Neuer Graffitischutz lässt Wasserdampf passieren

Im Schutz der Dunkelheit schreitet ein Graffiti-Sprayer zur Tat und gnadenlos frisst sich die pechschwarze Farbe ins Mauerwerk. Und auf der makellosen Fassade prangt ein Werk für die Ewigkeit. Ein neuer Lackrohstoff soll nun speziell für architektonische Substrate langlebigen Graffitischutz bringen.

Dank der neuen Siliconbeschichtung sollen ein Schwamm und kaltes Wasser genügen -

„Etwa einen Millimeter tief können die Farben in poröses Mauerwerk eindringen“, sagt Prof. Dr. Helmut Weber, Gründer des Kompetenzzentrums Bautenschutz und Bausanierung GmbH in Ebersberg bei München. „In rauen Sandsteinoberflächen kann sich der Sprühlack regelrecht festkrallen und ist sehr schwer zu entfernen“, weiß der Bausachverständige. Nur mit viel Wasser, versetzt mit speziellen Chemikalien und einem Hochdruckreiniger lässt sich das Graffiti entfernen.

Hohe Schäden durch Graffiti

Jahr für Jahr richten Graffiti-Attacken und wildes Plakatieren an öffentlichen Gebäuden, Brücken, Unterführungen und Hauswänden große Schäden an. Die Beseitigung ist nicht nur aufwändig und teuer. Die Bauwerke verlieren dadurch auch an Wert. Um Graffiti und Poster zu entfernen, fallen allein in Deutschland jedes Jahr schätzungsweise Kosten von über 500 Millionen Euro an.

„Sprühlacke werden immer günstiger und sind für jedermann erschwinglich. Deswegen stehen Technologien, die Bauwerke langfristig vor Graffiti und Co schützen, heutzutage mehr denn je im Fokus“, erklärt Marianne Kreuzpointner, Marketing-Expertin Bauchemikalien bei Wacker in Burghausen.

Barriere und Oberflächenspannung

In den USA bietet das Unternehmen bereits ein Produkt für diesen Zweck an. Gemeinsam mit Kollegen aus der Forschung hat Anwendungstechniker Hartmut Ackermann die Technologie weiter verbessert. „Wie die meisten Anti-Graffiti-Systeme bildet auch unser neues Produkt auf dem zu schützenden Untergrund einen durchgehenden Film, der als Barriere zwischen Untergrund und aufgesprühter Farbe fungiert“, sagt Ackermann. „Das Graffiti kann auf dem Silicon keine dauerhafte Haftung aufbauen und lässt sich somit mit kaltem Wasser und einem Tuch oder mittels Hochdruckreiniger entfernen“, erklärt der Chemiker. Dass Graffiti so schlecht auf dem Siliconfilm haften, liegt an der besonders geringen Oberflächenspannung des Silicons.

Anti-Graffiti Mittel

Das hochviskose Anti-Graffiti-Mittel wird vor dem Auftrag mit einem Lösemittel verdünnt. Wirkstoffge¬halt, Viskosität und Farbton lassen sich einstellen. (Foto: Wacker Chemie AG)

Wie gut das funktioniert, belegen Tests in der oberbayerischen Stadt Burghausen. Dort wurde eine Radwegunterführung mit dem neuen Graffitischutz behandelt. „Wir haben bewusst eine Betonwand ausgewählt, die immer wieder mit Graffiti besprüht wird“, sagt Bauhofleiter Albert Günthner. Bei der Reinigung der 20 m² großen Testfläche konnte sich der Beamte von der Wirksamkeit des Graffitischutzes überzeugen. „Früher mussten wir einen Sandstrahler verwenden, um die Betonwände wieder sauber zu bekommen, weil die Farben so tief eindringen. Mit dem neuen Anti-Graffiti-Schutz reicht ein Hochdruckreiniger mit kaltem Wasser völlig aus“, lobt Günthner.

