Bautenfarben: Überraschend gutes Jahr

Seit Jahren ist das Geschäft mit Bautenfarben und -lacken rückläufig. So sahen auch die Prognosen für 2020 trübe aus. Dann kam Corona dazu und Umstände für einen weiteren ­Rückschlag waren gegeben. Erstaunlicherweise entwickelt sich der Markt für die Branchenakteure nun ziemlich gut.

Bautenfarbe Wandfarbe
Die Coronapandemie hat unter anderem den DIY-Bereich gestärkt und den Markt für Innenwandfarben belebt. Foto: JenkoAtaman -stock.adobe.com

Im letzten Jahr lag der deutsche Markt für Bautenfarben ohne Putze und Spachtelmassen bei einer Größe von 657.000 Tonnen im Wert von 1,47 Mrd. EUR, wie die aktuellsten Zahlen des VdL und Chem Research zeigen.

63 % des gesamten Volumens an Bautenanstrichmittel (BAM) in Deutschland in 2019 entfielen auf Innenwandfarben und 17 % auf Fassadenfarben. Lacke (7 %) und Holzschutz (3 %) nahmen nur einen geringen Anteil an. Die übrigen 10 % verteilen sich auf die Rubrik Sonstige, zu der auch Grundierungen zählen.

2019 mit Rückgang, 2020 überraschend gut

Anfang des Jahres präsentierte der VdL auf der Wirtschaftspressekonferenz ein gewohntes Bild für Bautenanstrichmittel. Die leichten Rückgänge lagen mengenbezogen bei 1,1 % und reihen sich so in die Ergebnisse der Studie ein, die der Industrieverband gemeinsam mit Chem Research in 2018 veröffentlichte. Aus dieser Analyse ging hervor, dass der Markt für Bautenanstrichmittel (BAM) zwischen 2010 und 2017 volumenbezogen um 10 % zurückging. Daher waren die Aussichten für das Jahr 2020 auch nicht überschwänglich.

„Das Jahr verlief bisher wahnsinnig positiv. Der Markt hat sich so entwickelt, wie es im letzten Jahr gar nicht planbar war“, sagt Tobias Becker von der Meffert AG Farbwerke. Die Entwicklungen bezüglich der Corona-Pandemie im Februar, die im März in umfangreiche Kontaktbeschränkungen mündeten, ließen eher auf einen negativen Verlauf hindeuten. „Mitte April war aber klar, dass es keine negativen Folgen der Corona-Krise geben wird, sondern im Gegenteil, eine Sonderkonjunktur setzte besonders im DIY-Bereich ein“, wie Becker erklärt. Es habe zwar kleine Einschränkungen gegeben, wie etwa die geschlossenen Baumärkte in einigen Bundesländern, aber insgesamt hatten die Menschen wohl mehr Zeit, um zu renovieren oder ähnliche Malerarbeiten durchzuführen, sagt Becker. „Wir haben eine positive Umsatzentwicklung für dieses Jahr. Für das nächste Jahr lässt sich nur orakeln.“

 

Ein ähnliches Bild ergibt sich aus den Stimmen weiterer Branchenakteure. „Wir hatten für 2020 eine leicht rückläufige Nachfrage nach Bautenanstrichmitteln erwartet“, sagt Hans-Joerg von Rhade von Südwest Lacke + Farben. „Tatsächlich hat das erste Halbjahr allerdings mit einem signifikanten Plus abgeschlossen. Es ist durch die Corona-Krise zu einer deutlich erhöhten Nachfrage und entsprechender Anwendung gekommen. Als Gründe vermuten wir, dass viele Auftraggeber ebenso wie viele Verarbeiter statt in Urlaub zu fahren in Deutschland blieben. Wir sehen die erhöhte Nachfrage vor allem im Bereich der Renovierung.“

Für Herbert Leonhart von Maleco ist das erste Halbjahr ebenfalls sehr gut gelaufen. „Die außerordentlichen Umstände haben in unserer Branche zu Mehrbedarf geführt, der nach bisheriger Einschätzung nicht mehr im Laufe des Jahres negativ umschlagen wird. Die zusätzlichen Flächen sind effektiv on top bearbeitet worden. Nur neue, sozialistische Maßnahmen zur Mietpreisfestsetzung könnten die zu bearbeitenden Flächen verringern“, sagt Hebert Leonhart von Maleco.

„Während im Neubaubereich eine sinkende Nachfrage zu beobachten ist, verhält es sich bei Bestandsbauten eher umgekehrt, denn gerade die Sanierungs- und Renovierungsbereiche entwickeln sich positiv. Dies ist sicherlich auf das Handwerk zurückzuführen, dass für eine Stabilität in der deutschen Wirtschaft sorgt, da auf vielen Baustellen auch in Zeiten der Corona-Pandemie weitergearbeitet worden ist und auch die Auftragslage weiterhin als gut bezeichnet werden kann“, sagt Thomas Biermann von der Remmers Gruppe.

