Interview: Lackfabriken smarter machen
Was sind die Ansätze von Smart Factory?
Ralph Jan Wörheide: Im Vordergrund stehen KI-gestützte Systeme, die von Prozessen lernen, denen eine Optimierung vorausgegangen ist. Klassische ERP-Ansätze sind zentralistisch und konzentrieren sich auf den Business-Teil. Das Modell der Smart Paint Factory hingegen unterscheidet nicht mehr zwischen technischem und Business-Prozess und den beteiligten Abteilungen. Unserer Einschätzung nach wird Industrie 4.0 zu sehr aus Sicht der Produktion in der Fertigungsindustrie betrachtet.
Was bedeutet die Smart Factory für das Wissen, das im Unternehmen gegeben sein muss?
Ralph Jan Wörheide
Geschäftsführer, Orontec
Wörheide: Eine Steigerung der Digitalkompetenz heißt nicht Programmieren. Eine interne Programmierung macht von Einzelpersonen abhängig. Daher kann es sein, dass eigenes Know-how von Dienstleistern besser geschützt ist als von Mitarbeitern, die den Job wechseln können. Zudem sind interdisziplinäre Ansätze wichtiger als das Beschäftigen von Informatikern. Es geht nicht nur um die Software, sondern es müssen passende Strukturen im Unternehmen geschaffen werden. Für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz ist es ungemein wichtig, gute Datensätze zu haben. Man sollte sich daher auf Vernetzung und Datenqualität fokussieren, insbesondere mit innovativer Messtechnik.
Was bedeutet dies für die benötigte Software?
Wörheide: In einer smarten Lackfabrik ist Schluss mit monolithischen Softwarelösungen. Denn ob von der Stange oder vom Systemhaus: zu große monolithische Software ist nicht mehr dynamisch genug, vernetzte kleine Lösungen machen flexibler und führen zu schnellen Ergebnissen.
Können Sie ein paar Beispiele aus der Lackindustrie geben?
Wörheide: Grundlage der Smart Paint Factory ist die Optimierung von Prozessen und die Schaffung von Datensätzen, an denen Künstliche Intelligenz ansetzen kann. Hier setzen wir an. Eines unserer Projekte ist das Screening von Pigmenten. In der Lackproduktion werden Pigmente zumeist vom Lackhersteller eingekauft und dann in der Formulierung verwendet. Hier findet oft keine Qualitätskontrolle statt. Aufbauend darauf setzt die Nutzung der Messdaten von Pigmentpasten für eine dynamische Anpassung der Startrezeptur an. Pigmentpasten z.B. können in ihrer Farbstärke variieren, eigentlich müsste die Konzentration der Paste entsprechend angepasst werden. Die geschieht aber oft nicht, weil wenig geeignete Messmethoden zur Verfügung stehen. Ein weiteres Projekt beschäftigt sich mit der Automatisierung von Prüftafeln zur Farb-, Glanz- und Schichtdickenbestimmung, die zumeist noch manuell durchgeführt werden.
Das Interview führte Vanessa Bauersachs
Event Tip
Ralph Jan Wörheide wird zu diesem Thema auch auf der FARBE UND LACK // INDUSTRIE 4.0 Konferenz am 28. und 29. Oktober in Krefeld sprechen. Das Event bietet neben Vorträgen zu allen Aspekten der Digitalisierung auch eine Besichtigung des Oberflächenzentrums HIT der Hochschule Niederrhein. Neben der Präsenzveranstaltung mit Hygienekonzept wird es auch einen Livestream geben.