Klare und pigmentierte Anstriche möglich

Das hochviskose Wirkstoffkonzentrat sollte vor dem Auftrag mit einem Lösemittel verdünnt werden. „Hersteller von Bautenschutzmitteln können auch Pigmente hinzugeben, sodass bunte Anstriche möglich sind“, sagt Kreuzpointner. Wirkstoffgehalt, Viskosität und Farbton lassen sich frei einstellen. Auch die Anwendung ist denkbar einfach: Der Graffitischutz wird entweder aufgepinselt, aufgerollt oder gesprüht. Die Farben des Untergrundes sollen durch den Schutzfilm etwas intensiver wirken, da die Oberfläche bekommt einen leicht glänzenden Touch erhält.

Der Anstrich haftet besonders auf mineralischen Untergründen wie Beton, Ziegel, Putz, Marmor oder Kalkstein. Wird eine spezielle Grundierung verwendet, lassen sich auch Glas oder Metall schützen. Unter dem Einfluss von Luftfeuchtigkeit härtet der Film von außen nach innen aus. Die Silicone verbinden sich dabei kovalent mit den mineralischen Komponenten des Untergrundes. Zudem vernetzen sich die Silicone auch untereinander zu einer stabilen und elastischen Schutzschicht.

Schneller Schutz vor Graffiti

Unter Normalbedingungen härtet die Schutzschicht in zwei bis vier Stunden soweit aus, dass die Oberfläche klebfrei ist. Nach sechs Stunden ist sie so fest, dass sie bereits gereinigt werden kann. „Der Schutzfilm ist etwa 0,2 mm dick und lässt sich um bis zu 160 % dehnen, bevor er reißt. Risse und Unebenheiten lassen sich dadurch effektiv überbrücken“, erklärt Bautenschutzexperte Ackermann.

Nach Angaben von Wacker haben Tests gezeigt, dass der Anti-Graffiti-Film auch nach 20-maliger Reinigung noch neuwertig wirkt. Das Unternehmen geht deshalb davon aus, dass die Graffitiprophylaxe – je nach Häufigkeit der Sprühattacken – Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte hält. „Um eine zuverlässige Anti-Graffiti-Wirkung zu erzielen, reichen 200 bis 250 Gramm unseres Siliconprodukts pro Quadratmeter“, erklärt Kreuzpointner. „Dennoch ist der aufgetragene Film wasserdampfdurchlässig und damit wesentlich atmungsaktiver als Polyurethanbeschichtungen, die ebenfalls als permanenter Anti-Graffiti-Schutz eingesetzt werden“, sagt die Mitarbeiterin von Wacker.

Schutz vor Mikroorganismen

Siliconbeschichtung Mauer

Silicone haben den Vorteil, dass sie atmungsaktiv sind. Auf diese Weise kann sich im Mauerwerk keine Feuchtigkeit und damit auch kein Schimmel bilden. (Foto: Wacker Chemie AG)

Für den Bausachverständigen Prof. Weber ist das ein wichtiges Kriterium: „Gerade bei grobporigen Baumaterialien wie Sandstein darf der Feuchtetransport nicht behindert werden, weil es sonst zur Bildung von Mikroorganismen kommt oder Teile der Oberfläche abplatzen können.“ Seit vielen Jahren entwickelt der Chemiker und ehemalige Wacker-Mitarbeiter als unabhängiger Gutachter Konzepte zur Instandhaltung von Gebäuden.

„Die Graffiti-Prophylaxe spielt eine immer größere Rolle – gerade wenn es um Natursteine geht. Diese Oberflächen sind unbehandelt sehr empfindlich und leiden massiv unter häufigen Reinigungsmaßnahmen“, sagt Weber. „Durch geeignete Schutzmaßnahmen lassen sich Gebäude dauerhaft aufwerten. Deswegen berücksichtigen wir in unseren Konzepten auch den Anti-Graffiti-Schutz immer häufiger.“

Ob mit Anti-Graffiti-Schutz oder ohne – wichtig ist vor allem eines: Ungewollte Schmierereien, Plakate und Co. sollten möglichst rasch entfernt werden. Denn sobald ein Gebäude verschandelt ist, lassen Nachahmer nicht lange auf sich warten.

Event-Tipp:

Um Beschichtungen und Bauchemie geht es auch auf der Farbe und Lack Konferenz Mineralische Bindemittel und Zusatzstoffe am 27 und 28 November. Auch innovative Silane, Silcone und Polymere werden dort Thema sein.

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