Interview: Hesse Lignals Nachhaltigkeitsstrategie

Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie hat Hesse Lignal zum Januar 2024 alle Nitrocelluloselacke und lösemittelhaltigen säurehärtenden Lacke aus dem Sortiment genommen. Geschäftsführender Gesellschafter Jens Hesse erläutert die Hintergründe zu diesem Schritt und welche weiteren folgen sollen – denn die Akzeptanz im Markt ist vorhanden. Von Chefreadakteur Damir Gagro

Wie ist die Situation auf dem Markt für biobasierte Beschichtungen? Quelle: malp -Adobe.Stock

Seit Anfang Januar führen Sie keine Nitrocelluloselacke und lösemittelhaltigen säurehärtenden Lacke mehr in Ihrem Sortiment. Wie kam es dazu?

Jens Hesse: Dies war ein schrittweiser Prozess, der darauf abzielte, Erfahrungen zu sammeln und sich mit alternativen Produkten zu beschäftigen. Die Entscheidung lösemittelhaltige Lacke und Nitrocelluloselacke aus dem Sortiment zu nehmen, ist Teil unsere Nachhaltigkeitsstrategie. Wir hatten das Ziel, die Umstellung der Nitrocelluloselacke bis Ende 2023 abzuschließen, was wir auch geschafft haben. Die Idee war es nicht, lediglich die Herstellung dieser Produkte einzustellen und das Geschäft dem Wettbewerb zu überlassen, sondern die Kund:innen dabei zu begleiten auf modernere, nachhaltigere Lacksysteme umzusteigen.

Dieser Schritt ist nur ein erster Meilenstein in Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie. Wie sieht diese Strategie aus und welche weiteren Meilensteine haben Sie sich vorgenommen?

Hesse: Der nächste Schritt ist unser umfangreiches Sortiment der Polyurethan-
Lacke umzustellen. Hierbei ist es schwierig, dieses Portfolio in Teilsortimente zu unterteilen. Es ist wichtig, eine sinnvolle Reihenfolge für alle Kund:innen einzuhalten und am Thema dranzubleiben. Die Kund:innen und insbesondere die Handelspartner müssen weiterhin für nachhaltige Lösungen begeistert werden. Die Neukund:innenakquise findet nur noch auf Basis wässriger Lacke statt, da es keinen Sinn macht, Kund:innen erst zu akquirieren und später auf Wasserlack umzustellen. Wir haben uns klare interne Zielvorgaben gesetzt, um diese Umstellung erfolgreich umzusetzen. Durch die bisherige Umstellung der Nitrocelluloselacke sparen wir allein einen Co2-Wert ein, der 500 Hin- und Rückflügen von Deutschland nach Mallorca entspricht. Wenn man das jetzt hochskaliert, zeigt sich, welche Einsparungen wir als gesamte Branche erzielen können.

Welche Reaktionen erhalten Sie auf die Alternativprodukte aus dem Markt?

Hesse: Von den meisten Kund:innen haben wir positive Reaktionen erhalten. Zwischen 80 % und 90 % folgen uns auf dem neuen Weg. Einige Kund:innen konnten direkt von Nitrocelluloselacken auf Wasserlacke umsteigen, während andere einen Zwischenschritt benötigten. Es gab aber auch die wenigen Ausnahmen, die sich nicht von den Argumenten überzeugen ließen, dass eine Umstellung auf ein nachhaltigeres Lacksystem in Zukunft immer wichtiger wird. Hier spielte meist der Preis eine Rolle und nur die aller wenigsten teilten mit, dass eine Umstellung aus anwendungstechnischen Gründen schwierig umzusetzen sei.

Welcher Anteil des bisherigen Sortiments kann durch Alternativen ersetzt werden bzw. wo wird dies nicht möglich sein?

Hesse: Dieser Anteil, bei dem es nicht möglich ist, ist sehr gering. Technisch gesehen gibt es einige Anwendungen, aber diese Einzelfälle haben keine Relevanz. Die Vorstellung, dass bestimmte Anforderungen nicht mit wasserbasierten Lacken erfüllt werden können, ist längst überholt. In unseren Schulungen demonstrieren wir dies, indem wir unterschiedlich lackierte Bretter Objekte zeigen und die Teilnehmer dazu auffordern, diejenigen zu markieren, die mit Wasserlacken behandelt wurden. Es ist erstaunlich, wie oft die Teilnehmer hierbei danebenliegen. Selbst für Experten ist dies eine Herausforderung, der Zufall spielt hier eine große Rolle.

Wo liegen derzeit die größten Herausforderungen in der Entwicklung von Alternativprodukten?

Hesse: Eine der größten Herausforderungen ist es, unser Rohstoffsortiment nachhaltiger zu gestalten. Hier sind wir sehr stark von der Rohstoffindustrie abhängig. Dazu sind wir mit allen Lieferanten im Kontakt, um verschiedene Nachhaltigkeitsstrategien zu diskutieren, sei es mit nachwachsenden Rohstoffen oder der Kreislaufwirtschaft. Die logistischen Herausforderungen bei der Umstellung für Kund:innen sind ebenfalls wichtig, um auslaufende Produkte und Rohstoffe nicht unnötig zu verschwenden. Eine weitere Herausforderung ist es, die Kund:innen davon zu überzeugen, dass an nachhaltigeren Systemen kaum ein Weg vorbeiführt. Es ist nicht nur eine technische Überzeugung, sondern eine Frage des Erkennens der Notwendigkeit und der Verantwortungsübernahme für künftige Generationen, weshalb wir diesen Weg gehen. Die vielen weiteren Vorteile der Nachhaltigkeit, neben dem eigentlichen Lackierprozess, der reduzierten Geruchsemissionen oder weniger Abfall, müssen bei der Überzeugungsarbeit durch uns weiter intensiv kommuniziert werden.

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