Interview: „Diversifikation um jeden Preis ist nicht unser Ziel“
Welche Gründe haben dazu geführt die WB Coatings zu übernehmen?
Markus Fritzsche: Seit gut fünf Jahren haben wir mit WB Coatings eine enge Zusammenarbeit. Diese begann damit, dass wir für die Firma einige Produkte in Lohn fertigten. Hintergrund war damals, dass man eine teilweise relativ veraltete Produktionsanlage hatte und beispielsweise aliphatische Isocyanathärter bei uns wesentlich moderner und sicherer produziert werden konnten. Deswegen hat man Produktbereiche zur Lohnfertigung an uns ausgegliedert.
Der Austausch mit dem Inhaber Dirk Mollenhauer war somit immer regelmäßig und sehr eng. Daher waren wir auch der erste Ansprechpartner als sich die Nachfolgefrage aufgrund der schweren Krankheit des Inhabers stellte.
Sie stärken Ihr Portfolio. Wo erwarten Sie besonderes Potenzial für weiteres Wachstum?
Fritzsche: Das Hauptsegment von Warnecke & Böhm sind Lacke für den hochwertigen Maschinenbau und diese stellen im Prinzip keine Portfolio-Erweiterung für uns dar. Solche Lacke führen wir in ähnlicher Form bereits. Für diesen Bereich sehen wir das größte Wachstum und die größten Chancen. Dieses Segment wollen wir ausbauen und internationalisieren. Über unsere Verbreitung können wir wesentlich mehr Kunden erreichen, als das Warnecke & Böhm alleine konnte. Mit dieser Erweiterung erhalten wir zwar nur eine minimale, jedoch wesentliche Ergänzung im Segment Hightech-Maschinenbau.
Daneben gibt es Nischensegmente, wie etwa spezielle Produkte für Audiotechnik oder Produkte für die Glaslackierung. In diesen Bereichen waren wir bisher kaum vertreten. In diesen Nischen sehen wir auch erhebliche Wachstumschancen, allerdings hauptsächlich dadurch, dass wir diese Segmente wesentlich internationaler ausrichten werden. Bei der Glaslackierung liegt der Fokus eher Richtung Osteuropa und mittlerer Osten. Beim Thema Audiotechnik geht es Richtung USA.
Die Marke WB Coatings soll weiterhin erhalten bleiben, den Standort am Schliersee geben Sie jedoch auf. Was geschieht mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
Fritzsche: Den Standort in Schliersee aufzugeben, war eigentlich eine Entscheidung, die bereits unter dem früheren Inhaber oder vor der Übernahme gefallen ist. Man hat in den Standort relativ wenig investiert und mit den heutigen gesetzlichen Anforderungen wären sicher erhebliche Investitionen zum dauerhaften Standorterhalt nötig, die sich nur schwer rentieren würden. Etwa zwei Drittel der Produktion wurden bereits an unseren Standorten gefertigt, das letzte Drittel wird nun auf die verschiedenen spezialisierten Firmen unserer Gruppe verteilt.
Viele Mitarbeiter haben sich mit einem Wechsel an einen Standort der Mipa Gruppe beschäftigt. Etwa die Hälfte aller Mitarbeiter hat sich den möglichen neuen Arbeitsplatz angesehen und etwa ein Drittel davon hat bereits unterschrieben. Sie werden in verschiedene Standorte der Gruppe wechseln, hauptsächlich in den Vertrieb und die Technik.
In den letzten Jahren waren Sie sehr aktiv bei Übernahmen. Sind weitere Schritte in Planung?
Fritzsche: Wir haben nicht immer gezielt auf Akquisitionen hingearbeitet. Es haben sich aber Chancen aufgetan, die wir ergriffen haben. Bei einigen Übernahmen lagen Umstände vor, die wir nicht beeinflusst haben bzw. die wir nicht vorhersehen konnten, wie beispielsweise die Insolvenz der Landshuter Lackfabrik oder das Ableben des Inhabers von WB Coatings. Das Gleiche gilt für die kurzfristig getroffene Entscheidung des Süddeutschen Lackwerk Zelle, den Geschäftsbetrieb einzustellen.
Wir schauen uns immer sehr genau an, ob die Unternehmen gut zu uns passen, sei es regional oder aufgrund des Portfolios. Wir wollen nicht in irgendeinem Land oder in irgendeinem Segment tätig werden, in dem wir überhaupt keine Erfahrung haben oder bislang gar nicht tätig sind. Diversifikation um jeden Preis ist nicht unser Ziel. Auch Übernahmen von Produktionsunternehmen auf anderen Kontinenten streben wir derzeit eher nicht an.
Wie bewerten Sie den Standort Deutschland für die Farben- und Lackindustrie sowie für den Mittelstand?
Fritzsche: Deutschland ist für die Farben und Lackindustrie kein schlechter Standort. Wir haben hier sehr starke Abnehmerbranchen und eine gute Versorgung mit allen Ressourcen. Der Markt ist grundsätzlich vorhanden und er ist für mittelständische Hersteller genauso gut wie für multinationale Hersteller. Ich denke, dass man als Mittelständler zumindest keinen eklatanten Nachteil hat.
Der wachsende Nachteil Deutschlands liegt darin, dass es für uns immer schwerer wird, Produkte ins Ausland zu liefern. Diesen Trend sehe ich seit vielen Jahren. Derzeit beschleunigt er sich jedoch massiv, insbesondere wenn sich die aktuellen Tendenzen weiter fortsetzen. Das liegt an diversen Dingen. Hier ist zuerst das regulatorische Umfeld zu nennen. Theoretisch sollten die Regularien innerhalb der EU alle gleich sein, somit wäre die EU als großer, einheitlicher Markt vorhanden. Das ist aber nicht ganz richtig, weil viele europäischen Regularien zwar in Deutschland umgesetzt werden, in anderen europäischen Ländern jedoch nicht oder abgewandelt. Außerhalb der EU sieht das noch dramatischer aus, da hier wesentlich weniger Regularien existieren.
Zusätzlich fordern weitere Themen unsere Branche heraus, wie etwa steigende Energiepreise und Lohnkosten, die Verfügbarkeit von Fachkräften und letztlich auch die Rohstoffverfügbarkeit. Das alles sorgt für wesentlich höhere Kosten als bei einer Produktion außerhalb Deutschlands oder der EU. Ob das nur für die Lack- und Farbenbranche zutrifft, kann ich nicht beurteilen. Das trifft eventuell andere Branchen genauso. Die Stellung als „Exportweltmeister“ Deutschland sehe ich aber in dieser Situation ganz stark gefährdet.