Bautenfarben im Aufwind
Der Markt für Bautenfarben zeigt sich in der Pandemie als robust. Seit Beginn der Coronakrise haben sich viele Menschen in ihr Zuhause zurückgezogen, die eigenen vier Wände haben an Bedeutung gewonnen. Cocooning nennen Forscher den Trend, sich in Krisenzeiten das eigene Zuhause schön und behaglich zu machen. Profitiert hat der Markt sicherlich von einem geänderten oder angepassten Freizeitverhalten. Welchen Aktivitäten die Menschen in Deutschland in Corona-Zeiten besonders nachgehen, zeigt der aktuelle Freizeit-Monitor. In der Studie befragt das Marktforschungsinstitut GfK im Auftrag der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen repräsentativ mehr als 2.000 Menschen zwischen 18 und 74 Jahren zu ihrem Freizeitverhalten. Das Ergebnis zeigt, viele haben zu Hause gewerkelt, endlich die Küche gestrichen oder einen neuen Boden im Flur verlegt. Jede vierte befragte Person gab an, das eigene Heim aufgehübscht zu haben (25 %). Auf neue Do-it-yourself-Projekte haben sich noch mehr gestürzt (39 %). Diese Entwicklung ist jedoch nicht nur in Deutschland zu sehen. Die Bank of America befragte mehr als 1.000 US-Amerikaner zu ihren Einstellungen und Einkaufsgewohnheiten während der Pandemie, und sie fanden heraus, dass 70 % der Befragten in diesem Jahr Projekte zur Heimverschönerung in Angriff nahmen, wobei weitere Projekte bereits für 2021 geplant sind. Weltweit stehen die USA mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von Bautenfarben an erster Stelle. Mit 10,4 kg liegen sie deutlich über dem Durchschnitt in Kanada (7,8 kg) und der Europäischen Union (7,2 kg), laut dem Beratungsunternehmen Kusumgar, Nerlfi & Growney (KNG).
Wässrige Systeme haben in Europa und Nordamerika den höchsten Anteil im globalen Markt
Wasserbasierte Bautenfarben sind, laut KNG, seit zehn Jahren um etwa 80 %, gemessen am Volumen, gewachsen, verglichen mit einem Anstieg von 38 % für lösemittelbasierte Beschichtungen. Wasserbasierte Systeme sind in der EU und Nordamerika gut etabliert und wachsen in diesen Regionen mit einer stetigen Rate. In den Schwellenländern im asiatisch-pazifischen Raum ist die Durchdringung mit wasserbasierten Lacken jedoch geringer und wächst schneller. Eine prognostizierte jährliche Wachstumsrate von 6 % bis 2024 erheben die Marktforscher von KNG für wasserbasierte Beschichtungen, während lösemittelbasierte Beschichtungen nur mit einer jährlichen Rate von 3 % wachsen.
In der EU entfielen 93 % und in Nordamerika 90 % der Menge an Bautenfarben auf wässrige Systeme. Im asiatisch-pazifischen Raum machten wässrige Systeme 78 % des Volumens aus und in Russland nur etwa zwei Drittel der Menge.
Die Experten von KNG erwarten, dass sich dieser Trend weiterhin fortsetzt und der Anteil wässriger Systeme weiter steigen wird.
Globaler Markt soll bis 2024 jährlich wachsen
Den globalen Markt für Bautenfarben und -lacken schätzt KNG auf ein Volumen 26,1 Mio. Tonnen im Wert von 44,06 Mrd. EUR. Die Wachstumsprognosen liegen bei einem jährlichen Durschnitt von 4 %. Somit sollte der Markt bis 2024 auf ein Volumen von 32 Mio. Tonnen im Wert von 53,2 Mrd. EUR anwachsen. Das Beratungsunternehmen geht davon aus, dass ein Marktanteil von knapp 60 % sich auf 25 Unternehmen verteilt. Auf die Top 5, PPG, Sherwin-Williams, Akzo Nobel, Nippon Paint und Asian Paints, entfallen bereits mehr als 38 %.
