Interview: „In der Schweiz befinden wir uns in einem Verdrängungsmarkt“
Sie haben Ihr neues Entwicklungslabor in Betrieb genommen. Welche Entwicklungen haben diese Investition nötig gemacht?
Wolfram Selter: Wir sind auf die Segmente Bautenfarben und Holzschutz im Schweizer Markt fokussiert. Um auch gegenüber den großen Wettbewerbern aus dem In- und Ausland bestehen zu können, ist es wichtig, dass wir uns in Richtung Spezialitäten konzentrieren und uns den speziellen Anforderungen unserer Kunden in der Schweiz anpassen. Das braucht es eben auch entsprechende Entwicklungs- und Laboraktivitäten.
Das alte Labor hat in vielerlei Hinsicht den aktuellen Anforderungen nicht mehr genügt, unter anderem wurde es sehr eng. Wir brauchten mehr Raum für Arbeitsplätze und um Rohstoffe und Proben besser lagern oder auch handeln zu können. Das neue Labor entspricht nun auch den aktuellen technischen Standards und den aktuellen Sicherheitsbestimmungen.
Wie drückt sich die Erweiterung in Zahlen aus?
Selter: Wir haben deutlich über 200.000 EUR investiert. Jetzt verfügen wir über 200 qm moderne Laborfläche mit sieben voll ausgerüsteten Arbeitsplätzen. Diese Erweiterung entspricht einer Kapazitätserhöhung von 40 %. Die Mitarbeiterarbeitsplätze, also die Schreibtische, haben wir ausgelagert, um mehr Labor- und Entwicklungsfläche zu haben.
Wie bewerten Sie die Wettbewerbssituation in der Schweiz?
Selter: Die Schweiz ist vom Volumen und Preis her ein attraktiver Markt. Daher haben hier auch viele der europäischen Player Aktivitäten. Aus unserer Sicht befinden wir uns aktuell in einem Verdrängungsmarkt. Alle versuchen sich ihren Teil zu sichern. Die Zahl der Anbieter nimmt derzeit zu. Das sehen wir konkret an der Ausweitung und Vergrößerung der Verkaufsstellen der Anbieter. Wir liefern direkt über 16 eigene Verkaufsstellen, die wir strategisch über die Schweiz verteilt haben. So können wir die Kunden schnell erreichen. Der zweistufige Vertrieb ist typisch für die Schweiz und so machen dies auch unsere Wettbewerber. Der Platzhirsch hat über 30 Verkaufsstellen und wir liegen mit unserer Zahl über dem Durchschnitt. In der Schweiz muss man vor Ort sein und geographisch gesehen ist es anspruchsvoll unsere Produkte in jedes Tal zu bekommen.
Welche Besonderheiten sehen Sie im Schweizer Farben- und Lackmarkt im Vergleich zu Ihren EU-Nachbarstaaten?
Wolfram Selter
Bereichsleiter Technik und Entwicklung sowie Mitglied der Geschäftsleitung, Bosshard
Selter: Wir sind kein EU- oder EWR-Mitglied. Wir haben gesetzmäßig kein Volumenverkauf in der Farben- und Lackbranche. Bei uns gibt es andere Gebindegrößen. Den 2,5 Liter Malerkessel z. B. aus Deutschland gibt es bei uns praktisch nicht. Hier sind es 5 Kilogramm. Eine weiterer Unterschied ist, dass die Decopaint-Richtlinie bei uns nicht gilt. Dennoch sind viele unserer Produkte dahingehend konform, da wir auch exportieren. Wir haben viele Produkte auch Spezialitäten, die es in der Form im EU-Ausland und speziell Deutschland nicht mehr gibt. Aufgrund der Decopaint-Richtlinie mussten Wettbewerber ihre Produkte reformulieren und so haben die Produkte den hiesigen Qualitätsanforderungen nicht mehr genügt. Davon konnten wir teilweise profitieren.
Hohe Qualitätsansprüche sind in der Schweiz üblich. Handwerk und Ausbildung haben hier einen hohen Stellenwert. Nur wenn man qualitätsbewusste Kunden hat, kann man qualitative Produkte absetzen, für die auch der entsprechende Preis gezahlt wird. Eine weitere Besonderheit ist die VOC-Lenkungsabgabe, eine „Strafsteuer“ auf Lösemittel. Wir müssen unseren Kunden 3 CHF pro Kilogramm VOC berechnen, umgerechnet etwa 2,60 EUR. Die kommen auf den Produktpreis anteilig oben drauf.
Wo liegen für Sie derzeit die größten Herausforderungen?
Selter: Die regulatorischen Fragestellungen, die auf uns zukommen, sind eine erhebliche Belastung und damit eine der größten Herausforderungen. Wir werden das eine oder andere Holzschutzprodukt selber zulassen und das verursacht einen erheblichen Investitionsbedarf. Es ist aber auch eine Zukunftschance.
Der Fachkräftemangel ist weiter vorhanden und dürfte zunehmen. Wir bilden jedes Jahr Lacklaboranten selber aus. Alle können wir nicht übernehmen und bilden daher auch für den Markt aus. Da die Schweiz ein viersprachiges Land, brauchen wir Mitarbeiter, die mindestens zwei Landessprachen sprechen. Wir schauen darauf Mitarbeiter einzustellen, die französisch sprechen. Das ist aber oft ein Problem. Wir bieten daher für unsere Mitarbeiter auch Französischkurse an und investieren somit in unsere Mitarbeiter und unsere Wettbewerbsfähigkeit.
Sind weitere Investitionen geplant?
Selter: Wir stellen uns den Herausforderungen und hinsichtlich der Zukunftssicherungen gibt es auch Handlungsbedarf. Wir haben bereits Ideen und Planungen, aber noch sind keine definitiven Entscheidungen getroffen worden. Daher kann ich hier noch keine konkrete Aussage treffen.
Dieses Interview führte Damir Gagro