Interview: „Strengere Vorschriften gelten generell als Innovationstreiber
Frau Jung, was sind aus Ihrer Sicht derzeit die größten Herausforderungen in der UV-Härtung?
Die größten Herausforderungen sehe ich in dem kontinuierlich zunehmenden Druck durch die Regularien bei den HSE-Themen (HSE: Health, Safety, Environment). Also all die zunehmenden Anforderungen, die aus REACH, Swiss Ordinance etc. und Brand Owners kommen. Dies bietet gleichzeitig Raum für neue Innovationen und Neuerungen für die UV-Technologie.
Eine weitere Herausforderung ist die Verfügbarkeit von Rohstoffen. Getrieben von starker Nachfrage und positiven wirtschaftlichen Entwicklungen in allen Regionen ebenso wie der Verknappung an Rohstoffen.
Manche Branchenteilnehmer beklagen, die Regulierung stehle so viel Zeit, dass kaum noch Zeit für Innovation bestehe.
Strengere Regularien und Verknappung von Rohstoffen gelten generell als Treiber für Innovationen. Die schnelle Anpassung der bestehenden Formulierungen an neue Voraussetzungen bindet viele Ressourcen. Wenn jedoch die Formulierungen schnell den neuen regularischen Anforderungen genügen, bedeutet dies auch eine Chance für Wettbewerbsvorteile.
Tunja Jung arbeitet als Teamleiterin bei BASF in der Business Unit Bindemittel und Additive. Sie ist außerdem als Referentin für das Seminar „UV-Härtung“ im November tätig.
Die mit den Anpassungen verbunden Kosten müssen in Zukunft vermehrt von der Wertschöpfungskette bis hin zum Verbraucher mitgetragen werden, damit Freiraum für grundlegendere Innovationen geschaffen werden können. Auf der anderen Seite kann Anpassung bestehender Formulierungen auch Innovationen bedeuten, wenn gleichzeitig zusätzliche Eigenschaften wie erhöhte Chemikalienbeständigkeit etc. erzielt werden. Diese Situation gilt nicht nur für Lack- oder Druckfarbenhersteller, sondern auch für uns als Rohstoffhersteller.
Welche Themen schränken Sie dabei konkret ein?
REACH ist natürlich ein ganz großes Thema. Die Registrierungsphase ist abgeschlossen und nun läuft die Evaluationsphase der Produkte. Und mit jeder Prüfung kann eine neue Situation hinsichtlich der Kennzeichnung von Produkten entstehen, auf die man sich einstellen muss, um neue Chancen auch zu nutzen.
Ist das eigentlich nur in Europa Thema?
Das europäische und amerikanische Chemikalienrecht ist sicherlich sehr stark und nehmen damit eine Vorreiterrolle ein. Jedoch ziehen die anderen Länder insbesondere in Asien nach, was sich in den nächsten Jahren weiter auswirken wird.
Kommen wir zu einem anderen Thema, wie nah arbeiten Sie mit den Herstellern von Strahlungsquellen zusammen?
Wir haben Lampen von verschiedenen Herstellern bei uns vor Ort, seien es LED- oder Quecksilberdampflampen. Und wir sind in einem regelmäßigen Austausch, um eine technologischen Austausch zwischen Lampentechnik und Chemie zu fördern. Im LED-Bereich ist die Zusammenarbeit derzeit sicher etwas intensiver, da sich dieses Feld schneller entwickelt.
Beim Thema Innovationen und Strahlenhärtung ist natürlich auch das Thema Dual-Cure wichtig. Wie sehen Sie diese Technologie?
Die Frage ist, was genau man unter Dual-Cure versteht. In erster Näherung verstehen wir darunter den UV-Härtungsmechanismus und dazu einen zweiten anderen Mechanismus, der meist thermisch ausgelöst wird. Dabei bleibt der radikalisch induzierte UV-Härtungsmechanismus gleich. Der thermisch ausgelöste Mechanismus kann zum Beispiel auch radikalisch mit Peroxid durchgeführt werden. Jedoch kann auch Polyisocyanat genutzt werden, um eine Polyurethanvernetzung zu erhalten oder ganz andere Kombinationen zu nutzen. Die ersten beiden Kombinationen sind meiner Erfahrung nach die häufigsten.
Beim Thema Dual-Cure erhalten Sie in der Regel eine Kombination der Eigenschaften aus beiden Systemen. Das bedeutet weniger einen Synergieeffekt, sondern eher einen Durchschnittseffekt aus beiden Technologien. Aber mit Dual-Cure können die Nachteile von Strahlenhärtung kompensiert werden, etwa die mangelnde Härtung bei sehr dicken pigmentierten Schichten oder bei der Schattenhärtung.
Dual-Cure wird im Grunde in allen Anwendungsfällen genutzt, egal ob es die Möbel-, Fußboden- Automobilindustrie ist. Zwar ist Dual-Cure etwas teurer, wenn es aber darum geht, die genannten Schwachstellen auszugleichen, ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis im positiven Bereich.
Worin sehen Sie grundsätzlich die Hauptvorteile der UV-Härtung?
Die UV-Härtung ist eine hoch effiziente Härtungstechnologie und hat ein unbestechliches Preis-Leistungsverhältnis, insbesondere bei der Betrachtung des gesamten Produktionsprozesses. Vor allem dann, wenn es darum geht, kratzfeste und chemikalienbeständige Oberflächen zu erhalten und dabei eine hohe Produktionsgeschwindigkeit zu gewährleisten. Das macht diese Technologie auch für neue Anwendungsfälle interessant, wie etwa den Digital- oder den 3D-Druck.
Ein weiteres innovatives Anwendungsgebiet ist auch die Aushärtung von Lacken auf dreidimensionalen Objekten. Das ist eine besondere Herausforderung für UV-Lacke, weil der Abstand und Winkel zwischen UV-Lampe und Lackoberfläche variiert. Um dies auszugleichen und eine gleichmäßige Produktqualität zu bekommen, müssen Lackrohstoffe und Prozesstechnik minutiös aufeinander abgestimmt werden.
Sie führen als Referentin auch ein Seminar zum Thema Strahlenhärtung durch. Was können Teilnehmer hier erwarten?
Im Seminar geht es im ersten Schritt darum, die technischen Grundlagen zu vermitteln, um Neueinsteigern die Technologie verständlich zu machen und einen grundsätzlichen Zugang zum Thema zu schaffen. Darüber hinaus gehe ich auf die jeweiligen chemischen Bestandteile wie Bindemittel und Photoinitiatoren ein. Außerdem wird es erste Formulierungshilfen geben, wie man mögliche „Fallen“ umgehen kann. Also alles, was man unter Tipps und Tricks verorten kann. Das Seminar eignet sich also für Einsteiger und Fortgeschrittene.