Interview: „Große Potenziale auch außerhalb Europas“

Maschinenhersteller Wilhelm Niemann erweitert mit neuem Technikum am Firmensitz das Angebot für Dispergier- und Feinmahlversuche. Geschäftsführer Frank Niemann und Verfahrensexperte Helmut Diddens erläutern die Hintergründe für diesen Schritt und sprechen über Chancen sowie Herausforderungen.

Geschäftsführer Frank Niemann (links) und Verfahrensexperte Helmut Diddens von der Wilhelm Niemann Maschinenfabrik sprechen über die Investition. Quelle: Wilhelm Niemann

Sie haben in ein Technikum am Firmensitz in Melle investiert. Welche Entwicklungen machten diesen Schritt notwendig?

Frank Niemann: Wir haben an unserem Standort von 2019-2021 in den Ausbau investiert, da wir auf mehreren Ebenen mehr Platz benötigt haben. Im ersten Schritt haben wir die Bürofläche um 1.200 Quadratmetern auf zwei Etagen für die Bereiche Entwicklung, Konstruktion, Vertrieb, Verwaltung und Geschäftsleitung ausgebaut.

Im zweiten Bauabschnitt wurde ein Umbau von 900 Quadratmetern der bestehenden Büroflächen für die Bereiche Service, Einkauf und einer Werkskantine fertiggestellt. Da wir unser Portfolio kontinuierlich ausgebaut haben, war jetzt auch eine Erweiterung unseres Technikums notwendig. Wir haben zusätzlich eine kontinuierliche Rührwerkskugelmühle entwickelt und in unser Angebot mit aufgenommen und haben somit einen erhöhten Bedarf an Versuchen.

Wie sieht die Erweiterung am Standort in Melle konkret aus?

Helmut Diddens: Das Technikum, das nun auf eine Fläche von 130 Quadratmetern vergrößert wurde, sehen wir weiterhin als Schlüssel zum Erfolg. Mit der Erweiterung des Servicebereichs sind fünf weitere Arbeitsplätze geschaffen worden. Somit ist weiterhin gewährleistet, dass wir für unsere über 5.800 Maschinen Ersatzteile anbieten können.

Das Technikum soll ständig erweitert werden. Bitte erläutern Sie dies genauer.

Niemann: Uns steht noch Fläche zur Verfügung, derzeit finden aber keine weiteren oder konkreten Baumaßnahmen statt. Sollte dies aber notwendig werden, können wir schnell handeln. Im Moment konzentrieren wir uns darauf, weitestgehend unabhängig in der Energieversorgung zu werden. 36 % unseres Stroms generieren wir bereits selbst über Photovoltaik, diesen Anteil wollen wir stetig ausbauen. Wir beabsichtigen in Industriewärmepumpen zu investieren, um unabhängig vom Gas zu werden. Wir sind zuversichtlich die nötigen Genehmigungen zu bekommen, um unser Vorhaben vorantreiben zu können. Zusätzlich investieren wir weiterhin, um unser Unternehmen zukunftsfest zu machen. Hier sind insbesondere Digitalisierung und Automatisierung im Fokus.

Inwiefern haben sich Anforderungen und Kundenwünsche an Hersteller von Produktionstechnik in den letzten Jahren verändert?

Diddens: Die Lasten- und Pflichtenhefte wachsen immer stärker an. Sei es neue und verpflichtende Sicherheitstechnik, Automatisierung oder die Einbindung in Prozessleitsysteme. Wie bereits erwähnt, hat der Aufwand im Service zugenommen. Mittlerweile kommen auch vermehrt Anfragen zu einfachen Wartungsarbeiten, welche in der Vergangenheit durch eigenes Wartungspersonal des Kunden durchgeführt wurden. Beratung und Service werden immer intensiver.

Wo liegen derzeit die Potenziale im Markt für Farben und Lacke für Sie als Hersteller von Produktionstechnik?

Niemann: Nach wie vor werden große neue Fabriken und große Produktionserweiterungen vor allem außerhalb Europas in Asien umgesetzt, aber speziell Indien ist hier zu nennen. Die Wachstumsraten sind mit 12-15 % enorm. Als Beispiel ist hier die jüngste Ankündigung der Aditya Birla Group zu nennen, die rund 1 Mrd. USD in sechs neue Farbenfabriken auf dem Subkontinent investiert. Für vier der sechs Fabriken liegt uns bereits ein Großauftrag vor. Die weiteren Aufträge werden im zweiten Halbjahr vergeben.

Auch die Aktivitäten in den USA nehmen zu, daher haben wir uns entschlossen eine Gesellschaft vor Ort zu gründen, um auf diese Entwicklung effizient reagieren zu können. In Deutschland und Europa läuft das Geschäft aber auch gut, insbesondere im Bereich der Ersatz­investition. Hier sehen wir ein besonders nachhaltiges Potenzial mitunserer aktuellen Technik.

Diddens: Abgesehen von der Lackbranche entwickelt sich unser Geschäft in der Kleb- und Dichtstoffbranche sehr erfreulich und bietet weiteres Wachstumspotenzial. Mit unserer Portfolioerweiterung können wir weitere Potenziale in allen Regionen und Segmenten generieren.

Wo liegen die Herausforderungen?

Niemann: Geografisch betrachtet, bleibt die Region Middle East und Afrika schwierig. Dort wird der Markt mit Maschinen aus China überflutet. Und ähnlich wie in Indien, ist der Markt sehr preissensitiv. Es ist sehr mühsam aufgrund von Reisebeschränkungen z.B. in China die Geschäfte optimal zu betreuen. Uns fordern aber auch die bekannten Probleme heraus. Die Lieferketten sind nicht intakt aber diese Herausforderung konnten wir bisher aufgrund unserer partnerschaftlichen Lieferantenkontakte gut managen. Außerdem kommt uns unser großer Lagerbestand und unsere langfristige Bevorratung aller Ersatzteile zugute.

Auch die Preissteigerungen vom Rohmaterial an die Kunden weiterzuleiten ist nicht immer im vollen Umfang möglich. Zusätzlich ist es sehr herausfordernd Fachkräfte für den Bereich Produktion zu gewinnen. Das Rekrutieren aber auch das Binden ans Unternehmen wird immer schwieriger. Aber auch hierfür haben wir eine Strategie und Programme implementiert.

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