe gehen derzeit zwar zurück, aber sie sind immer noch höher als früher. Auch wenn die Geschäfte wieder geöffnet sind, will sie aufgrund der geltenden Abstandsreglung nicht jeder besuchen. Außerdem haben Kunden den Komfort erlebt, Farbe online zu kaufen. Aus diesem Grund überdenken wir die digitale Strategie, die eine Aufwertung unserer E-Commerce-Dienstleistungen mit sich bringt. Die zukünftige Strategie von Hempel wird sich stark auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit konzentrieren.

Sie sind erst vor ein paar Jahren in den Markt für Bautenfarben eingestiegen. Wie beurteilen Sie die Wettbewerbssituation auf dem Markt?

Devitt: Hempel ist in den Markt für Bautenfarben und -lacken eingestiegen, um ein „drittes Standbein“ zu schaffen, das unser Schiffsfarben- und Korrosionsschutzgeschäft ergänzt. In Europa sind wir durch die Übernahme von Crown Paints und J.W. Ostendorf, einschließlich Renaulac, in den Markt eingetreten. Das Umfeld ist sehr wettbewerbsintensiv. In Deutschland zum Beispiel gibt es mehrere Akteure in einem sehr aggressiven Markt. Das bedeutet, dass es zwar viele Firmen gibt, aber somit auch viele Konsolidierungsmöglichkeiten, die vor uns liegen. Der Markt wächst nicht schnell. In diesem Jahr ist er aufgrund von Covid gewachsen, aber das war ein Sondereffekt. Wir werden sehen, dass sich die Lage normalisiert und viele Unternehmen erneut um dasselbe Gebiet konkurrieren. Der Prozess der Fusionen und Übernahmen wird weitergehen. Wir wollen das Geschäft stärken, da wir es als ein sehr wichtiges Geschäft für uns betrachten, und wir werden daher organisch und durch Akquisitionen wachsen.

Dieses Interview führte Damir Gagro.

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