Interview: „Der Anteil von wässrigen Systemen lässt sich nicht immer weiter vergrößern“

Vor 25 Jahren gründete Thomas Grüner Kaddi-Lack. Der Geschäftsführer des Dortmunder Industrielackherstellers will weiterwachsen, aber mit Bedacht. Er erzählt auf welchem Wege dies geschehen soll und betrachtet das Thema Nachhaltigkeit insbesondere bei Wasserlacken aus einer weiteren Perspektive. Interview von Damir Gagro

Thomas Grüner ist der Inhaber von Kaddi-Lack
Thomas Grüner ist der Inhaber von Kaddi-Lack

Ihr Unternehmen Kaddi-Lack feierte jüngst das 25-jährige Bestehen. Welche Pläne wollen Sie im Jubiläumsjahr umsetzen?

Thomas Grüner: Wir haben einen klaren Fokus und ein Bekenntnis auf Wachstum. In den letzten Jahren haben wir uns gut vorbereitet und werden mehr Kunden, mehr Erfahrung und mehr Reichweite bzw. Bekanntheit bekommen. Wir werden das Digitale dort anwenden, wo es nützlich ist. Für die immer größer werdende Anzahl von Kleinstkunden und Einmalkäufern sind wir dabei eine Online-Bestellmöglichkeit zu schaffen, die dann aber auch für neue Interessenten nützlich ist – und auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten zur Verfügung steht.  Zusätzlich erweitern wir unser Angebot für andere Industrielackhersteller. Es gibt immer noch einige Lackhersteller, denen wir wirklich gut helfen können, effizienter zu arbeiten. 

Wir wollen das personelle Wachstum mit jüngeren Personen realisieren. Dazu bestehen mit Mitarbeitern Vereinbarungen, Regeln und Konsens, dass wir z.B. die persönliche Gesundheit unbedingt mit der Unternehmens-Wirtschaftlichkeit in Einklang bringen. Ob es der Einsatz von Exoskeletten im Bereich Fertigung, Abfüllung und Versand ist oder ob der Zusammenhalt als Team mit Hilfe einer externen Fachkraft vorgenommen wird. In diesem Bereich wird Verständnis und respektvolle Rücksichtnahme gelebt. Und dann ist das Kapitel Unternehmensnachfolge auch in der Bearbeitung – aber auch deshalb, weil es eine unternehmerische Pflicht ist, sich darum zu kümmern. Es gibt keinen familiären Plan, wir sind aber für Lösungen jeder Art offen.

Vor gut 15 Jahren gründeten Sie das Deutsche Industrielack-Museum. Wie kam es dazu und welches Ziel verfolgen Sie?

Grüner: Ein damaliger Geschäftspartner, Volker Bach, erklärte mir damals, dass ich mit den vielen Exponaten aus dem Lackbereich ein Museum gründen könnte. Mit 17 Jahren machte ich meine Ausbildung in einer kleinen Fabrik für Industrielacke. Seitdem sammle ich alles, was mit Lack zu tun hat.

Und als Kaddi-Lack im Jahr 2008 schöne Räumlichkeiten von Thyssen kaufen konnte, war etwas Platz übrig. Natürlich hätte ich das vermieten können. Und sicherlich hätte ich dafür auch Geld bekommen. Aber mein Bauchgefühl, und Herr Bach, meinten, mit einem Museum könnte ich etwas zurückgeben. Das Deutsche Industrielack-Museum verfolgt im Wesentlichen drei Ziele: für mehr Industrieakzeptanz zu sorgen, die Wertschätzung der Lackbranche zu verbessern, denn nur durch uns werden z.B. Möbel geschützt und Autos verschönert, und Schüler bzw. Jugendliche zu erreichen und denen die Ausbildung z.B. zum Lacklaboranten schmackhaft zu machen: Lack ist sexy!

Wo liegen die Potenziale und wo die Herausforderungen für Ihre Aktivitäten in der Nische der Kleinstmengen?

