Fachkräftemangel in der Lackbranche: Den Nachwuchs nicht vergessen!

Eine der größten Herausforderungen für die Lackindustrie ist der allmähliche Verlust von Kernkompetenzen, insbesondere bei technischen Kenntnissen. Die Lackbranche braucht exzellente Mitarbeiter, oft wurde aber am Nachwuchs gespart.

Vor allem wenn am Nachwuchs gespart wird -

Über die letzten Jahrzehnte hat sich in der Lackindustrie ein gewaltiger struktureller Wandel vollzogen. Hersteller jeder Größe konzentrierten sich auf bestimmte Anwendungssegmente beschränkten in Folge dessen auch die Exzellenzbemühungen ihrer F&E-Abteilungen auf einen eng abgesteckten Bereich. Dadurch können die meisten Unternehmen heutzutage nicht mehr das breite Ausbildungsumfeld bieten, das in der Vergangenheit den umfassend geschulten, universell einsetzbaren Formulierungschemiker hervorbrachte.

Aufgrund von Kostendruck stellten Unternehmen manchmal über viele Jahre keine jungen Mitarbeiter mehr ein, insbesondere solche mit naturwissenschaftlichem Hintergrund, die Einstiegsgehälter erwarten, die ihren Investitionen in ihre Ausbildung angemessen sind.

Infolgedessen gibt es in vielen F&E-Abteilungen erhebliche Lücken beim Nachwuchs. Unternehmen bemühen sich, ältere Mitarbeiter zu halten, von deren Wissen und Erfahrung sie inzwischen abhängen. Dabei übergehen diese manchmal die nächsten Generationen, die bereitstehen, um Wissen und Verantwortung zu übernehmen. In einigen Fällen mussten Unternehmen feststellen, dass sie nicht mehr über das notwendige Wissen verfügen, um Kernprodukte zu überarbeiten, wenn Kundenanforderungen, regulatorische Bestimmungen oder Marktentwicklungen Änderungen unausweichlich machen.

Lackbranche nicht bekannt genug

Laut Schätzungen des europäischen Lackverbades CEPE beläuft sich der Einstellungsbedarf von Formulierungsunternehmen, Rohstofflieferanten und größeren Endwendern europaweit auf ungefähr 220 Formulierungschemiker pro Jahr. Einen Abschluss an einer der anerkannten Lackakademien in Europa erwerben nur etwa 100 Chemiker. Darüber hinaus steht die Beschichtungsindustrie beim Anwerben dieser Absolventen in Konkurrenz zu anderen Formulierungsbranchen wie z. B. Kosmetik.

Was der Nachwuchs in der Lackbranche erwartet

Wir stehen vor der Herausforderung, dass Beschichtungen im Bewusstsein junger Menschen, ob Schulabgänger, Universitätsabsolventen oder hochrangiger Akademiker, kaum eine Rolle spielen. Andere Bereiche wie Medizin und Pharma, die Umwelt oder Energie fallen den Chemieinteressierten eher ein.

Der neue Weg: am Menschen orientiert

Um für die potenziellen Mitarbeiter, die die Farben- und Lackindustrie braucht, eine attraktive Option darzustellen, muss die Branche Nachwuchskräfte, ihr Lernverhalten, ihre Karriereinteressen und -vorstellungen verstehen und sich danach ausrichten.

Der Nachwuchs erwartet heutzutage etwa, dass Informationen frei verfügbar sind, und sind bereit, sich diese selbst zu beschaffen, auch außerhalb ihres unmittelbaren Arbeitsplatzes. Sie wollen fachgebietsübergreifend Erfahrungen sammeln durch Mitarbeit an zeitlich befristeten Projekten wie auch in dauerhaften Anstellungen, in verschiedenen Branchen und bei verschiedenen Arbeitgebern. Sie erwarten nicht, dass sie die gesamte Erfahrung, die sie wollen oder brauchen, an einer Stelle erhalten.

Was für Arbeitsbedingungen möchten Nachwuchskräfte?

