Angespannter Pigmentmarkt: Steigende Auflagen und Kosten im Fokus

Der Pigmentmarkt befindet sich in einer schwierigen Phase. Marktforschungsunternehmen weisen in ihren Studien zwar auf Wachstum hin, die von der Redaktion der FARBE UND LACK befragten Branchenteilnehmer:innen bleiben in ihren Einschätzungen der aktuellen Lage und in ihren Prognosen jedoch zurückhaltend. Insbesondere die immer strengeren Vorschriften und die hohen Energiekosten bereiten den Pigmentherstellern weiterhin Sorgen. Von Damir Gagro

Strengere Vorschriften und hohe Energiekosten setzen die Pigmenthersteller zunehmend unter Druck. Quelle: Paul - adobe.stock.com

Das Marktforschungsunternehmen Markets and Markets prognostiziert für den weltweiten Pigmentmarkt bis 2029 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 4,5 %. Das Marktvolumen würde von rund 15,4 Milliarden Euro auf über 19 Milliarden Euro steigen. Auch Ceresana prognostiziert einen Anstieg der Nachfrage. Diese soll bis 2032 weltweit auf über 14,5 Mio. Tonnen steigen.

Nicht ganz so positiv blicken die Branchenteilnehmer:innen in die Zukunft. „18 Monate lang hatte die Industrie mit schwachem Bedarf zu kämpfen. Anfang dieses Jahres schien sich dann eine Trendwende anzudeuten, einige Hersteller von Farben und Lacken gaben positive Signale. Dies scheint sich aber inzwischen wieder abgeschwächt zu haben. Damit stellt sich der Markt aus meiner Sicht stabil auf niedrigem Niveau dar,“ sagt Axel Schneider von CG Pigment Europe. Die allgemeine politische und wirtschaftliche Lage sei sehr volatil und führe zu einer angespannten Situation, so Andreas Dyckerhoff von der Bruchsaler Farbenfabrik.

Die Nachfrage nach Pigmenten sei schleppend, vor allem in Deutschland und Europa. Hier stagniere das Geschäft. „Wie wir von Marktbegleitenden gehört haben, war das erste Halbjahr nur außerhalb Europas zufriedenstellender. Nun zeigt sich aber auch eine Abschwächung mit Beginn des zweiten Halbjahres. Eine Trendwende ist bislang nicht wirklich zu erkennen,“ sagt Dyckerhoff. Der Pigmentmarkt im asiatisch-pazifischen Raum wächst laut Markets and Markets robust und soll bis 2029 der am schnellsten wachsende Markt sein. Zu den Wachstumstreibern zählen die rasche Industrialisierung und Urbanisierung der Region, steigende Investitionen in die Infrastruktur sowie die expandierende Automobil-, Bau- und Verpackungsindustrie. Darüber hinaus haben die wachsende Mittelschicht und ihr steigendes verfügbares Einkommen die Nachfrage nach Konsumgütern erhöht, was wiederum den Bedarf an Pigmenten in Produkten wie Farben, Lacken, Kunststoffen und Druckfarben steigert.


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Geopolitische Spannungen führen zu höheren Kosten und
Herausforderungen in der Lieferkette

Geopolitische Spannungen bleiben ein grundsätzliches Risiko für die Lieferketten von Eisenoxidpigmenten aus asiatischen Produktionsstätten, so Stefano Bartolucci von Lanxess.
Hinzu kommt, dass die Containerschifffahrt auf den Routen durch das Rote Meer und den Panamakanal derzeit beeinträchtigt ist, was zu Verzögerungen bei den Lieferungen von und nach Asien führt.

Die Transportkosten von China nach Europa und Nordamerika sind laut Bartolucci stark gestiegen. Schneider stimmt dem zu: „Die geopolitischen Entwicklungen schaffen Hindernisse, die im wahrsten Sinne des Wortes umschifft werden müssen.Der Pigmentmarkt wird weitgehend durch Produkte aus China und Indien gedeckt, die nach Europa verschifft werden müssen. Die Probleme im Roten Meer haben dazu geführt, dass die Reedereien den Suezkanal meiden und die große Runde um Afrika machen. Das kostet Zeit und Geld und führt zu Verzögerungen in der Lieferkette. Anbieter wie Lanxess, die über ein globales Produktionsnetzwerk mit regionalen Vertriebsstrukturen verfügen, bieten den Farben- und Lackherstellern den Vorteil, dass sie die Auswirkungen regionaler Abhängigkeiten in der Lieferkette minimieren können.

Bartolucci gibt jedoch zu bedenken: „Eine solche Produktionsstruktur bedeutet für den Lieferanten auch eine andere Kostenstruktur, bei der regionale Faktoren wie höhere Energiekosten in Europa berücksichtigt werden müssen. Stefan Ohren von Heubach sieht die Pigmenthersteller unter dem Druck steigender Rohstoffpreise und Überkapazitäten am Markt, was zu einer sehr schwierigen Marktsituation führe. Der Trend zum regionalen oder lokalen Einkauf werde sich fortsetzen, da die globale Logistik unter Druck stehe, weshalb eine starke europäische Präsenz von größter Bedeutung sei. Grundsätzlich sieht Dr. Lars Lücke von Harold Scholz bereits eine verstärkte Nachfrage nach Rohstoffen aus Europa. „Die Verbraucher:innen in der DACH-Region wollen sich nicht ausschließlich auf Lieferanten aus Fernost verlassen, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen der letzten zweieinhalb Jahre“, sagt er.

