Interview: „Der Green Deal ist eine Chance für uns
Weshalb haben Sie ein Technikum eröffnet?
Dr. Lars Lücke: Es ist mittlerweile ein Standard als Rohstofflieferant über ein Technikum zu verfügen. Insbesondere bei den Konzernen ist dies der Fall. Da wollen wir als Mittelständler ein ähnliches Angebot liefern. Weiterhin ist unsere Produktionsware häufig eng verbunden mit Entwicklungen von Taylormade-Produkten. Hier gilt es unseren Kunden neben den Laborversuchsmustern auch ein schnelles Angebot für Versuche in deren Produktion anzubieten. Mit Hilfe des Technikums wollen wir unsere Prozesse weiterhin optimieren und den Schritt vom Labor hin zur Produktion beschleunigen.
Bisher konnten wir Formulierungen immer gut skalieren, aber auch hier haben wir Verbesserungspotenzial gesehen. Insbesondere bei Kleinstmengen und der Lohnfertigung wollen wir das Technikum nutzen. Hierzu haben wir Perlen- und Korbmühlen angeschafft, die zwischen 30 und 300 Kilo abdecken. Beim Technikum handelt es sich um eine Kompetenzerweiterung und es ist komplett in unsere bestehenden Prozesse integriert. Es handelt sich um keine riesige Investition im herkömmlichen Sinne, aber für uns ist es sehr wichtig über diesen Prozessschritt zu verfügen.
Welche Produkte stehen bei der Prozessoptimierung im Fokus?
Lücke: Wir haben neben Pulverpigmenten und -granulaten hauptsächlich Pigmentpräparationen im Programm. Präparationen sind demnach einer unserer Schwerpunkte in Recklinghausen.
Welche Anforderungen stellen Kunden an Pigmenthersteller?
Lücke: Was immer ganz oben steht ist die Qualität. Wir als Spezialisten in diesem Bereich müssen uns dafür verantwortlich fühlen mit wenigen Fachfragen geeignete Produkte für die jeweilige Anforderung zu finden. Eine sehr großes Vertrauen setzen die Kunden dementsprechend in unsere technisch ausgebildeten Verkäufer oder die Ansprechpartner aus dem technischen Marketing. Ein Trend ist derzeit die Lieferfähigkeit, die sich in den Anforderungen widerspiegelt. Aber auch Nachhaltigkeit ist zunehmend ein zentrales Thema. Wir stellen in Deutschland her und vertreiben hauptsächlich hier und in Europa. Kunden fragen immer häufiger nach dem CO2-Fußabdruck. Da sehen wir noch Potenziale für uns – insbesondere bei den Hauptverbrauchern Strom und Erdgas unsere CO2-Bilanz zu optimieren.
Wie bewerten Sie die aktuelle Versorgungslage mit Rohstoffen?
Lücke: Schwierigkeiten gibt es zwar überall, aber stärker bei Waren, die von Übersee kommen. „Buy local, buy regional“ ist ein Motto, welches uns derzeit bei den anorganischen Eisenoxiden hilft. Denn der Bedarf ist gigantisch, da es derzeit vermehrt zu Lieferschwierigkeiten aus China kommt. Der plötzlich gesteigerten Nachfrage Herr zu werden, fällt uns allerdings auch nicht immer einfach. Aber auch in schwierigen Zeiten liegt der Fokus in einer engen Kommunikation mit den Kunden. Schließlich ist es unsere Aufgabe, dass kein Kunde die Bänder stilllegen muss.
Wie bewerten Sie die aktuelle Lage im Pigmentmarkt?
Lücke: Auf der Seite der Rohstoffhersteller gibt es eine zunehmende Konsolidierung. Dies bringt natürlich eine weitere Facette der Wettbewerbssituation mit sich. Aber, wir sehen darin auch eine Chance für uns. Diese Firmen kümmern sich mehr und mehr um sich sowie Ihre Konsolidierung und reduzieren ihre Anwendungstechnik. Somit können wir uns in Nischen Wettbewerbsvorteile erarbeiten.
Ein ähnliches Bild sehen wir auch bei den großen Lackherstellern. Auch dort merkt man die Konsolidierung schon deutlich. Der Bedarf an Beratung ist jedoch weiterhin gegeben, häufig wird dieser aber nicht mehr zur vollen Zufriedenheit erfüllt. Hier sehen wir unsere Stärken, um Chancen zu ergreifen.
Welche Herausforderungen sehen Sie für Pigmenthersteller?
Lücke: Es gibt in allen Bereichen eine Verknappung. Alle Volumenpigmente haben einen hohen Bedarf. Lieferprobleme sind überall zu sehen, nicht nur bei uns. Das Preisniveau geht hoch. Dies ist mit dem Nachholeffekt von 2020 zu erklären. Dieser Trend wird sich vorerst auch nicht ändern. Die Segmente Dispersionsfarben und Bauindustrie, zum Beispiel, waren ziemlich stark in 2020.
In diesem Jahr sind die Zahlen zwar leicht rückgängig, aber immer noch stark und über dem Niveau von vor Corona. Eine ganz wesentliche Aufgabe in den vergangen und den zukünftigen Monaten ist die Abschätzung des tatsächlichen Bedarfes. Welche Rolle spielen die höher werden Preise bei der Bedarfssituation? Sind diese Bedarfssteigerungen nachhaltig oder nur der Nachholeffekt? Obwohl der Dezember meist schwächer ist, sehen wir aber selbst da schon deutlich mehr Bedarf als in den Vorjahren. Im Laufe von 2022 sollte sich das Level nivellieren, sofern keine weiteren Krisen aufkommen.
Wo sehen Sie Potenziale für Ihre Aktivitäten?
Lücke: Wir sind flexibel als Mittelstand. Wie zuvor angesprochen bilden die kleineren Produkte für uns Potenziale. Aber auch den Green Deal sehe ich als Chance für uns. In erster Linie bedeuten solche Regularien zwar Kosten für die Branche, wichtig ist aber zu schauen, inwiefern diese uns auch Wettbewerbsvorteile sichern können. Klimaneutralität ist ebenso ein großes Thema und gehört dort mit rein.
Bei der Digitalisierung ist auch noch viel Luft nach oben in der Branche. Auch wir generieren viele Daten, die wir sinnvoll nutzen müssen. Durch unser Technikum kommen sicherlich noch weitere Daten hinzu. Maschinen müssen daher besser mit Prozessen abgestimmt und vernetzt werden. Wir nutzen zwar schon seit mehreren Jahren ein modernes Prozessleitsystem, doch wurde die Priorität meist nicht auf die genaue Analyse der entstandenen Daten gelegt. Eine weitere Frage stellt sich auch im Hinblick auf den Umgang mit den digitalen Plattformen. Betreiben wir diese nur aus Interesse oder ist das ein Wettbewerb, den wir annehmen? Hier bieten sich sicherlich noch erhebliche Potenziale für uns und die gesamte Branche.