Aktive akademische Nachwuchsgewinnung
Von Marion Steinhart, hubergroup
Bei der Suche nach gut ausgebildeten Fachkräften verlässt sich die hubergroup seit einiger Zeit nicht mehr nur auf das klassische Rekrutierungsmittel der Stellenanzeige. Das Familienunternehmen hat damit begonnen, gezielt an Universitäten nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu suchen.
„Es ist zunehmend zu einer wichtigen Aufgabe im Rahmen unserer Nachwuchsförderung geworden, die High Potentials an den Universitäten davon zu überzeugen, dass wir umfangreiche Karrieremöglichkeiten bieten“, erklärt Silke Cuny, Leiterin des Product Development Sheetfed und zusammen mit Personalreferentin Marion Kastl, Ansprechpartnerin bei der hubergroup Deutschland für das Projekt Hochschulmarketing. „Die Studenten, die das Unternehmen im Rahmen einer Abschlussarbeit oder während eines Praktikums kennengelernt haben, wissen, wie vielseitig das Angebot für Absolventen ist.“
Die Chemiebranche ist beliebt – doch nicht immer passt die Chemie
Auf den ersten Blick kann es nicht der Mangel an Nachwuchs sein, weswegen sich die Entscheider in der Human-Resources-Abteilung für diese Form des langfristigen Recruitments entschieden haben. Denn Studierende in den unterschiedlichen Fachrichtungen der Chemie gibt es eigentlich genügend. Im Jahr 2016 verzeichneten die 54 Universitäten und technischen Hochschulen in Deutschland 7019 Studienanfänger, dazu kamen 2039 Beginner an den 25 Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Ein Examen im Studiengang Chemie legten im selben Jahr knapp 7000 Absolventen ab, davon 2484 als Bachelor, 2297 als Master und 2028 mit einer Promotion.* Allerdings nehmen nur rund 30 Prozent der frisch an der Universität promovierten Chemiker einen Arbeitsplatz in der chemischen oder pharmazeutischen Industrie ein. Der Rest geht in die übrige Wirtschaft, an ein Forschungsinstitut oder in den Öffentlichen Dienst, studiert weiter, macht sich selbstständig oder geht ins Ausland. Von den Master-Absolventen treten sogar nur acht Prozent direkt ins Berufsleben ein, 84 Prozent streben die Promotion an.
Ein bisschen positiver sehen die Zahlen bei den Absolventen der Fachrichtungen Chemie und Chemieingenieurswesen an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften aus. Hier treten immerhin 28 Prozent der Bachelor- und 71 Prozent der Master-Absolventen direkt ins Berufsleben ein. In reinen Zahlen abgebildet, handelt es sich trotzdem nur um wenige hundert Absolventen, die in der chemischen Industrie ihre Karriere starten. An diesen Zahlen gemessen, ist die Auswahl unter den potentiellen Nachwuchskräften für Unternehmen der chemischen Industrie eben doch eingeschränkt.
Wichtigster Grund für die frühe Kontaktaufnahme ist jedoch vor allem der Wunsch, ein fundiertes Netzwerk aufzubauen, um bei Bedarf den genau passenden Kandidaten zu finden. „Wir wollen unsere Mitarbeiter langfristig binden, aufbauen und entwickeln“, sagt HR-Expertin Marion Kastl. „Und je früher wir Kontakte zu potentiellen Bewerbern knüpfen, umso eher gelingt es uns, dass beide Seiten zufrieden sind, weil sie wissen, worauf sie sich einlassen, und umso eher werden wir als möglicher Arbeitgeber wahrgenommen.“ Als selbstverständlich betrachtet sie, dass Werkstudenten, Praktikanten und an Projekten arbeitende Studenten für ihre Zeit und ihren Einsatz vernünftig vergütet werden. „Eine Sicherung des Lebensunterhalts schafft den nötigen Freiraum, um sich auf die anstehenden Projekte zu konzentrieren.“
Chemiker finden ein breites Anwendungsgebiet vor
Mehr als 1000 Mitarbeiter sind an den deutschen Standorten in Kirchheim bei München, Celle und Berlin beschäftigt, europaweit sind es 1700 Mitarbeiter. „Wir sind zum einen regional verwurzelt und zum anderen nach und nach zu einer weltweiten Gruppe mit 40 Unternehmen gewachsen. Viele unserer Angestellten weisen eine sehr lange Betriebszugehörigkeit auf, manche arbeiten bereits in der zweiten oder dritten Generation bei uns“, ergänzt Marion Kastl. Ein global einheitliches Technologiemanagement ist garantiert, ob nun in Deutschland oder in Italien produziert wird. Sehr wichtig in diesem Zusammenhang ist hubergroup Indien, das seit 2006 zur Gruppe gehört und die Rückwärtsintegration sichert. Silke Cuny erläutert die Kooperation: „Wir produzieren in Indien einen Großteil unserer Rohstoffe selbst und stellen eigene Pigmente her, damit decken wir die gesamte physikalische, chemische und verfahrenstechnische Wertschöpfungskette ab. Das bedeutet ein breites Anwendungsgebiet.“ Neben Pigmenten zählen Pigmentpräparationen, Harze, Präpolymere, Wachse und Füllstoffe zum Portfolio an Ausgangsmaterialien, mit denen der Druckfarbenhersteller aus Indien versorgt wird.
