Interview: „Der Wettbewerbsdruck nimmt deutlich zu“

Durch die öffentliche Debatte bekommt die Windenergie derzeit mehr Aufmerksamkeit. Das lässt sich auch an den gestiegenen Aufträgen erkennen, sagt Dr. Matthias Otting, Managing Director bei Bergolin. Aber dadurch ergeben sich nicht nur Potenziale. Der zunehmende Wettbewerb und der Kostendruck fordern den Hersteller von Rotorblattbeschichtung heraus.

Dr. Matthias Otting Quelle: Bergolin

Wie bewerten Sie den aktuellen Markt für Onshore und Offshore Windindustrie aus Sicht eines Lackherstellers?

Dr. Matthias Otting: Also es gibt eigentlich zwei wesentliche Momente, die den Markt bestimmen. Das eine ist ein hoher Bedarf, der vor allem jetzt auch politisch motiviert ist. Die Gedanken der Energieautarkie als auch der Klimaneutralität werden immer stärker und ist Gegenstand der Politik. Diese fördert die Technologie und damit haben wir einen großen Bedarf auf der einen Seite.

Auf der anderen Seite stehen wir und unsere Kunden unter einem erheblichen Kostendruck. Insbesondere seit Beginn der Corona-Phase haben wir eigentlich kontinuierlich Kosten- und Preiserhöhung gehabt. Früher wurde noch viel über Force Majeur gesprochen. Jetzt steigen die Preise einfach so an. Eine Eins-zu-eins-Weitergabe dieser Kosten ist nicht möglich wir stehen somit unter einem starken Margendruck. Wir freuen uns über die gestiegenen Aufträge, aber die Margen fallen deutlich geringer aus, als es früher der Fall war.

Wo sehen Sie konkret Potenziale als Lackhersteller?

Otting: Die Schwellenländer bieten enormes Potenzial. Aber dort besteht auch die Herausforderung den hier in Westeuropa gewohnten Qualitätsstandard anbieten zu können. Daher sind anwendungs- und applikationsfreundliche Systeme immer gefragter, wie etwa 1-K-Lösungen und Einschichtlösungen. Aber nicht nur die Schwellenländer bieten Potenzial für uns. Wir haben jetzt unsere Aktivitäten in Indien verstärkt, aber auch in den USA. Dort haben wir Niederlassungen gegründet und unser Team mit Anwendungstechnikern entsprechend verstärkt.

Welche Anforderungen stellen die Kunden an Lacke für Rotorblatt­beschichtung?

Otting: Die HSE-Anforderungen sind hier eindeutig zu nennen. Die Qualifikationsstandards sind enorm hoch und können mit der Automobilindustrie verglichen werden. Aber auch Zeiteinsparungen in der Applikation sind eine Anforderung an uns. Die Qualität und Leistung der Lacke dürfen darunter aber nicht leiden. Die Prozessfähigkeit ist eine hohe Anforderung, die schon fast einen Wert an sich darstellt. Das ist ein Riesenthema. Zusätzlich darf ein Lack auch nicht mehr Kosten, wo sich dann der Kostendruck wieder zeigt.

Inwieweit können die benötigten Lacksysteme aus nachhaltigen bzw. umweltverträglichen Lösungen formuliert werden?

Otting: Wir bewegen uns in einem schmalen Korridor durch die Spezifikationen und Qualifikationen. Der Gesetzgeber schreibt auch vor reaktive Systeme zu minimieren und wir müssen möglichst effizient mit den Stoffen umgehen. Beschichtungen in diesem Segment sind hochkomplexe Formulierungen, nicht jeder Bestandteil ist aus nachwachsenden Rohstoffen zu ersetzen. Aber wir setzen bereits nachwachsende Bindemittel ein, aber ein vollumfänglicher Einsatz an nachwachsenden Rohstoffen ist derzeit noch nicht möglich.

Für solche Formulierungen wären die Preise auch höher. Dies ist in unserem Segment ebenso eine Hürde für die Kunden, sich für solche Systeme zu entscheiden, wenn die gesetzliche Notwendigkeit nicht besteht.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Lackhersteller in diesem Segment heute und in den kommenden Jahren?

Otting: Neben den Regularien, die immer weniger Rohstoffe für die Formulierung zulassen, nimmt der Wettbewerbsdruck deutlich zu. In unserem Markt gibt es drei wesentliche Bereiche, das ist der Turm, das ist die Gondel und das Rotorblatt. Es gibt jetzt Unternehmen, die von einem Bereich in die anderen Bereiche stark vordringen. Auch die größeren Firmen haben das Geschäftsfeld als strategischen Marktbereich wahrgenommen, den vorher keinen so richtig interessiert hat.

Insbesondere asiatische Hersteller drängen auf den Markt. Wir in Europa haben eine erstklassige Technologie und effiziente Prozesse, aber durch den Kostendruck sehen wir eine Abwanderung des Geschäfts. Mittlerweile sind fünf der zehn größten Windkraftanlagenhersteller in Asien zu finden. Die Tendenz ist steigend. Wir in Europa müssen daher als Branche aufpassen, dass uns nicht dasselbe Schicksal wie in der Photovoltaik ereilt.   

Wie muss darauf reagiert werden?

Otting: Das sind oft staatlich geförderte Unternehmen, und das ist aus meiner Sicht nur eine Frage der Zeit, wann die auch auf den Markt vordringen. Wir müssen uns durch Qualität und Flexibilität absetzen. Es muss immer ein nachvollziehbarer Mehrwert geboten werden. Die Frage, wie wir mit unseren Produkten und Lösungen beim Kunden die Prozesse effizienter und kostengünstiger gestalten können, wird immer wichtiger. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir Teil der Lösung und nicht Teil des Problems sein.

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