Mit fast 11,7 Mio. Tonnen und 21,9 Mrd. USD ist die Region Asien-Pazifik der größte Markt für Bautenfarben und -lacke. Allein der chinesische Markt, mit 5,6 Mio. Tonnen, übersteigt das Volumen von ganz Europa (5,5 Mio. Tonnen) oder Nordamerika (4,1 Mio. Tonnen). In Asien-Pazifik verorten die Experten von KNG auch das größte Wachstum, mit 7 % im Durchschnitt pro Jahr. Die stärkste Wachstumsrate wird für Indien erwartet und soll bei 10 % liegen. Im Vergleich dazu sehen die Prognosen für Europa nicht so positiv aus. Hier wird nur von einem Wachstum von 1 % ausgegangen.
Rückenwind im letzten Jahr für die Hersteller
Dennoch bleiben Bautenfarbenhersteller aus Europa optimistisch. In Deutschland steigerte sich das Volumen aller Bautenanstrichmittel von 838.000 Tonnen in 2019 um satte 13 % auf 951.000 Tonnen in 2020, wie der VdL in seinen aktuellen Zahlen zum Markt mitteilt. Für 2021 prognostiziert der Branchenverband ein Produktionsvolumen von 846.000 Tonnen – was einen Rückgang von 11 % zu 2020 bedeuten würde. „In unserer Markteinschätzung für 2020 und 2021 gehen wir davon aus, dass es nach und nach zu Lockerungen des Lockdowns kommt, so dass es bereits wieder im 2. Quartal zu einem Wachstum der Gesamtwirtschaft kommt.“, sagt Christoph Maier vom VdL. An den Zahlen könne man erkennen, dass 2020 die Sonderkonjunktur im DIY-Sektor der Bautenfarben insgesamt mengenmäßig noch zu einem Anstieg der Produktion von Lacken und Farben und auch des Verbrauchs in Deutschland geführt hat. „Zwei Drittel der in Deutschland verbrauchten Lacke und Farben sind Bautenfarben, die stark rückläufige Industrie fällt hier also weniger stark ins Gewicht. Im laufenden Jahr 2021 tritt der umgekehrte Effekt ein. Mengenmäßig ist ein gewisser Rückgang zu erwarten, da sich die Nachfrage nach Bautenfarben wieder auf das normale Niveau einpendeln wird – wertmäßig ist aufgrund der wieder ansteigenden Nachfrage nach höherpreisigen Industrielacken mit einem Anstieg der Umsätze zu rechnen“, erlklärt Maier.
Aber auch aus den anderen Regionen des Kontinents klingt das Fazit zum vergangenen Jahr positiv. „Der aktuelle britische Markt für Bautenfarben hat im Jahr 2020 einen Wachstumsschub erlebt, und wir erwarten, dass sich das auch im Jahr 2021 fortsetzen wird. Die zahlreichen Schließungen in ganz Großbritannien führten dazu, dass private Verbraucher in dieser Zeit Dekor- und Bautenfarben für Arbeiten an und in ihren Häusern kauften. Der Lockdown führte auch dazu, dass größere Unternehmen Projekte zur Auffrischung ihrer Immobilien in Angriff nahmen, während sie geschlossen waren“ erklärt Stephen Dyson vom britischen Unternehmen HMG Paints. Die Entwicklung im britischen Markt zeigte sich 2020 positiv. Im ersten Halbjahr 2020 wuchs der Markt mit Bauten- und Dekorfarben um 3 %. Im zweiten Halbjahr nahm der Markt aber Fahrt auf und wuchs um 15 %, was laut dem britischen Lackverband BCF für ein Plus von 10 % für das gesamte Jahr gesorgt hat. Dieses Segment macht 65 % des britischen Lackmarktes aus, der ein Volumen von etwa 675 Mio. Litern geschätzt wird.
Auf dem irischen Markt ergab sich ein nahezu identisches Bild. Die Nachfrage im Jahr 2020 war um 10-15 % höher als es üblicherweise der Fall ist, da die aufeinanderfolgenden Lockdowns die DIY- sowie Renovierungs- und Instandhaltungsaktivitäten erhöhten, berichtet Rachel O‘Connor vom irischen Farbenhersteller General Paints. „Seit dem 1. Januar 2021 ist Irland in die tiefsten Restriktionen der Stufe 5 eingetreten, mit einer Unterbrechung aller nicht notwendiger Bauarbeiten. Dadurch hat sich die Aktivität im Markt erheblich verlangsamt. Es ist schwer, das Ausmaß zu quantifizieren, aber wir erwarten ein negatives erstes Quartal 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2020“, sagt O‘Connor.
