Die Logistik macht’s
Energie- und Gasversorgung, Konjunktur und die Verfügbarkeit von Produktionsmitteln: Unternehmen kämpfen mit vielen Unsicherheiten. Neben Herausforderungen in den Kernprozessen sind es allerdings zunehmend Turbulenzen im Lager und beim Transport, die Unternehmen zu schaffen machen. Zahlen des Ifo-Instituts bestätigen das: Fast drei Viertel (73,3 Prozent) der Unternehmen in Deutschland meldeten im Juli 2022 Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten. Als ein Kernproblem wird dabei die Logistik beschrieben.
Lager und Transport werden wachsende Herausforderungen
So überrascht es nicht, dass Logistikunternehmen ihre Kunden bereits auf höhere Kosten einstimmen. Zwar gehen die Frachtraten für den Luft- und Seetransport laut gängiger Indizes leicht zurück. Abseits dieser Bereiche ziehen die Transportkosten für den klassischen Straßentransport jedoch weiter an. Zusätzlich befinden sich die Kosten für Holz nach Höchstständen immer noch auf hohem Niveau, was Paletten-Aufwertungs-Prozesse verteuert. Auch die Kosten für Handling, Umladung und Zwischenlagerung steigen – unter anderem, weil Umschlagskapazitäten und Frachtraum knapper werden.
Hinzu kommen weitere Kostentreiber: Zum einen der Fahrer- und Personalmangel, denn den Logistikunternehmen steht immer weniger Personal zur Verfügung. Auch globale Krisen wie die anhaltende Corona-Pandemie führen zu angespannten Lieferketten. Steigende Diesel- und Energiekosten bekommen außerdem sämtliche Unternehmen zu spüren: So liegen die Dieselpreise nach Spitzenwerten im Jahr 2022 immer noch etwa 50% über dem langjährigen Niveau. Ähnliche Entwicklungen sind bei Strom- und Gas zu verzeichnen. Auf Branchen wie die Farb- und Lackindustrie, für die die Straße nach wie vor der wichtigste Transportweg ist, wirkt sich diese Entwicklung besonders aus.
Die genannten Preissteigerungen wurden von den Holz- und Palettenpreisen noch überschattet: Mit 189 Prozent von 2020 auf 2022 entspricht der Anstieg fast einer Verdopplung. Mittlerweise ist in diesem Markt allerdings wieder eine Entspannung der Situation eingetreten. Hier kommt ein weiteres Problem hinzu, mit dem Betriebe sich konfrontiert sehen: Mit den Preisen steigt auch der Bedarf nach fachgerechter Aufwertung defekter Paletten. Dadurch werden zwar die reinen Palettenkosten gesenkt, allerdings steigen die Transportkosten. Denn die Aufwertung wird zumeist von zertifizierten Reparaturbetrieben durchgeführt, die sich neben der Aufwertungsdienstleistung auch die Abholung und Rückführung der Paletten bezahlen lassen.
Einige Logistiker versuchen, im Verhältnis zu ihren Kunden Indexierungsmodelle einzuführen, um steigende Kosten weiterzugeben. Ein Beispiel für ein Indexierungsmodell ist der Diesel-Floater, der schon lange angewendet wird: Als variabler Kraftstoffzuschlag, der sich automatisch an die Kraftstoffpreisentwicklung anpasst, soll der Index schwankenden Dieselpreisen entgegenwirken. Hinzu kommen nun mittlerweile weitere Indizes wie Preisindizes für Schnittholz und Holzwerkstoffe für Holzpackmittel und Paletten, die der Bundesverband Holzpackmittel – Paletten – Exportverpackung (HPE) ermittelt, oder Energie-Floater, bei denen ergänzend Änderungen der Energiekosten z.B. im Lagerbetrieb ausgeglichen werden sollen.
Während all diese Faktoren Farben- und Lackbetriebe je nach Geschäftsmodell unterschiedlich hart treffen, haben sie eines gemein: Die Logistikkosten steigen für alle Unternehmen. Viele Einflüsse tragen zu dieser Entwicklung bei; auf die meisten Faktoren haben Betriebe nur wenig Einfluss. Organisationen müssen also so schnell wie möglich aktiv werden, um alle Möglichkeiten zu nutzen, ihre Kosten zu reduzieren. Hierzu zählt die konsequente Erhöhung der Auslastung ebenso wie eine bessere Steuerung des Frachtraums. Durch optimierte Prozesse, dynamische Liefersteuerungen und Optimierung von Packschemata lassen sich die Zahl der Fahrten reduzieren.