Natürlich müssten EU-Pigmente qualitativ und kommerziell konkurrenzfähig bleiben, aber die Verbrauchende wüssten auch, dass sie mittel- und langfristig Hersteller in der EU brauchen. Dennoch ist sich Lücke sicher, dass indische Pigmenthersteller in naher Zukunft Marktanteile in der EU gewinnen werden.


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Bauindistrie als Hauptabnehmer schwächelt

Auch Ohren schätzt die aktuelle Situation auf dem Pigmentmarkt und insbesondere in der Farben- und Lackindustrie als sehr schwierig ein. „Die Marktnachfrage ist im Vergleich zu den Mengen, die wir Anfang der 2020er Jahre gesehen haben, um einen zweistelligen Prozentsatz zurückgegangen“, sagt Ohren. Den zweistelligen Rückgang bestätigt auch Bartolucci. Die weltweite Nachfrage nach synthetischen Eisenoxidpigmenten für Beschichtungsanwendungen wird aufgrund der Schwäche der Bauindustrie und der Konsumzurückhaltung im Do-it-yourself-Sektor bis 2023 um etwa 10 % zurückgehen und sich dann auf diesem Niveau stabilisieren. Lücke bestätigt den Rückgang in der Bauindustrie: „Im Bereich der Bautenanstrichmittel ist die konjunkturelle Abkühlung durch hohe Zinsen und ein hohes Preisniveau für Immobilien deutlich zu spüren“. Der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt für die Pigmentindustrie ist der Anwendungsbereich Farben und Lacke, in dem derzeit rund 5 Mio. Tonnen Pigmente pro Jahr verbraucht werden, wie Ceresana in der aktuellen Marktstudie berichtet. Davon entfallen allein rund 2,5 Mio. Tonnen auf Innen- und Fassadenfarben für die Bauindustrie.

Situation im europäischen Markt bleibt schwierig

Nachdem die Hersteller ihre Lagerbestände abgebaut haben, rechnet Bartolucci für 2024 mit einer leichten Erholung in der EMEA-Region. Zudem würden die Kunde:innen aufgrund der aktuellen Unsicherheiten in den globalen Lieferketten ihre Lager kurzfristig wieder auffüllen. Lücke blickt verhalten optimistisch auf den Markt. Die konjunkturelle Entwicklung in Europa zeige leicht nach oben, aber es gebe immer noch Unsicherheiten in der Lieferkette, insbesondere bei organischen Pigmenten. Er hofft, dass sich der positive Konjunkturtrend fortsetzt. „Wir brauchen konjunkturellen Rückenwind, um am Markt zu bestehen und gleichzeitig die Transformation der chemischen Industrie hin zur Klimaneutralität zu schaffen“, sagt Lücke. Für Schneider hat die lange Zeit der Marktschwäche langsam aber sicher zu einem Abbau der Lagerbestände geführt. Sobald der Markt wieder anziehe, müssten die Pipelines auf allen Produktionsstufen erst wieder gefüllt werden. Dies könne punktuell sogar zu Engpässen führen. „Die Endverbraucher:innen haben die Inflation dank üppiger Lohnerhöhungen langsam überwunden. Daher sollte sich bald ein Aufwärtstrend entwickeln können“, sagt Schneider. Mittelfristig rechnet er mit einer robusten Erholung des Farben- und Lackmarktes. Wie lange der Weg dorthin sein wird, sei allerdings schwer abzuschätzen.

Insbesondere für Europa erwarten Ohren und Dyckerhoff keine Trendwende. „Ausgehend von den jüngst veröffentlichten ifo-Geschäftsklimaindizes erwarten wir keinen Rückenwind aus der europäischen Makroökonomie, insbesondere der Wert für die deutsche Bauwirtschaft ist auf den niedrigsten Indexstand seit 2015 gefallen“, so Ohren. Die Stimmung sei derzeit schlecht, so Dyckerhoff. Die Bauwirtschaft zum Beispiel sei am Boden. Neben der angespannten wirtschaftlichen Lage habe die Pigmentindustrie mit viel Bürokratie zu kämpfen. „Es gibt Restriktionen, Regulierungen und immer neue Zulassungsverfahren. Wenn das so weitergeht, auch in diesem Tempo, sehe ich mittelfristig den Mittelstand in Gefahr. Das will sich keiner mehr antun und die Abwanderung der Pigmentindustrie aus Deutschland und der EU wäre die Folge“, warnt Dyckerhoff. Neben den hohen Kosten in Deutschland und der EU bereitet ihm vor allem der EU Green Deal Sorgen und hinterlässt große Fragezeichen. Er fragt sich, ob KMU die Anforderungen überhaupt erfüllen und in einem solchen Umfeld wettbewerbsfähig bleiben können. „Jedes Risiko und jede Herausforderung bietet aber auch Chancen. Diese gilt es zu erkennen und zu nutzen. Als mittelständisches Familienunternehmen sehen wir unseren Vorteil in der Flexibilität, die es uns erlaubt, schnell auf neue Anforderungen des Marktes zu reagieren“, ist er zuversichtlich.

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