Interview: „Ein großer Meilenstein für uns

Merck Surface Solutions hat am 21. September offiziell seine neue Produktionslinie für Silica-basierte Effektpigmente am Standort Gernsheim in Betrieb genommen. Sie ergänzt die bereits vorhandene Anlage am selben Standort. Pilar Fresnillo, Head Business Field Automotive Coatings Solutions bei Merck, über den Umfang der Investition und die Beweggründe des Kapazitätsausbaus.

Pilar Fresnillo: "28 Mio. EUR sind schon eine Hausnummer

Welchen Umfang hat die Investition in die zweite Produktionslinie für Silica-basierte Effektpigmente?

Pilar Fresnillo: Wir sprechen von einem Investment über etwa 28 Mio. EUR. Das ist schon eine herausragende Investition und ein großer Meilenstein für uns. Wir haben sehnsüchtig auf die Eröffnung dieser neuen Produktionsanlage gewartet, genauso wie unsere Kunden. Unsere Silica-basierten Pigmente sind eine besondere Produktfamilie, mit der wir einmalige Produkte geschaffen haben, die Designern ganz besondere Styling-Möglichkeiten erlauben. Das bestätigt uns auch das Feedback unserer Kunden. Entsprechend war schnell klar, dass wir diese weitere Anlage brauchen. Wir glauben, dass uns dies stärken und unseren klaren Anspruch auf Innovation und Lieferstabilität und -qualität untermauern wird. Und wir wissen, dass der Markt darauf wartet.

Mit dieser hochmodernen Produktionsanlage und optimierten Prozessen steigern wir die Kapazität zur Herstellung dieser Effektpigmente signifikant. Das ist nicht nur eine einfache Erweiterung, sondern ein sehr beachtlicher Ausbau. Denn wir sehen eine sehr schnelle und stark gestiegene Nachfrage nach Silica-Pigmenten, insbesondere nach unserem Effektpigment „Colorstream Lava Red“, einem der Hauptgründe für die Investition. Wir wollen sicher sein, dass wir die Nachfrage unserer Kunden bedienen können. „Liefersicherheit“ ist in aller Munde, und das ist auch sehr wichtig für uns.

An welchem Standort wurde die zweite Produktionslinie in Betrieb genommen?

Fresnillo: In Gernsheim. Wir haben drei Standorte für unsere Pigmentproduktion: Gernsheim in Deutschland, Onahama in Japan und Savannah in den USA. Gernsheim ist von diesen Dreien am größten und Hauptproduktionsstandort für die Herstellung von Silica-basierten Effektpigmenten. Unsere bisherige Anlage für diese Pigmentfamilie steht auch dort. Insofern war Gernsheim auch am besten geeignet für die neue Anlage. Die Kunden werden von Tag Eins das gleiche Produkt bekommen wie aus der ersten.

Warum wurde eine weitere Anlage notwendig?

Fresnillo: Gerade bei Pigmenten für Automobillacke bedarf es mehrere Jahre bis ein Produkt am Markt etabliert ist und die erste große Nachfrage kommt. Denn die Kunden müssen ein Produkt ausreichend testen, um überzeugt zu sein. Das ist der Normalfall. Bei „Colorstream Lava Red“ lief das alles viel schneller ab. Da hat man nicht drei, vier Jahre warten müssen. Relativ schnell war die Nachfrage da. Das beste Beispiel bin ich selbst: Ich habe 2017 bei Surface Solutions angefangen und komme nicht aus der Pigmentwelt. Ich bin in einen Raum gekommen, die Panels lagen auf dem Tisch aus und man brauchte mir mit meinen damals noch unerfahrenen Augen nicht sagen, welches der Pigmente „Colorstream Lava Red“ war, ich habe es sofort erkannt.

In welche Anwendungen fließen die Effektpigmente?

Fresnillo: Unsere Silica-basierten Effektpigmente kommen in unterschiedlichsten Industrien zum Einsatz: Von Automobillacken über Kosmetika bis hin zu industriellen Anwendungen. Der Automotive-Bereich ist sicher der Hauptmarkt. Aber auch Kosmetika natürlich, wie Lippenstift und Lidschatten. Aber auch hochwertige Industrieanwendungen wie Smartphones, Sportgeräte, Jetskis, Sneakers gehören dazu.

Was ist das Besondere an den Silica-basierten Effektpigmenten?

Fresnillo: Das Besondere an diesen Pigmenten ist das, was die Experten Flop nennen. Je nach Blickwinkel sieht man einen Verlauf von der einen zur anderen Farbe. Das kann man überall anwenden. Wenn man z.B. längere gekrümmte Flächen hat wie eine Motorhaube. Damit kann man richtig spielen, von sehr intensiv bis sehr subtil. Bei „Colorstream Lava Red“ geht es um das High Red Chroma. Das ist eine andere Art von Rot. Es ist das einzige Pigment, das über einen weiten Betrachtungswinkel richtig rot bleibt.

Planen Sie einen weiteren Ausbau Ihres Pigmentgeschäfts?

Fresnillo: 28 Mio. EUR sind schon eine Hausnummer, das passiert nicht jeden Tag. Aber grundsätzlich baut unser Geschäft auf Innovation und Qualitätsführung auf. Das ist unser Anspruch, und dementsprechend entwickeln wir uns kontinuierlich weiter. Es werden weitere Schritte kommen, wir arbeiten ständig an der Modernisierung und Erweiterung der Anlagen, da wo wir den Bedarf sehen.

Aktuell verbessern wir im großen Stil unser Qualitätskontrollprozesse und arbeiten an einer neuen Infrastruktur, die uns erlaubt, Farbmessungen ganz anders anzugehen.

Hat die Corona-Pandemie Auswirkungen auf das Geschäft mit Effektpigmenten gehabt?

Fresnillo: Unsere Hauptzielmärkte sind unter anderem Automotive und Cosmetics. Beide waren sichtbar von der Pandemie betroffen. Ab dem dritten Quartal 2020 beobachten wir aber bereits eine Erholung der Nachfrage. Und die erste Jahreshälfte 2021 ist sehr gut gelaufen. Gegenüber dem Vorjahresquartal legten die Umsätze unserer Geschäftseinheit Surface Solutions im 2. Quartal dieses Jahres organisch um 41,3 % zu, und wir sind optimistisch, dass sich dieser positive Trend in der zweiten Jahreshälfte fortsetzt, gerade bei hochwertigen Produkten. Was allerdings nun zu Unsicherheit innerhalb der Automobilbranche führt, ist das Thema Chip-Mangel. Wir erleben aber dennoch eine stabile Nachfrage.

Erstaunlich, diese schnelle Erholung nach der Delle, oder?

Fresnillo: Das ist diese bekannte V-Kurve, umgangssprachlich „Toilettenpapiersyndrom“: Wenn man befürchtet, dass kritische Komponenten oder Materialien knapp werden, fängt man unnötigerweise an, sie zu horten. Obwohl der Markt bei normalen Bestellmengen auch normal liefern könnte. So verlängern man künstlich eine Knappheit. In der Regel folgt dann aber auf einen raschen Absturz eine ebenso rasche Erholung der Märkte. Das erleben wir jetzt gerade.

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