Interview: „Individueller Kontakt als Vorteil gegenüber Konzernen

Die Bruchsaler Farbenfabrik feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Die Geschäftsführer Ronald Levi und Andreas Dyckerhoff sprechen über die derzeitige Lieferproblematik, regulatorische Herausforderungen und die aktuelle Wettbewerbssituation.

Doppelspitze: Ronald Levi (links) und Andreas Dyckerhoff führen die Geschäfte des Familienunternehmens Bruchsaler Farbenfabrik.

Was haben Sie sich für das Jubiläumsjahr vorgenommen?

Ronald Levi: Wir sind zufrieden mit dem Geschäft im Jubiläumsjahr. Die Pandemie ist nicht die erste Herausforderung in der Geschichte, wenn man auf die 125 Jahre zurückblickt. Es ist dennoch mit Sicherheit ein spannendes Jahr. Die Labore und die Büros waren natürlich aufgrund dieser besonderen Situation nicht immer besetzt. Wo immer möglich, haben wir alle Möglichkeiten des Home-Office genutzt und  den Kontakt in die Branche durch zahlreiche Online-Gespräche gehalten. Das war intensiv und es wird auch so bleiben, da wir in über 100 Ländern präsent sind.

Andreas Dyckerhoff: Wir wollen unsere Angebote wo immer möglich optimieren. Je mehr Bleichromate aus dem Markt verschwinden, desto höher wird der Bedarf für Alternativen. Wir sehen in unserem gesamten Portfolio genug Potenzial für Steigerungen. Aber auch die Energieversorgung wird ein Thema durch die sehr ambitionierten Ziele des Green Deals. Wir wollen regenerative Energien einfließen lassen, um den Herausforderungen gerecht zu werden.

Wo sehen Sie die aktuellen Herausforderungen für sich?

Dyckerhoff: Was uns ebenfalls in diesem Jahr begleitete, ist die Situation auf dem Rohstoffmarkt. Diese Entwicklung betrifft nicht nur unsere Kunden, sondern uns ebenso und kommt erschwerend zur Pandemie hinzu. Insbesondere vertriebsseitig ist das natürlich nicht immer einfach für uns. Viele Kunden haben nur eine Sorge, kann ich produzieren und bekomme ich meine Rohstoffe? Diese angespannte Situation  wird mit Sicherheit Auswirkungen bis mindestens ins dritte Quartal 2022 haben.

Levi: Es gibt weitere Faktoren, die negative Auswirkungen haben können. In China soll aufgrund der Olympischen Winterspiele und aufgrund von Energieproblemen die Industrie zum Anfang des Jahres heruntergefahren werden. Kurz darauf folgt das chinesische Neujahr. Und die Transportproblematik bleibt ja bestehen. Es reicht ja ein Corona-Fall, um ein Terminal am Hafen komplett zu schließen. Schon bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking war es problematisch, nur ohne Lieferkettenprobleme. Und diese Problematik betrifft fast alle Firmen. Dadurch fehlt die Zeit, Neues zu probieren oder zu testen. Derzeit ist nur noch das tägliche Geschäft im Fokus. Das wird sich aber ändern, sobald es die Situation zulässt und Techniker wieder stärker gefragt werden. Die Krise hat alle Bereiche gebremst und vieles auf den Kopf gestellt. Der regulatorische Druck erhöht sich ebenfalls.

Inwiefern setzen Regularien Pigmenthersteller unter Druck?

Dyckerhoff: Erheblich. Wir müssen auf alles vorbereitet sein und entsprechend reagieren. Der Fall Titandioxid und Nanopartikel zeigt, dass mit wissenschaftlich nicht ganz nachvollziehbaren Argumenten die Industrie unter erheblichen Druck gesetzt werden kann.  Zum Glück hat sich die  Situation in der Zwischenzeit etwas entschärft.
Derzeit werden zwar alltägliche Projekte nach hinten verschoben, aber Firmen, die an ein Due-Date gebunden sind, haben natürlich einen anderen Druck. Wenn im Mai 2022 z.B. die Frist für Bleichromate ausläuft, muss es Alternativen geben. Auch REACH setzt uns weiterhin unter Druck. Mit dem europäischen REACH sind wir soweit durch, aber es kommen nun weitere Länder mit eigenem Regelwerk hinzu. Etwa Großbritannien, das durch Brexit auch noch ein eigenes REACH bekommen hat. Das wird zu mehr Chaos führen. Südkorea und die Türkei sind auch auf dieser Liste zu finden. Vor Ort muss man einen OR (only representative) haben, der alles für die Exporteure abwickelt. Das ist sehr kostenintensiv, wie man aus Erfahrung mit dem EU REACH erfahren hat. Auch Nachhaltigkeit ist ein Schlagwort. Die Forderungen steigen entlang der ganzen Wertschöpfungskette. Für die Mittelständler wird es immer schwieriger, diesen ganzen Anforderungen gerecht zu werden.

Wie bewerten Sie die aktuelle Wettbewerbssituation?

Dyckerhoff: High Performance Pigmente werden teilweise in Europa hergestellt, und wir haben den Wettbewerb somit vor der Tür. Mittlerweile sind wir hier alle von der Verknappung betroffen, und es gibt Probleme, Komponenten aus Asien geliefert zu bekommen. Mit Verspätungen haben also alle zu kämpfen. Aber auch die europäischen Hersteller, die ihre Pigmente in Asien herstellen, haben Probleme, ihre Produkte verschifft zu bekommen.

Levi: Immer mehr Großkonzerne entstehen durch Übernahmen, dies eröffnet aber auch Chancen für uns. Wir sehen den direkten, schnellen und individuellen Kontakt zum Kunden als einen Vorteil gegenüber Konzernen. Diese Betreuung können wir aber auch Konzernen anbieten. Wir sind zwar nur ein Mittelständler, können aber mit unseren zahlreichen globalen Vertretungen immer nah am Kunden sein. Das muss man zwar immer mal wieder erklären, aber dann funktioniert es.

Welche Trends sehen Sie derzeit im Pigmentgeschäft?

Levi: Der Trend geht dahin, unsere Produktpalette stets zu verbessern und natürlich wächst die Bedeutung von wässrigen Systemen. Wir müssen innovativ bleiben. Die Pigmentwelt bringt nicht ständig brandneue Produkte auf den Markt, und der Produkt Lebenszyklus spielt eine immer größere Rolle. Es ist eine Fokussierung auf Verbesserung und Optimierung der eigenen Produkte. Die angesprochene Konsolidierung limitiert aber auch Innovationen. Dadurch wird oft vieles als immer dasselbe wahrgenommen. Es dauert eben sehr lange bis ein neues Pigment alle Tests und Qualifizierungen durchlaufen hat. Wenn die Unternehmen aber sehr margengetrieben agieren, bleibt  wenig Raum, diese Kosten zu stemmen und somit bleiben echte Innovationen leider aus. Trotzdem wollen wir hier weiter mit unseren Fortschritten und Entwicklung überzeugen.   

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