Grüner: Die Potenziale hängen sehr stark mit unserer Bekanntheit zusammen. Ich denke, dass wir selten Kunden (an den Wettbewerb) verlieren. Wer uns erst einmal kennen gelernt hat, bleibt bei uns und oft kaufen unsere Kunden ihren Großbedarf nicht bei uns. Damit können wir gut und respektvoll umgehen.

Die Herausforderung ist, richtig zu wachsen – wenn nötig auch langsam. Einen geschenkten Werbespot direkt vor der Tagesschau würde ich im Moment dankend ablehnen.

Industrielacke werden noch überwiegend auf Basis von Lösemitteln hergestellt. Wie lange wird es aus Ihrer Sicht dauern, bis der Löwenanteil aus wässrigen Systemen besteht?

Grüner: Meine persönliche Meinung ist, dass der Anteil von wässrigen Systemen sich nicht immer weiter vergrößert. Für den Verarbeiter gibt es klare behördliche Vorgaben. Wer aber nicht darunterfällt, kommt mit lösemittelbasierten Lacken besser zurecht. Es wird aber auf diese Lösemittel-Lacke mehr Druck in Richtung Umweltschutz usw. entstehen.

Wie können Ihrer Meinung nach Industrielacke nachhaltiger und umweltverträglicher werden?

Grüner: Wenn von der Umweltverträglichkeit und der Nachhaltigkeit gesprochen wird, müssen wir auch über die Wirtschaftlichkeit sprechen. Da sind Kompromisse nötig. Grundsätzlich schützen Lacke und Farben Werte. Damit ist ein Lack oder eine Farbe schon mal per se ein Betrag zum Umweltschutz.

Und wir müssen aufklären: ein Wasserlack hört sich zwar „umweltfreundlich“ an. Aber endlich bemüht sich auch der Verband der Lackindustrie aufzuklären, dass z.B. Pinsel und Rolle bei der Hausrenovierung eben nicht im Waschbecken mit laufendem Wasser gereinigt werden sollen.

Dazu wünschen sich auch die Arbeitsmediziner eine bessere Aufklärung. Es gibt immer noch Bereiche, da wird ein Wasserlack deshalb eingesetzt, um sich die Reparatur der Absauganlage zu sparen – oder dem Personal vorzugaukeln „ist ja Wasserlack“. Nachhaltiger wäre z.B. die bedarfsgerechte Menge zu produzieren und auch nur diese dem Kunden zu liefern. Dies war der Grund, weshalb ich Kaddi-Lack vor 25 Jahren gründete: alles ab 1 Liter.

Aber wie weit geht Nachhaltigkeit wirklich? Kann es uns als Branche passieren, dass man uns künftig mal die Frage stellt: „… verschwendet ihr wirklich das kostbare (Trink-)Wasser für eure Farben und Lacke? Das macht man aber doch mit Lösemittel …“

Sicherlich noch eine mutige These und viele wollen das nicht hören. Meine Antwort darauf ist, dass z.B. Wasserlacke keine lange Lagerstabilität haben. Da ist genau das Wasser das Problem. Lösemittelhaltige Lacke sind über Jahrzehnte lagerfähig – wenn man die Gebinde ab und zu schüttelt.  Auf Dauer wird es ähnlich sein, wie in der Getränkeindustrie. Da gibt es Mehrweg- und Einwegflaschen – und beides ist richtig.

Lesetipp

Der European Coatings Tech Report Water-borne Coatings bietet Ihnen alles, was Sie über den Übergang von lösemittelhaltigen zu wasserbasierten Lacken wissen müssen. Mit handverlesenen Inhalten aus dem European Coatings Journal und unseren Büchern sowie Videos von unseren Konferenzen, bietet der EC Tech Report einzigartige Einblicke, wie man die Erwartungen der Kunden und gleichzeitig die gesetzlichen Anforderungen erfüllen kann. Neben den Grundlagen wässriger Systeme werden in mehreren Fachartikeln auch spezielle Netz- und Dispergieradditive, rheologische Eigenschaften und biozidfreie Alternativen behandelt.

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