In den Kernmärkten des dänischen Farbenherstellers Flügger, Dänemark, Norwegen, Polen und Schweden, ergibt sich ein ähnliches Bild. „Die Covid-19-Pandemie hat uns Rückenwind verschafft und den Umsatz gesteigert, vor allem in Dänemark und Schweden, wo die Kunden zunehmend Heimwerkerprojekte etc. in Angriff genommen haben“, sagt Jimmi Mortensen von Flügger.
Markt wird wettbewerbsintensiver
Auf dem britischen Markt zeigte sich laut Dyson, dass einige größere Akteure Schwierigkeiten hatten Farben zu liefern und die Nachfrage zu bedienen. „Mit der zusätzlichen Komplexität des Brexit werden Marken, die außerhalb Großbritanniens produziert und importiert werden, voraussichtlich einen starken Anstieg der Transportkosten erleben. Dies wird zu Preissteigerungen führen wird“, sagt Dyson. Einen wettbewerbsintensiven Markt identifiziert auch Mortensen: „Der aktuelle Markt für Bautenfarben scheint sich zu konsolidieren. In Nordeuropa erleben wir, dass die Akteure in einem ziemlich stagnierenden Markt um Marktanteile konkurrieren, während wir Wachstum aus Osteuropa erwarten.“ Rohstoffknappheit und steigende Preise bleiben laut O‘Connor die größten Herausforderungen. „Außerdem hat der Brexit die viel versprochenen Verzögerungen und Verwirrungen gebracht, man ahnt, dass es fast das ganze Jahr 2021 dauern wird, bis sich das Thema erledigt hat. Wir sind sehr zuversichtlich, dass die normale Nachfrage nach Farben wiedereinsetzt, sobald wir den Sommer erreicht haben und die Impfstoffeinführung die Aufhebung der Beschränkungen ermöglicht hat“, prognostiziert sie.
Für Mortensen stehen professionelle Maler zunehmend vor der Herausforderung, in immer kürzerer Zeit großartige Ergebnisse zu liefern. Daher glaube er, dass die Hersteller von Bautenfarben und -lacken sich zu Lösungsanbietern entwickeln müssen. „Anstatt nur Hersteller von Farbe zu sein, und den Kunden innovative Produkte etc. anzubieten, müssen Bautenfarbenhersteller auch digitale Lösungen entwickelt und angeboten, die den Kunden helfen können, ihre Effizienz im gesamten Arbeitsprozess weiter zu steigern.“
Nachhaltigkeit und Transparenz in Bezug auf den CO2-Bilanz, nachhaltige Lösungen seien auf dem Vormarsch. Laut Mortensen erwarten Kunden, Investoren, und Regierungen von Unternehmen und Konzernen zunehmend, dass sie mehr Verantwortung übernehmen und es ihnen nur wirtschaftlich gut geht, sondern auch Gutes tun. „Es gibt ein großes Potenzial für Hersteller von Bautenfarben und-lacken, nicht nur die Vorschriften einzuhalten, sondern sich weiter zu engagieren – vielleicht sogar in Partnerschaften – um über die Einhaltung der Vorschriften hinauszugehen und an der Entwicklung nachhaltiger Produkte, Verpackungen und Lösungen zu arbeiten, von denen die Kunden und die gesamte Branche profitieren könnten“, ist sich Mortensen sicher. Für O‘Connor gibt es einen großen Spielraum für Farbenhersteller, um den Markttrends gerecht zu werden. Sie bezieht dies auf die Online-Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen, die zunehmende Betonung von nachhaltigen Produkten und die Übernahme von mehr Verantwortung durch Unternehmen, um höhere ESG-Standards zu erfüllen. „Wir müssen auch die Botschaft vermitteln, dass Farben einen großen Nutzen für unser Leben und unsere Umwelt haben“, betont sie.