Interview: „Wir waren gezwungen, neue Märkte zu erschließen“
Wie hat sich der Krieg in der Ukraine auf Ihre Aktivitäten in Russland ausgewirkt?
Ingo Reincke: Wir sind von den Sanktionen gegen Russland komplett betroffen. Für uns heißt das, die Aktivitäten im russischen Markt sind auf null gestellt worden. Von heute auf morgen sind 15 % unseres Umsatzes weggefallen.
Wir hatten einen sehr starken Partner, mit dem wir seit über zehn Jahren sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet haben. Für uns sind diese 15 % sehr ärgerlich, für den Partner ist es jedoch die Existenz. Er hatte ausschließlich mit uns gearbeitet und ein sehr erfolgreiches Netzwerk aufgebaut. Wir waren in jeder russischen Großstadt vertreten. Für unseren Partner und sein Händlernetzwerk ist es somit eine viel größere Katastrophe als für uns.
Haben Sie einen Weg gefunden, die wegfallenden Geschäfte zu kompensieren?
Reincke: Die Konsequenz für unseren Partner war, dass er das gleiche Geschäft mit uns in Indien aufbaut. Er hat Russland verlassen und ist nach Indien gezogen. Dort hatte er bereits Geschäfte mit einem Vertreter für Baustoffe unterhalten. Gemeinsam hat man das Angebot um Naturfarben und -öle erweitert.
Wir haben also begonnen unsere Produkte nach Indien zu liefern. Aus unserer Sicht ist es ein hochinteressanter Markt, da in Indien noch viel mit Holz und mit Steinfliesen, die geölt werden, gearbeitet wird. In Mumbai konnten wir beispielsweise einen Vorhof mit über 5.000 Quadratmetern ölen und dieses Projekt hat weitere Kundenanfragen nach sich gezogen. Der indische Markt ist riesengroß und im nächsten Jahr haben wir den Wegfall unseres russischen Geschäfts mindestens kompensiert.
Neben Indien sind Sie aber auch in Japan und Südkorea aktiv geworden. Wie kam es dazu?
Reincke: Parallel zum Eintritt in Indien haben wir entschieden, wenn wir uns schon stärker in Asien engagieren, auch weitere Märkte zu erschließen. In der Vergangenheit hatten wir Anfragen aus Südkorea und Japan, konnten diese aber aufgrund fehlender Kapazitäten nicht angehen. Nachdem aber das Geschäft mit Russland wegfiel, sind Kapazitäten freigeworden, die wir für Aktivitäten in diesen Ländern nutzen können. In Südkorea haben wir das Geschäft mit Tempelfarben wieder belebt. Das funktioniert hervorragend. In Japan ist das Wandfarbengeschäft stark, insbesondere mit Silikatfarben.
In Japan und Südkorea sind Naturfarben bereits etabliert, wie bewerten Sie die Märkte für Ihre Aktivitäten?
Reincke: In Japan konnten wir aus Kapazitätsgründen das Geschäft bisher personell nicht bearbeiten. Das hat sich durch den Wegfall des russischen Geschäfts aber ermöglicht. Unser Ansatz ist es, einen Markt auch personell mit Schulungen und technischer Unterstützung zu versorgen. Wir suchen auch immer heimische Partner. Ohne landeseigene Partner war und wird es mit dem Erfolg schwierig aus meiner Sicht. Japan sehe ich fürs kommende Jahr sehr positiv. In Südkorea waren wir zwar schon, haben aber nie richtig unterstützen können und den Markt zu erschließen.
Die Situation in Russland hat uns gezwungen die neuen Märkte zu erschließen und die bestehenden wiederzubeleben. Die Kunst ist es, schnell zu handeln. Wir wollten keine krummen Wege über Drittländer nach Russland reinzuliefern. Das entspricht aber nicht unserer Philosophie. Sollte sich die Situation zum Guten wenden und sich befrieden, würden wir die Geschäfte in Russland auch wieder aufnehmen.
Wie bewerten Sie die Situation in Indien für Naturfarben, welche Potenziale sehen Sie?
Reincke: Wir sind nach Indien gegangen und es hieß, unsere Farben seien zu günstig. Die Erwartung war, dass Naturfarben hochpreisig sein müssen. Wir sind in einem Kundensegment unterwegs, das sich explizit für Naturfarben entscheidet und somit auch bereit ist, höhere Preise zu bezahlen. Es sind Prestigeaufträge, mit denen sich die Kunden abheben wollen. Bei herkömmlichen Wandfarben, die von zahlreichen Wettbewerbern angeboten werden, spielt der Preis sicherlich eine stärkere Rolle und muss niedrig sein. In Indien gibt es eben auch zahlreiche Menschen, die Riesen-Reichtümer haben. Auch das „Made-in-Germany“ kommt gut an.
Das ökologische Bewusstsein in der indischen Gesellschaft steigt. Die indische Oberschicht möchte sich hier gezielt mit ökologischen, nachhaltigen Produkten absetzen.
Bei synthetischen Farben ist der Wettbewerb sicherlich deutlich härter und es wird dann sehr schwierig, auf dem Markt Fuß zu fassen. Mit Naturfarben haben wir aber in Indien keinerlei Wettbewerber vor Ort.
Inwieweit wollen Sie Ihre Aktivitäten in Asien ausbauen? Haben Sie dazu schon konkrete Vorstellungen?
Reincke: Wir haben konkrete Vorstellung, wie wir in Asien weiter vorgehen wollen. Wir werden nach unserem Plan alle zwei Monate vor Ort sein, in Japan, Südkorea und Indien. Thailand und Taiwan sind auch interessant. Wir nehmen uns aber ein Land nach dem anderen vor. Wir sind zu klein, um alles auf einmal umzusetzen und machen daher alles Schritt für Schritt. Auf die drei erstgenannten Märkte setzen wir den Fokus. Diese Märkte müssen sich für uns zuerst stabilisieren. Wir müssen auch schauen, ob das alles so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir werden nicht den Fehler machen und überall auf einmal mitmischen. Diesen Weg sind wir auch in Europa gegangen und der war erfolgreich.