Auch Bernd Kanand von Diessner bewertet die Lage im Markt als stabil: „Durch die Pandemie ist der Absatz im Bereich Do-it-yourself und im Online-Handel enorm gestiegen. Das Handwerk durfte zum Glück weiterarbeiten, so dass wir im Profibereich keine Einbußen hatten.“ Aufgrund der negativen Konjunkturprognosen, die sämtliche Branchen einschließen, sieht der Berliner Farbenhersteller die Entwicklung in den kommenden Monaten als Herausforderung an. 

Wachstum für 2020 erwartet

Stefan Dreesmann von Chem Research sieht die Aussichten nach den jüngsten Entwicklungen auch positiv. „Für 2020 gehen wir von einem Wachstum des Gesamtmarktes aus, insbesondere der DIY-Markt legt deutlich zu. Bei den Produktsegmenten gewinnt dieses Jahr der Holzschutz überproportional.“ Derzeit halte der DIY-Bereich in Deutschland einen Anteil von 41 % – bezogen auf das Volumen – die übrigen 59 % werden dem Profibereich zugeordnet.

Herausforderungen für Bautenfarbenmarkt bleiben

Auch wenn sich der Absatz, entgegen vieler Annahmen zum Jahresanfang, deutlicher positiver entwickelt hat, blickt die Branche bei einigen Entwicklungen aber mit Sorge entgegen. Biermann identifiziert den Fachkräftemangel an erster Stelle, der aktuell in vielen Unternehmen zu beobachten ist.

Die Bewältigung technischer Regularien und Vorgaben sowie deren Umsetzung im Markt zählen zu den weiteren Herausforderungen für die Branchenkenner. Als Beispiele werden hier etwa Konservierungsstoffen sowie Titandioxid genannt und was noch in den kommenden Jahren kommen mag. „Die Verbraucherschutzrichtlinien sind oft gutgemeint, sie helfen aber nicht den Menschen in dem zu erwarteten Maße. Sie sorgen aber in der Industrie für einen Rattenschwanz an Arbeit“, gibt Tobias Becker von Meffert zu bedenken. Thomas Biermann von der Remmers Gruppe bemängelt ebenso die zunehmende Reglementierung von u.a. bioziden Wirkstoffen.

Keine Konservierungsstoffe mehr?

Auch Bernd Kanand von Diessner sieht hier erhebliche Herausforderungen auf die Branche zukommen: „Die größte Herausforderung für uns wird der europäische ‚Green Deal‘ sein. Wir werden uns von Konservierungsmitteln und Filmschutz auf Dauer verabschieden müssen. Auch die Einstufung von Titandioxid als krebserregend führt zu einer Veränderung der Branche. Die neue Verpackungsverordnung und der UFI Code kosten die Branche schlichtweg einige Millionen Euro Ertrag. Brüssel macht es uns nicht einfach“.

Aber auch die Rohstoffversorgung ist aktuell eine Herausforderung für die Farbenhersteller: „Eine Bedarfsplanung ist aufgrund der sehr volatilen und ungewissen Märkte herausfordernd. Verstärkt wird dies durch Kapazitätsbeschränkungen einiger Rohstoffe im nationalen als auch internationalen Bereich – oft verursacht durch Corona-Maßnahmen der Regierungen oder durch extreme Nachfrage konkurrierender Verwender wie beispielsweise im Bereich Desinfektionsmittel“, sagt Biermann.

Potenziale im Markt nutzen

In einem wettbewerbsintensiven Umfeld liegen aber auch Chancen für die Unternehmen. „Wir sind der Überzeugung, dass wir in Zukunft neue Kundengruppen über einen Multi-Channel-Vertrieb erreichen müssen. Auch durch Corona haben sich mehr Kunden an die digitalen Warenbeschaffungen gewöhnt“, betont Kanand.

Die größten produktseitigen Potenziale sieht Hans-Joerg von Rhade von Südwest Lacke + Farben bei wässrigen, nachhaltigen Systemen. Auch wenn es technisch gute Einsatzgründe für lösemittelhaltige Produkte gebe, so liege das Wachstumspotential vor allem bei wässrigen Produkten.

In eine ähnliche Richtung gehen die Aussagen Biermanns. Für ihn liegen die Potenziale im Sanierungs- und Renovierungsbereich von Eigenheimen und Wohnungen, da Bauherren insbesondere bei der energetischen Sanierung ihrer Immobilie von staatlichen Fördermaßnahmen und steuerlichen Entlastungen profitieren.

Spannend wird in Zukunft der mögliche Rohstoff-Einsatz aus nachwachsenden Quellen sein, sowohl in technischer, wie auch aus kalkulatorischer Sicht.“ Becker sieht insbesondere das derzeitige Potential von Produkten auf Basis nachwachsender Rohstoffe kritisch. Noch sei es der Industrie zu wenig gelungen, professionelle und private Verwender vom echten Nutzen solcher Lösungen zu überzeugen, was sich in überschaubaren Umsatzzahlen widerspiegeln würde.

Weitere Informationen

Eine ausführlichere Version dieses Artikels mit Zahlen zum europäischen Markt und einer Analyse der angespannten Wettbewerbssituation finden Sie in FARBE UND LACK 9/2020. Die Ausgabe steht auch digital in unserer Onlinebibliothek zur Verfügung.

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