Junge Mitarbeiter sind offen dafür, sich über Unternehmens- und geografische Grenzen hinweg und auch generationenübergreifend zu vernetzen. Nach innen gewandte Unternehmen finden sie nicht attraktiv. Außerdem wissen sie, dass sie ihre Karriere selbst in die Hand nehmen müssen, und erwarten nicht, dass ihr Unternehmen ihnen einen geraden, kontinuierlichen Karrierepfad bietet – oder auch eine einzige feste Anstellung für ihr ganzes Leben. Es ergibt weder für Arbeitgeber noch für Arbeitnehmer einen Sinn, so zu tun, als bestehe auch nur für eine der beiden Seiten eine Verpflichtung für die gesamte Karriere. Aber dies heißt nicht, dass sich junge Mitarbeiter nicht voll und ganz für ihre Arbeit und ihren Arbeitgeber einsetzen und ein konsistentes, sicheres Umfeld nicht zu schätzen wissen, und Arbeitgeber sollten nicht davor zurückschrecken, in junge Leute zu investieren.

Nachwuchs will Probleme lösen

Die zentrale Frage ist, was Nachwuchskräfte antreibt. Junge Chemiker werden sich der Auswirkungen sowohl guter als auch schlechter Chemie auf unseren Planeten und unsere Lebensweise ganz von selbst bewusst. Das heißt, die Chance, zur Lösung von Problemen in ihrem Fachgebiet beizutragen, ist für sie eine große Motivation.


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Und natürlich das Geld. Hart erarbeitete Chemiekenntnisse werden im Vergleich mit den anderen Naturwissenschaften nur gering geschätzt. In der Lackbranche ist es kein Geheimnis, dass man am besten von der Technik zum Vertrieb oder von der Formulierung zu den Rohstoffen wechselt. Es ist also wichtig, fähige Wissenschaftler und Techniker gut zu bezahlen.

Doch es geht nicht nur ums Geld. Junge Menschen schätzen ein Arbeitsumfeld, das ihren Wertvorstellungen und ihrem Wunsch nach einer guten Work-Life-Balance gerecht wird. Das Rad muss nicht neu erfunden werden – Unternehmen müssen sich nur umsehen, was andere Branchen machen, die bei jungen Leuten beliebt sind.

Was sollten Unternehmen tun, um für junge Leute attraktiv zu werden?

In der Industrie ist es heutzutage gang und gäbe, dass sich Organisationen in Gruppen zusammenschließen, um gemeinsam an Entwicklungsprojekten zu arbeiten: Universitäten, Forschungsunternehmen, kleine Ablegerunternehmen, Lieferanten, Kunden, Konkurrenten, Regierungsorganisationen bringen ihre jeweiligen speziellen Ressourcen und ihr Fachwissen ein.

Eine solche Offenheit kann in wissensbasierten Unternehmen die Sorge aufkommen lassen, dass sie die Kontrolle über ihr geistiges Eigentum verlieren. Aber geistiges Eigentum beruht heutzutage weniger auf detaillierten Formulierungen als auf Know-how, Anwendungswissen, Kundenbeziehungen und der Fähigkeit, Probleme zu lösen. Nichts davon ist statisch und ein robustes Unternehmen ist eines, das von äußeren Einflüssen lernen und neue Methoden entwickeln kann.

Es ist wichtig, die Pläne des Unternehmens zu kommunizieren. Eine Strategie ist ein Entwurf für die Zukunft, nicht die Vergangenheit – es geht nicht darum, woher wir kommen, sondern wohin wir gehen. Eine Strategie, die in Form von zu lösenden Problemen und realistischen Änderungsplänen präsentiert wird, findet mehr Zustimmung als Zielwerte für Kennzahlen und verallgemeinerte Erwartungen.

Andrew Milton, In2Search und Surface Coatings Group der Royal Society of Chemistry

Dieser Artikel ist in einer ausführlicheren Version in der Januarausgabe der Farbe und Lack erschienen. Die gesamte Ausgabe steht auch digital zur Verfügung.


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