Ziel sämtlicher Lösungsansätze sollte das Erreichen einer resilienten, also widerstandsfähigen und robusten Lieferkette sein: Sie überwindet Störungen besser und erhöht so die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Bei der Betrachtung möglicher Lösungsansätze muss zwischen kurz- und langfristigem Vorgehen unterschieden werden.
Versorgung verbessern, Komplexitäten reduzieren
Zum kurzfristig umsetzbaren Umgang mit steigenden Kosten zählt die Identifikation kritischer Materialien durch eine Clusterung, die auf der aktuellen Versorgungssituation basiert und Waren identifiziert, auf welche die Beschaffung besonderes Augenmerk legen muss. In diesem Zuge ist zu prüfen, welche alternativen oder auch lokalen Beschaffungsquellen bestehen, um Beschaffungswege zu verkürzen, aber z.B. auch Paletten besser auszulasten.
Eine Änderung der Vergabestrukturen kann die Prozesse an die geänderten Rahmenbedingungen anpassen. Ließen sich am Spot-Markt in der Vergangenheit zumindest für ein Teilvolumen der Frachten noch gute Preise erzielen, rückt durch die genannten Faktoren die Verfügbarkeit von Frachtraum immer stärker in den Fokus der Kalkulationen. Aus diesem Grund ändern sich die Vergabestrukturen hin zu langfristigeren Verträgen mit einer Absicherung von Kapazitäten zu festgelegten Konditionen.
Weiteres Optimierungspotenzial bietet die Verknüpfung der Inbound- und Outbound-Logistik: Da die meisten Lieferanten in der näheren Umgebung eines Kunden liegen, lassen sich oft mit vergleichsweise geringem Aufwand transportkostenoptimale Rundläufer bilden. Werden Inbound- und Outbound-Logistik auch organisatorisch verknüpft und das Bestellverhalten im Einkauf an das Bestellverhalten der Kunden angepasst, lassen sich in der Folge Kosten deutlich senken.
Die Identifizierung der effizientesten Aufstellung
Langfristig spielen neben den genannten Entwicklungen der Verhältnisse zu Dienstleistern und Lieferanten auch Make-or-Buy-Entscheidungen eine wichtige Rolle: Also die Wahl zwischen Eigen- und Fremdfertigung. So kann je nach Marktlage der Einsatz eines Logistikdienstleisters, der eine Lagerhalle stellt und diese auch betreibt, die kosteneffizienteste Lösung sein. Gleichermaßen kann eine eigene – gekaufte oder gemietete – Lagerhalle, die durch einen Logistikdienstleister betrieben wird, zur Reduktion von Abhängigkeiten in einem schwierigen Marktumfeld führen. Letztlich kann selbst der vollständige Eigenbetrieb für manche Unternehmen die günstigste Lösung darstellen.
Hierbei sind vielfältige Einflüsse zu berücksichtigen. So spielt für die Entscheidung für oder gegen die eigene Umsetzung von Lager- und Transportlogistik mit eigenem Fuhrpark oder eigenem Lagerpersonal nicht nur die Unternehmensgröße eine Rolle. Lokal verfügbare Ressourcen (z.B. im Bereich der Gefahrgutlagerung), Personalaufwand und mögliche Synergieeffekte durch den Zusammenschluss mit anderen, auch branchenfremden Unternehmen gilt es ebenfalls zu berücksichtigen.
Auf die Ursachen für Unsicherheiten über die Entwicklung der Preise für Rohstoffe, Energie und Logistik haben Unternehmen keinen Einfluss. Doch mit den richtigen Maßnahmen können sie gezielt gegensteuern: Wer seine Lieferkette und den Einkauf systematisch untersucht, erhält Optimierungsmaßnahmen an die Hand, die in Zeiten steigender Kosten und wachsender Unsicherheiten zu einem langfristigen Wettbewerbsvorteil führen.
Zu den Autoren
Dennis Goetjes ist Partner der Höveler Holzmann Consulting, Düsseldorf (www.hoeveler-holzmann.com, Email: dennis.goetjes@hoeveler-holzmann.com) und auf umfassende Optimierungen im Bereich Supply Chain Management spezialisiert.
Prof. Dr. Matthias Lütke Entrup ist Partner Höveler Holzmann Consulting, Düsseldorf (Email: matthias.luetkeentrup@hoeveler-holzmann.com) und Professor für Operations Management an der International School of Management in Dortmund.