Experteninterview: In absehbarer Zeit vermutlich keine neuen Biozide
Was sind die momentanen Herausforderungen, die Lackhersteller beim Einsatz von Bioziden in ihren Produkten zu meistern haben?
David Zilm: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen werden immer strenger und schränken die Anzahl der am Markt verfügbaren Biozide ein. Besondere Herausforderungen kommen auf die Druckfarben- und Klebstoffhersteller, die die Normen für indirekten Lebensmittelkontakt erfüllen müssen – Stichwort Methylisothiazolinon (MIT) – zu.
Die Hersteller von Lacken, Druckfarben und Klebstoffen müssen und wollen sich natürlich an die gesetzlichen Vorgaben halten und da gilt es, Lösungen mit den am Markt verfügbaren Bioziden für unsere Kunden anzubieten.
Wie sehen diese Lösungen typischerweise aus?
David Zilm von Vink Chemicals wird auf dem EC Technology Forum „Biocides – preservation in challenging times“ einen Vortrag zum Thema Betriebshygiene halten.
Zilm: Zusammen mit unseren Kunden schauen wir uns an, welche Biozide in den Formulierungen verwendet werden und entscheiden dann zusammen, ob mit Hilfe von Dosierungsanpassungen die gesetzlichen Vorgaben erfüllt werden können. Ist dies nicht der Fall, entwickeln wir gemeinsam mit dem Kunden ein neues Produkt – in der Regel geeignete Kombinationen aus zugelassenen Bioziden. Diese Kombination sollte ein breites Spektrum an schädlichen Mikroorganismen bekämpfen können, wirtschaftlich einsetzbar sein und selbstverständlich keine Gefährdung für den Anwender darstellen.
Werden eigentlich neue gesetzes-konforme Biozide im Markt entwickelt?
Zilm: Momentan ist nicht davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit neue Wirkstoffe entwickelt werden. Die Neuentwicklung inklusive Zulassung mit allen vorgeschriebenen Tests und Studien ist sehr kostenintensiv. Schätzungsweise bewegen sich die Entwicklungskosten in einem zweitstelligen Millionenbereich und dann ist noch nicht gesichert, dass der Wirkstoff auch tatsächlich zugelassen wird.
Also, bleibt nur der Einsatz der verfügbaren Wirkstoffe?
Zilm: Im Prinzip ja, aber neben den eigentlichen Wirkstoffen, schauen wir uns zusammen mit unseren Kunden auch die Betriebshygiene genau an. Betriebshygiene ist natürlich nicht unsere Erfindung, aber unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist das ein zwingender Ansatzpunkt gesetzeskonform mit Bioziden Lacksysteme herzustellen.
Wie ist das zu verstehen?
Zilm: Manche der bisher verwendeten Wirkstoffe in bestimmten Lacksysteme, z.B. für den Do-it-yourself-Bereich sind schon jetzt, oder werden in Zukunft nicht mehr zugelassen sein. Zugelassene Wirkstoffe müssen so hoch wie nötig und so gering wie möglich dosiert werden. Dosierungen von zugelassenen Bioziden können gegebenenfalls durch eine verbesserte Hygiene in Rohrleitungen verringert werden. Wir haben kürzlich ein Rohleitungsreinigungssystem entwickelt, das eine Kombination aus chemischem Wirkstoff und mechanischer Reinigung darstellt. Damit lässt sich das Thema Betriebshygiene effektiver gestalten und eine optimale Biozid-Dosierung in den Lacksystemen entwickeln.
Über dieses Thema werden Sie auch im Mai auf dem EC Technology Forumg „Biocides – preservation in challenging times “ sprechen. Wie genau funktioniert diese Kombination aus chemischer und mechanischer Rohreinigung?
Zilm: Mit den derzeit am Markt verfügbaren Systemen (z.B., Biozide oder H2O2) lassen sich die Rohrleitungssysteme nicht nachhaltig reinigen. Wir haben biozid-freie Reiniger entwickelt, die die Biofilme in den Rohrleitungen regelrecht aufbrechen. Daran schließt sich die mechanische Reinigung an, in dem mittels Luftdruck diese gelösten Ablagerungen aus dem System getrieben werden.
Sind damit höhere Kosten verbunden?
Zilm: Zwar ist der einzelne Reinigungsprozess teurer als die konventionelle Reinigung, aber dieser neuentwickelte Reinigungsprozess ist sehr effektiv und muss nicht so häufig durchgeführt werden. Damit amortisieren sich die Mehrkosten schnell.
Das Interview führte Sonja Schulte