Biobasierte Beschichtungen: Teil 2 des Markberichts

Branchenexpert:innen teilen ihre Einschätzung des Marktes für biobasierte Beschichtungen in Bezug auf Marktanteil, Haupttreiber und Herausforderungen. Von Kirsten Wrede

Wie sieht es derzeit am Markt für biobasierte Beschichtungen aus?
Wie sieht es derzeit am Markt für biobasierte Beschichtungen aus? Quelle: fotoliaxrender - stock.adobe.com

Nachhaltigkeit und biobasierte Beschichtungen sind in der Branche in aller Munde. Die Verbraucher:innen fordern nachhaltige Produkte, und die Vorschriften werden immer strenger. Der Marktanteil biobasierter Systeme ist jedoch noch relativ gering. Um den Status quo besser zu verstehen, haben wir Expert:innen gefragt, wie sie den Markt für biobasierte Beschichtungen einschätzen, wo sie Wachstumspotenziale sehen und welche Faktoren einschränkend wirken.

Mehr als 160 Befragte, davon 42 % von Lackherstellern und 38 % von Rohstoffproduzenten, beteiligten sich im März 2024 an unserer Online-Umfrage, die einen validen Überblick über den Markt bietet. Zu den weiteren Befragten gehörten unter anderem Berater:innen und Vertriebsunternehmen. 40 % der Befragten arbeiten im Management, weitere 40  % in der Forschung und Entwicklung und 7 % im Labor.

Darüber hinaus haben wir renommierte Expert:innen aus Industrie und Wissenschaft um ihre Meinung gebeten:

  • Dr. Markus Lettau, F&E-Leiter, Auro
  • Eric Brouwer, Business Development Manager Coatings & Polymers, Cargill
  • Tom Vanheertum, Marketing Manager EMEA, Allnex
  • Dr. Berta Vega Sánchez, Head of Sales Automotive & Industrial Coatings, Covestro 
  • Ayowale Sotade Soyemi, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Coatings
  • Research Institute, Eastern Michigan University

Zu Teil 1 des Marktberichts geht es hier

Wichtigste Triebkräfte

Auf die Frage nach den wichtigsten Triebkräften für biobasierte Beschichtungen hielten sich der Europäische Green Deal und das wachsende Verbraucherinteresse mit jeweils 36 % die Waage. 18 % der Befragten wählten die Kreislaufwirtschaft. Andere nannten eine Kombination aus zwei oder drei Faktoren, nämlich Produktionskosten, Materialkosten und Verfügbarkeit.

Markus Lettau glaubt, dass die Kunden die Nachfrage nach biobasierten Beschichtungen wecken. „Auch kleinere Industrieunternehmen kommen jetzt auf uns zu und fragen nach speziellen biobasierten Lösungen. Vielleicht ist das der Schlüssel zur Steigerung des Marktanteils von biobasierten Lacken?“

Neben dem Interesse der Verbraucher nannten einige Teilnehmende an der Umfrage die Entscheidung von (großen) Beschichtungsanwendern wie IKEA, ihren Kunden einen verbesserten Fußabdruck zu präsentieren, als eine wichtige Triebkraft. 

Berta Vega Sánchez beobachtet eine robuste Nachfrage nach biobasierten Lacken in den DIY-Segmenten, wie z.B. Bautenanstrichmittel. „In den letzten Jahren haben jedoch auch die industriellen Sektoren, einschließlich der Holzbeschichtungen, eine zunehmende Dynamik bei der Einführung dieser nachhaltigen Lösungen erlebt.“

Eric Brouwer sagt, dass es dafür mehrere Gründe gibt: „Gesetzgebung, Verbraucherdruck und ein größeres Umweltbewusstsein auf der Herstellerseite in Kombination mit einer besseren Verfügbarkeit von biobasierten Rohstoffen.“

Marktsegmente

Das bei weitem größte Potenzial für biobasierte Beschichtungen wird im Bausegment (43 %) gesehen, gefolgt von Holz (29 %), der allgemeinen Industrie (10 %) und der Automobilindustrie (7 %), während Marine & Korrosionsschutz und Pulver jeweils nur 2 % ausmachen (Abb. 1c). 

„Da biobasierte Beschichtungen teurer sind als herkömmliche Beschichtungen“, nennt Eric Brouwer vor allem Sektoren, die die zusätzlichen Kosten auffangen können, aber auch Sektoren, in denen das Marketing eine Rolle spielt: Elektronik, dekorative/architektonische Beschichtungen und bis zu einem gewissen Grad die Automobilindustrie. „Dies sind wahrscheinlich die Märkte, die dem Verbraucher am nächsten sind und wo die Auswirkungen der Beschichtung auf die Nachhaltigkeit am deutlichsten sichtbar sind“, meint Tom Vanheertum. „Biobasierte Beschichtungen lassen sich relativ einfach vermarkten, während die Berücksichtigung der vollständigen Ökobilanz, der Massenbilanz, des Recyclings usw. einen besser informierten Kunden erfordert.“


