Autolack: Wie Deutschland die Farbe verlor
Manchmal sieht man sie auf Deutschlands Straßen, Orange-Töne die aufgrund ihrer Effektpigmente ins Rötliche wegdriften. Oder Autofarben mit intensiv gelb-grünen Effekten, die sich deutlich von herkömmlichen grünen Farben unterscheiden. Oder es handelt sich um Rottöne, die aufgrund eines gefärbten Klarlackes an Brillanz und Tiefe gewinnen.
Grau, Weiß und Schwarz dominieren
Diese Exoten fallen besonders deswegen auf, weil die Farbwelt um sie herum zu über 75 % aus unbunten Tönen wie Weiß, Schwarz und Silber (Grau) besteht. Am Anfang der Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) sah die Welt der Farben noch komplett anders aus: Gelbe, rote, grüne und blaue Autofarben dominierten neben Orange die Zulassungszahlen im Jahre 1978. Dabei handelte es sich um biedere, aber intensive Buntfarben ohne Effekt.
Die freiwillige Verpflichtung der Industrie, auf schwermetallhaltige Pigmente aus Gründen des Umweltschutzes und der Arbeitssicherheit zu verzichten, führte zu einem deutlichen Rückgang bunter Farben im Straßenverkehr. So sackte der Anteil gelber Fahrzeuge von 1978 mit 17.1% auf unter 10% der Gesamtzulassungen innerhalb von sechs Jahren ab. Ähnlich erging es den grünen Farben, die oft mit gelben Buntpigmenten ins Gelbliche „aufgehübscht“ waren. Auch Orange verlor deutlich und führt heute nur noch ein Schattendasein.
Die 80er Jahre: Deutschland wird dunkel
Moderne Autolacke können spannende Effekte hervorrufen. (Foto. Werner Rudolf Cramer)
Schon Anfang der achtziger Jahre zeichnete sich eine Entwicklung zu unbunten Farben ab: Die Zahl der schwarzen Fahrzeuge stieg stark an, ebenso wie die Zahlen weißer und grauer Fahrzeuge. Zu erwähnen ist, dass das KBA nur Farbbereiche unterscheidet und nicht, ob es sich um eine reine Buntfarbe (Uni) oder eine Effektfarbe mit Aluminium- und/oder Interferenzpigment handelt. Die meisten als grau klassifizierten Fahrzeuge sind in der Realität silbern. Auch Beige-Metallic wird beispielsweise zu Gelb gezählt.
Es ist das Jahr 1987, das einen deutlichen Wandel bei den Autofarben markiert: Erstmals werden mehr unbunte Farben wie Schwarz, Weiss und Silber (Grau) als bunte Farben zugelassen. Die Anteile änderten sich noch einmal zugunsten der bunten Farben Anfang der neunziger Jahre, danach stieg der Anteil der unbunten Farben immer weiter an. Heute liegt das Verhältnis unbunter zu bunten Farben bei etwa 3,4 zu 1.
Neue Lacktechnik und Pigmente
Fragt man nach den Hintergründen für diese Entwicklungen, so stellt man ganz unterschiedliche Ursachen fest. Zum einen sind es lacktechnische Entwicklungen – gemeint sind die Lacke und deren Applikationsverfahren -, zum anderen gab es Entwicklungen auf dem Pigmentsektor. Als dritter Aspekt kommen fahrzeugtechnische Entwicklungen hinzu.
Früher glaubte man, dass sich schwarze Autos wegen der Farbe stark im Sommer aufheizen würden. Heute besitzen die meisten Autos eine Klimaanlage, die diesen Nachteil – auch den von schrägen Windschutzscheiben – wieder wettmachen. Der vierte Aspekt beschreibt den soziologischen und finanziellen Einfluss. Heutzutage nehmen etwa vornehmlich Leasingfirmen über den Wiederverkaufswert auf die Farbwahl beim Autokauf Einfluss. Ein orangefarbenes Fahrzeug hat einen deutlich niedrigeren Wiederverkaufswert als ein unbuntes. Bei letzterem muß man auch nicht „Farbe bekennen“, denn Weiß, Silber oder Schwarz paßt immer und man kann mit der Wahl nichts „falsch machen“.
Mehr Effektfarben dank 2-Schicht-Lack
Die Einführung und Umstellung auf 2-Schicht-Lackierungen – Basislack plus darüber liegendem Klarlack – hat zu einer drastischen Erhöhung des Anteils von Effektfarben geführt. Während Metallicfarben schon länger angeboten wurden, wurden Perleffekt-Farben erstmalig 1985 im Markt eingeführt. Danach wurden diese Pigmente mit Buntpigmenten gemischt und als Serienfarben mit klangvollen Namen wie Perleffekt, Perlcolor oder Mineraleffekt offeriert.
Wer zu etwas selteneren Farben greift hat die Chance aufzufallen. (Foto. Werner Rudolf Cramer)
Das führte zu dem erwähnten Anstieg der bunten Fahrzeuge Anfang der neunziger Jahre bei den Neuzulassungen. Danach wurden Lackformulierungen mit Bunt-, Aluminium- und Interferenzpigmenten entwickelt. Obwohl Aluminiumpigmente den Effekt „stören“ können, hat sich diese Art der Lackformulierung durchgesetzt und auch farblich ausgewirkt.
Trendfarbe Braun setzt sich nicht durch
Vor wenigen Jahren wurde Braun als neue Trendfarbe deklariert. Tatsächlich konnte dieser Farbbereich einen kleinen Anteil an den Neuzulassungen erobern. Allerdings waren und sind die angebotenen Brauntöne sehr inhomogen, d.h. man keine einheitlichen Stylings erkennen. Inzwischen nimmt der Anteil brauner Fahrzeuge immer weiter ab; man kann erwarten, dass der Anteil wieder unter 1% der Neuzulassungen fällt. Und bei den geringen Anteilen ist es schwer auszumachen, wohin sich die Anteile von Braun verschieben. Sehr wahrscheinlich dienen sie den unbunten Farben und sorgen bei diesen für weiteren Zuwachs.
Deutschland könnte bunter werden
Bunt könnte die Farbwelt auf den Straßen werden, entsprechende Pigmente sind vorhanden. Nur der Wille beim Autokäufer muss noch da sein. Und das gilt weltweit. In Deutschland und Europa oder in den USA und China sieht man fast überall ein ähnliches Farbbild.
Zum Autor: Werner Rudolf Cramer studierte Chemie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Er ist als freier Berater und Fachjournalist tätig. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich der Effektpigmente, ihrem Mischverhalten und ihrer Farbmessung.