Ein Traum von einem Schaum

O'zapft is! – auf dem Münchner Oktoberfest fließt das Bier in Strömen. Wegen seiner Schaumkrone verzückt der Gerstensaft allerdings nicht nur Wiesn-Besucher, sondern auch Materialwissenschaftler. Die Erkenntnisse der Forscher könnten auch für bauchemische Awendungen nützlich sein.

Forscher sind dem Geheimnis von stabilen Schäumen auf den Grund gegangen. Quelle: Pixabay -

Ein guter Bierschaum ist ein Zeichen für die Qualität und die Frische eines Biers. Eine typische Schaumkrone ist 1,5 Zentimeter dick und besteht aus 1,5 Millionen Bläschen. Doch meist verschmelzen diese miteinander oder sie platzen und der Schaum fällt in sich zusammen. Dieses Verhalten ist typisch für alle Arten von Schäumen.

Ostwald-Reifung macht Schaum instabil

Einer dieser Vorgänge, der Schaum instabil macht, ist besonders schwierig zu stoppen. Ostwald-Reifung nennen Fachleute diesen Prozess, den der deutsche Chemiker Wilhelm Ostwald schon vor über 100 Jahren beschrieben hatte. Dabei werden große Bläschen noch größer und kleine schrumpfen und verschwinden. Die Ostwald-Reifung verändert die Textur des Schaums auf unerwünschte Weise und schwächt die Produktequalität.

Stabilisatoren verlangsamen Prozess

Schäume und Emulsionen zu stabilisieren, ist deshalb eine Herausforderung bei verschiedensten Anwendungen – von Pflegeprodukten bis hin zu modernen funktionalen Materialien. Oberflächenstabilisatoren wie bestimmte Proteine im Bier können die Reifung des Schaums aber verlangsamen, indem sie die Oberflächenspannung senken. Verhindern können sie diese allerdings nicht. Hat die Reifung eingesetzt, lässt sie sich nicht mehr stoppen.

Schaumproblem quantitativ erfasst

Jan Vermant, Professor für weiche Materialien der ETH Zürich, und seine Gruppe haben für dieses Schaumproblem eine neue wissenschaftliche Grundlage erarbeitet. Unlängst berichteten sie darüber in der Fachzeitschrift PNAS. Es ist den Wissenschaftlern gelungen, die Stabilisierung von Schaumbläschen quantitativ zu erfassen und allgemeingültige Prinzipien zu formulieren. „Diese Prinzipien werden der Lebensmittel- und Materialindustrie helfen, gezielt Stabilisatoren zu entwickeln, welche der Ostwald-Reifung vorbeugen oder sie gar stoppen“, sagt Vermant.

Netz von Partikeln stabilisiert Blase

In ihrer Studie zeigen die ETH-Materialforscher auf, wie bestimmte Partikel als Schaumstabilisatoren wirken und kleine Bläschen vor dem Schrumpfen schützen. Zu Testzwecken verwendeten sie mikrometergroße Polymerteilchen sowie Partikel von reiskornartiger Form. Die beiden unterschiedlichen Teilchen bilden eine unregelmäßige Netzstruktur an der Bläschenoberfläche. In einer speziellen Mikrofluidik-Anordnung testeten die Forscher, ob dieses Netzwerk die Bläschen genügend stützt. Darin konnten sie einzelne Bläschen gezielt mit einer kontrollierten Menge dieser Stabilisatoren beschichten und danach in einer Mini-Druckkammer stufenweise steigenden Druckverhältnissen aussetzten.

Bei welchem Druck kollabiert Bläschen?

Die Wissenschaftler simulierten damit Ostwald-Reifung. „Dadurch konnten wir festhalten, bei welchem Druck ein Bläschen zu schrumpfen beginnt und schliesslich kollabiert“, sagt Peter Beltramo, Postdoktorand bei Vermant. Dank ihrer speziellen Versuchsanordnung konnten die Forschenden nicht nur Einzelbläschen untersuchen. Sie konnten auch die Zahl der Partikel, die ein Bläschen umgeben, variieren und dann die Anzahl der Partikel mit den mechanischen Eigenschaften des Bläschens in Bezug setzen.

Menge des Stabilisators vorhersagen

Es zeigte sich, dass teilweise bedeckte Bläschen genauso stabil sein können wie solche, die vollkommen mit Partikeln bedeckt sind. Damit lässt sich die benötigte Menge eines Stabilisators genau vorhersagen. „Dank unseren Erkenntnissen lassen sich viel Material und damit Kosten einsparen“, betont Beltramo. Weiter stellten die Forscher fest, dass ein beschichtetes Bläschen einem viel höheren Druck standhält als ein unbeschichtetes.

Beton wird widerstandsfähiger

Die gewonnenen Erkenntnisse seien über Schäume hinaus universell gültig für alle Materialien mit großen Oberflächen oder Anwendungen, in denen Oberflächen eine wichtige Rolle spielten, sagt Vermant. Sie könnten auch für die Industrie nützlich sein. Wissenschaftler könnten nun nach Stabilisatoren forschen, die schaumige Lebensmittel wie Eiscrème, Brotteig oder auch Bierschaum haltbarer machten. Und was für Bierschaum oder Eiscrème recht ist, ist für Beton billig. Kleine stabile Bläschen in Beton machen ihn widerstandsfähiger gegenüber Zyklen von Einfrieren und Auftauen. Zudem wird er dadurch leichter.

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