Superklebstoff aus Darmbakterien

Wissenschaftler haben Stämme des Darmbakteriums Escherichia Coli so umprogrammiert, dass mithilfe der Bakterien der biologische Unterwasserklebstoff von Miesmuscheln produziert werden kann.

Miesmuscheln als Vorbild für den Superkleber. Quelle: TU Berlin/PR/Tobias Rosenberg -

Dadurch ergeben sich lang ersehnte Möglichkeiten zum Kleben von gebrochenen Knochen oder Zähnen, die wieder zusammenwachsen könnten. Das kürzlich zum Patent angemeldete Verfahren von Forschern der TU Berlin ist in der Fachzeitschrift ChemBioChem beschrieben worden.

Miesmuscheln und ihr Superkleber

Miesmuscheln leben hauptsächlich in den Gezeiten- und Schelfbereichen der Meere. Dort müssen sie den starken Strömungen und dem Salzwasser standhalten. Sie benutzen einen Superkleber, um sich am Meeresboden festhalten zu können. Dieser muss auch noch bei Niedrigwasser funktionieren, wenn Muschelbänke nicht mehr von Wasser bedeckt sind. Mithilfe dieses Klebers kann sich die lebende Muschel beinahe an allen Oberflächen festhalten. An ihrem Fuß scheidet sie Fäden aus, die aus einem Proteinkleber bestehen. Der wichtigste Bestandteil dieses Proteinklebers ist die Aminosäure 3,4-Dihydroxyphenylalanin, kurz „DOPA“ genannt.

Licht löst Klebeeigenschaften aus

„Um diese Muschelproteine herzustellen, benutzen wir Darmbakterien, die wir umprogrammiert haben“, erläutert ein Forscher das Verfahren in einem Video. Als erstes wird dazu in Escherichia coli ein spezielles Enzym eingeführt, das aus dem Bakterium Methanocaldococcus jannaschii gewonnen und verändert wurde. Anschließend wird das veränderte Darmbakterium mit der Aminosäure ONB-DOPA (ortho-Nitrobenzyl-DOPA) gefüttert. Im ONB-DOPA sind die für die starke Klebewirkung verantwortlichen Dihydroxyphenyl-Gruppen geschützt. Das ist ähnlich wie bei einem Aufkleber, dessen Selbstklebefläche mit einer Schutzfolie versehen ist. Das umprogrammierte Bakterium baut nun diese ‚mit Schutzfolie versehene‘ Aminosäure in Proteine ein, und man erhält ein Haftprotein, dessen Klebestellen noch geschützt sind. Erst nachdem das geschützte Haftprotein aus den Bakterien herausgelöst und gereinigt worden ist, werden die Schutzgruppen mithilfe von Licht einer bestimmten Wellenlänge (365 nm) entfernt. Das Haftprotein verliert dadurch – bildlich gesprochen – seine Schutzfolie, seine Klebestellen werden aktiviert, und das Protein kann zielgerichtet als Klebstoff verwendet werden.

Von der Idee zum Produkt

Die Herstellung oder Anreicherung von Muschel-Haft-Proteinen ist bisher nicht befriedigend gelöst: Die Isolierung dieser Bio-Leime aus Muscheln und anderen natürlichen Quellen ist ineffizient und teuer. So lassen sich aus 10.000 Miesmuscheln nur 1 bis 2 Gramm dieses Superklebers gewinnen. Hinzu kommt, dass das Klebstoff-Protein aus Muscheln nicht homogen gewonnen werden kann. Jede Charge ist unterschiedlich. Auch dass das Haft-Protein der Miesmuschel wegen seiner guten Klebeeigenschaften quasi sofort verwendet werden müsste, ist ein Nachteil. Das neue Verfahren kann zu erheblichen Verbesserungen führen: eine Erhöhung der Ausbeute, die Vermeidung von Tierleid, ein homogeneres Produkt, dessen Klebeeigenschaften angeschaltet werden können.

Ausgründung geplant

Zwei Wissenschaftler wollen sich mit dieser umweltfreundlichen Idee ausgründen. „Diese Strategie bietet neue Wege zur Herstellung von DOPA-basierten Nassklebstoffen für die Anwendung in Industrie und Biomedizin mit dem Potential, Knochenchirurgie und Wundheilung zu revolutionieren“, davon sind Christian Schipp und Dr. Matthias Hauf überzeugt. Zur Verwirklichung ihrer Geschäftsidee wollen sie Labore des „Inkulab“ nutzen, dem Ausgründungslabor des Exzellenzclusters UniCat an der TU Berlin.

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