Thermische Konservierung statt Biozideinsatz?
Topfkonservierungsmittel, auch als Gebindekonservierungsmittel bezeichnet, sind Biozidprodukte, die unter anderem dem Schutz von Farben und Lacken in Behältern vor mikrobieller Schädigung während der Lagerung dienen. Aufgrund potenzieller gesundheitlicher Gefahren stehen sie aktuell unter starkem Druck durch Verbote und regulatorische Einschränkungen.
Am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA wird zurzeit in der Abteilung Beschichtungssystem- und Lackiertechnik ein Forschungsprojekt zur thermischen Konservierung von Bautenfarben und entsprechenden Bindemitteldispersionen vorbereitet.
Innenwandfarbe | Bindemitteldispersion | |||||
125-130 °C, 30 min | 125-130 °C, 60 min | 140-144 °C, 15 min | 125-130 °C, 30 min | 125-130 °C, 60 min | 140-144 °C, 15 min | |
luftdichter Verschluss | ja | ja | ja | ja | nein („Überkochen“) | ja |
Zustand | In Ordnung bzw. aufrührbar | In Ordnung bzw. aufrührbar | In Ordnung bzw. aufrührbar | In Ordnung | kleiner Gelanteil, Hauptmenge In Ordnung | kleiner Gelanteil, Hauptmenge In Ordnung |
Verstreichbarkeit | ja | ja | ja | – | – | – |
Mindestfilmbildetemperatur | – | – | – | unverändert | unverändert | unverändert |
Viskosität/ Fließkurve | fast unverändert | fast unverändert | fast unverändert | teilweise geringfügig erhöht | fast unverändert | fast unverändert |
Abb. 1: Versuchsergebnisse im Sterilisator. Die Angaben stehen jeweils im Vergleich zum thermisch unbelasteten Ausgangsmuster. |
Erste Versuche zu thermischer Konservierung
Vorversuche mit einer im Handel erhältlichen weißen Innenwandfarbe und einer entsprechenden Styrol-Acrylat-Copolymerdispersion unter Einsatz eines Autoklavs, eines sogenannten Sterilisators, haben dabei überraschend positive Resultate ergeben. Entsprechende Versuche mittels Mikrowelle (125 °C, 300 W, 15 min) waren dagegen nicht erfolgreich; Farbe und Dispersion sind dabei vollständig vergelt.
Abb. 2: Beispiele für die praktisch unveränderte Mindestfilmbildetemperatur der Bindemitteldispersion mit und ohne thermische Belastung (0 = unbelastet, 1 h / 125 °C (zweimal aufgezogen) sowie 15 min / 140 °C). |
Diese Vorversuche zeigten, dass eine thermische Haltbarmachung von Dispersionsfarben und entsprechenden Bindemitteln vielversprechend ist: Zumindest für kleine Gebindegrößen könnte dies künftig eine Alternative zum Einsatz von Topfkonservierern darstellen.
Abb. 3: Beispiele für die nahezu unveränderten Fließkurven der Dispersionsfarbe nach thermischer Belastung (Proben aus verschiedenen Einmachgefäßen; alle 125 °C, 30 min) und ohne thermische Belastung (blaue Kurve) |
Thermische Belastbarkeit testen
Weiterführende Untersuchungen sollen nun die Grenzen der thermischen Belastbarkeit in Abhängigkeit von der chemischen Zusammensetzung, die biologische Haltbarkeit von thermisch konservierten, biozidfreien Dispersionsfarben und die anwendungstechnischen Eigenschaften der thermisch konservierten Materialien im Vergleich zu den unbehandelten Pendants beinhalten.
Ein entsprechendes Kooperationsprojekt, für das noch Partner gesucht werden, wird am Fraunhofer IPA vorbereitet. Interessenten können sich beim fachlichen Ansprechpartner Dr. Norbert Pietschmann (norbert.pietschmann@ipa.fraunhofer.de)
Buchtipp
Das Fachbuch „Microbicides in Coatings“ gibt Lesern einen umfassenden Einblick in die Wirkungsweise und Anwendungsgebiete von Bioziden in der Oberflächentechnik. Dabei geht das Buch sowohl auf chemische als auch biologische Aspekte ein.