„Die Chance für Innovationen und für die Entwicklung eigener Qualitäten ist hoch und das Potential bisher noch nicht voll erschlossen“, weiß Silke Cuny. Die chemische und technische Forschung und Entwicklung bietet zahlreiche Entfaltungsmöglichkeiten für den Nachwuchs mit entsprechender Ausrichtung. Die Parallelität von wissenschaftlicher Ebene und Anwendungsnähe, die bei einem Druckfarbenhersteller gegeben ist, ist von besonderem Reiz. Da das Einsatzgebiet beim Druckfarbenhersteller so breit ist, werden nicht nur Studierende der Fachrichtungen Chemie und Materialwissenschaften, Chemieingenieurwesen oder Chemische Verfahrenstechnik angesprochen, sondern auch die zukünftigen Experten aus Technik- und Werkstoffkunde, Drucktechnik oder Design- und Medientechnik.
Hochschulpaten sichern den beiderseitigen Kontakt
Eine der wesentlichen Maßnahmen im Rahmen des Hochschulmarketings der hubergroup sind die Hochschulpaten: Ausgesuchte Mitarbeiter an zentralen Positionen im Unternehmen, die Kontakt zu ihrer ehemaligen Universität oder Hochschule aufgenommen haben. Sie stehen den Studierenden und dem Lehrpersonal als erste Kontaktperson zur Verfügung. Das Unternehmen profitiert, indem es seine Produkte, Märkte und Produktionsabläufe in Vorträgen präsentieren und sich als attraktiver Arbeitgeber darstellen kann. Im Gegenzug erhalten die Studenten einen exklusiven Einblick in die chemische Industrie und einen Überblick über Praktikumsangebote, Möglichkeiten einer Abschlussarbeit oder sogar die Option auf ein Stipendium. Eine spätere Bewerbung dieser Zielgruppe auf einen ausgeschriebenen Arbeitsplatz lässt sich viel genauer einschätzen, wenn der Bewerber bereits bekannt ist und möglicherweise sogar schon im Unternehmen gearbeitet hat.
Auch die Studierenden sind daran interessiert, möglichst früh im Studium Kontakt zur Industrie aufzunehmen, um mögliche Arbeitgeber auszumachen. Als Praktikant oder während der Bearbeitung einer Abschlussthesis erhalten sie einen sehr genauen Einblick in die Unternehmenskultur und die sich bietenden Möglichkeiten. „Es lohnt sich für beide Seiten“, urteilt Silke Cuny. „Das Unternehmen erhält wertvollen Input aus der aktuellen Forschung und Lehre, die Studierenden und Absolventen erhalten fundierte Unterstützung beim Start in den Beruf.“
Hochschulmarketing ist kein Werkzeug, dessen Effekte bereits nach kurzer Zeit sichtbar werden. Geduld und Sorgfalt sind wesentliche Voraussetzungen. Es geht darum, Kontakte zu knüpfen und ein Netzwerk aufzubauen, Vertrauen zu schaffen, Zeit bereitzustellen und in Menschen zu investieren. Die positiven Resultate ergeben sich erst mittel- bis langfristig, doch das Ergebnis ist ein Gewinn für alle Beteiligten.
Was bringt Hochschulmarketing klein- und mittelständischen Unternehmen?
- Bekanntheitsgrad als Arbeitgeber wird gesteigert
- Aufbau eines positiven Arbeitgeberimages
- Berufsorientierung der Studierenden wird beeinflusst
- Mehr und passgenauere Initiativbewerbungen von Studenten der Universitäten und Hochschulen
- Wettbewerbsvorteile im „War of Talents“
- Vergleichsweise wenig kostenintensive Rekrutierung von hochqualifiziertem Fach- und Führungspersonal
* Die Quelle aller statistischen Daten ist die GDCh. Weitere Zahlen des Verbandes zum Chemiestudium finden Sie hier.