Eventtipp

In den letzten Jahren ist verstärkt von Lackrohstoffen zu hören, die auf pflanzlichen Rohstoffen basieren und immer neue Anwendungsfelder erschließen. Es gibt inzwischen einen ersten Autolack, der biobasierte Rohstoffe enthält. Von fossilen auf biobasierte Rohstoffe umzusteigen, birgt aber einige Herausforderungen, die gemeistert werden wollen. So müssen erst einmal die richtigen Rohstoffe identifiziert werden – sei es Maisstärke, Palmöl oder bestenfalls sogar sekundäre Pflanzenabfälle -, die nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion stehen. Auch ist die Chemie der biobasierten Alternativen mitunter anders als bei klassischen fossilen Rohstoffen. Erhalten Sie in unserem FARBE UND LACK Seminar „Biobasierte Rohstoffe“ am 27. November 2024 Antworten auf die Fragen: Welche Rohstoffe können ganz oder teilweise mit biobasierten Alternativen ersetzt werden, ohne eine konkrete Marktübersicht zu geben? Wie kam man überhaupt auf welche Pflanzen? Wie werden die Rohstoffe hergestellt und heißt biobasiert auch umweltfreundlich?


Begrenzende Faktoren

Der wichtigste limitierende Faktor für biobasierte Beschichtungen ist der Preis – laut 45 % der Befragten, mit großem Abstand gefolgt von der Versorgung mit Rohstoffen (17 %), der Leistung (14 %), der Konkurrenz durch andere Branchen wie Lebens- und Futtermittel (8 %) und der gleichbleibenden Qualität der Rohstoffe (7 %).

Weitere genannte Faktoren waren:

  • Regulierung
  • Eine Kombination aus allen
  • Alle Farbenhersteller sind risikoscheu und sehen die geringen zusätzlichen Preiskosten als Hindernis statt als Chance
  • Fehlende Definition: kein klarer Standard, wettbewerbs- und preisgetrieben, mangelnde Motivation für Innovationen

Skalierbarkeit

Markus Lettau meint: „Die Hürden werden immer kleiner, da es immer mehr biobasierte Rohstoffe gibt, die für die Formulierung verwendet werden können. Der Preis der Rohstoffe wird der treibende Faktor sein, der einer weiteren, schnellen Expansion im Wege steht. Wir können nur hoffen, dass der Verbraucher stärker an einem Strang zieht und den Trend vorgibt. Wir können auch hoffen, dass biobasierte Rohstoffe preislich attraktiver werden.“

Eric Brouwer erwähnt die Verfügbarkeit von Drop-in-Alternativen zu petrobasierten Gegenmodellen, die Kosten und die Leistungsunterschiede zu petrobasierten Rohstoffen.

„Die Bioökonomie steht im Wettbewerb mit einer fossilen Lieferkette, die über Jahrzehnte hinweg akribisch optimiert wurde“, so Berta Vega Sánchez. „Im Bereich der Lieferketten für biobasierte Materialien, die sich noch in der Entwicklung befinden, kann es gelegentlich zu Versorgungsproblemen oder Preisschwankungen kommen, wenn die Nachfrage die Verfügbarkeit übersteigt“, fügt sie hinzu. Das größte Risiko liegt jedoch darin, dass diese Marktdynamik einige Unternehmen dazu veranlasst, eine vorsichtige ‚Abwartehaltung‘ einzunehmen, wodurch sich die Entwicklung der Lieferkette unbeabsichtigt verzögert.“

Tom Vanheertum weist darauf hin, dass es auf dem Markt die Tendenz zu geben scheint, alle Umweltprobleme der Welt auf einen Schlag zu lösen. „Obwohl es heute bessere Lösungen gibt, werden sie nicht umgesetzt. Als Industrie sollten wir pragmatisch sein und ein Gleichgewicht zwischen Aufwand und Wirkung herstellen, während wir eine Dynamik erzeugen.“

Forschung und Entwicklung

Offensichtlich mangelt es nicht an Kapazitäten für Forschung und Entwicklung im Bereich biobasierter Beschichtungen: Auf die Frage, ob ihr Unternehmen über ausreichende Kapazitäten für Forschung und Entwicklung im Bereich biobasierter Beschichtungen verfügt, antworteten 70 % der Befragten mit Ja, 30 % mit Nein.

Ayowale Sotade Soyemi ist der Ansicht, dass „die Entwicklung und Einführung biobasierter Beschichtungen auf mehrere anhaltende Herausforderungen stößt. An erster Stelle steht der Bedarf an kontinuierlicher Forschung, um die Leistung biobasierter Beschichtungen zu verbessern und sicherzustellen, dass sie die Wirksamkeit herkömmlicher Beschichtungen erreichen oder übertreffen.“ Und er fährt fort: „Skalierbarkeit und Kosteneffizienz stellen erhebliche Hürden dar und erfordern innovative Lösungen, um biobasierte Beschichtungen in großem Maßstab wirtschaftlich zu machen. Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber verschiedenen Umweltfaktoren, einschließlich Witterungseinflüssen und Korrosion, sind ständige Herausforderungen, die besondere Aufmerksamkeit erfordern.“

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