Echtzeit-Schichtdickenmessung mit Terahertz
Vor gut zehn Jahren war die Terahertz-Strahlung schon einmal ein großes Thema. Es war von Nacktscannern die Rede, die am Flughafen Passagiere durchleuchten würden. Außerdem sollten mithilfe der Terahertz-Strahlung Messsysteme für die Materialprüfung und Kontrolle von Bauteilen entwickelt werden. Trotz großer Erwartungen gelang der Terahertz-Technologie lange nicht der Durchbruch. Im Vergleich zu klassischen Verfahren, die heute zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung eingesetzt werden, etwa Röntgenstrahlung oder Ultraschall, galt die Terahertz-Technologie schlicht als zu teuer. In den letzten Jahren konnten nun aber große Fortschritte gemacht werden. So wurden zunehmend Systeme vorgestellt, welche auf Basis von Standardkomponenten konstruiert und damit deutlich kosteneffizienter herzustellen sind. Diese Entwicklungen wecken bereits Interesse bei potenziellen Anwendern. Um die Terahertz-Technologie als Instrument der industriellen Prozesskontrolle zu etablieren, müssen die Systemkosten allerdings weiter gesenkt und die Komplexität der Systeme reduziert werden.
Kosteneffizient und in Echtzeit
Die aktuellen Entwicklungen des Fraunhofer HHI könnten der Terahertz-Technologie jetzt einen entscheidenden Schub verleihen. Den Forschern um Björn Globisch, Leiter der Terahertz-Forschungsgruppe am Fraunhofer HHI, ist es gelungen, ein Messgerät zu entwickeln, in dem die bisher eingesetzte Femtosekunden-Pulslaser durch kompakte Dauerstrich-Laser ersetzt wurden. Entscheidend dabei ist, dass dieses Dauerstrich-Messsystem acht Messungen pro Sekunde ermöglicht und damit erstmals Echtzeitmessungen ohne Verwendung eines gepulsten Lasers erlaubt. Auf der Hannover Messe werden die Wissenschaftler dieses Terahertz-Messsystem vorstellen und die berührungslose Schichtdickenbestimmung verschiedener Mehrschichtsysteme live demonstrieren.
Das vom Fraunhofer HHI eingesetzte Prinzip zur Erzeugung von Terahertz-Strahlung basiert auf einem optoelektronischen Verfahren. Mithilfe eines speziellen Halbleiterbauelements wird dabei die Schwebung zweier Dauerstrichlaser in Terahertz-Strahlung umgewandelt, die genau der Differenzfrequenz der beiden Laser entspricht.
Dass der Terahertz-Technologie der große Erfolg bislang verwehrt blieb, liegt insbesondere an den benötigten Eigenschaften der verwendeten Halbleiter. Diese konnten zunächst nur mit Materialien erzielt werden, die eine Beleuchtung mit einer Wellenlänge um 800 Nanometer erforderten. Sowohl die Laser als auch die optischen Komponenten des Terahertz-Systems sind bei dieser eher exotischen Wellenlänge aber deutlich zu teuer und nicht robust genug für den industriellen Einsatz.
Verbreiteter Wellenlängenstandard
„Wir haben deshalb einen Halbleiter entwickelt, der sich mit Laserlicht von 1,5 Mikrometer Wellenlänge anregen lässt“, schildert Globisch. „In der optischen Nachrichtentechnik ist das der Wellenlängen-Standard, sodass es hier eine große Zahl kostengünstiger und qualitativ hochwertiger optischer Bauteile und Laser gibt.“ Auf dem Weg zum konkurrenzfähigen Terahertz-System für die Materialprüfung musste aber noch eine weitere Hürde überwunden werden: Der Pulslaser, auf dem alle gängigen echtzeitfähigen Terahertz-Systeme basieren, ist ein entscheidender Kostenfaktor bestehender Systeme. Femtosekunden-Laser sind nicht nur selbst schon technologisch aufwändig und teuer, Terahertz-Spektrometer, die mithilfe von gepulsten Lasern betrieben werden, erfordern zusätzlich optomechanische Bauteile, die mit viel Aufwand präzise justiert und gefertigt werden müssen.
Eine Alternative stellt die Dauerstrich-Spektroskopie dar, bei der anstatt eines Terahertz-Pulses, Dauerstrichstrahlung erzeugt wird. Zwei Dauerstrich-Laserquellen werden dabei gemischt und ihr Schwebungssignal in einem speziellen Halbleiterelement in Terahertz-Strahlung umgewandelt. Durch Verstimmen der Laser-Wellenlängen zueinander, kann die Wellenlänge der erzeugten Terahertz-Strahlung auf einfache Weise verändert werden. Dauerstrich-Systeme haben dabei zwei entscheidende Vorteile gegenüber gepulsten Terahertz-Systemen: Einerseits sind die Laserquellen selbst kompakter und günstiger, andererseits werden keine optomechanischen Komponenten für den Betrieb des Systems benötigt.
Dauerstrich-Terahertz-Systeme sind zwar bereits erhältlich, benötigen jedoch zur Erfassung eines vollständigen Messsignals einige Sekunden bis Minuten. Dagegen sieht die industrielle Anwendung oft so aus: In der Produktion fährt ein Roboterarm Messpunkte an lackierten/beschichteten Bauteilen ab und misst die Beschichtungsdicke. Um den Produktionstakt einzuhalten, bleibt daher pro Messpunkt wenig Zeit. Bisher war die Messgeschwindigkeit von Dauerstrich-Terahertz-Systemen nicht hoch genug, um Anwendungen in der zerstörungsfreien Prüfung zu adressieren.
Das Fraunhofer HHI hat dieses Problem gelöst, indem extrem schnell durchstimmbare Laser („Finisar WaveSource“) eingesetzt und die Elektronik, Datenerfassung und Algorithmen auf die hohen Geschwindigkeiten angepasst werden. Durch diese Kombination ist es gelungen, die Messgeschwindigkeit im Vergleich zu bisherigen Systemen um den Faktor 160 zu steigern. Damit ist erstmalig Materialprüfung in Echtzeit mit Dauerstrich-Terahertz-Systemen möglich. Auf der Hannover Messe wird dieses System in einer Live-Demonstration vorgestellt.
Anwendungsbeispiel Schichtdickenbestimmung
Die Überprüfung von Lacken und Beschichtungen ist eine wichtige Anwendung der berührungslosen Terahertz-Messtechnik. Dabei stellt die Schichtdickenbestimmung einen wesentlichen Teil der Qualitätssicherung und Produktionskontrolle dar. So werden beispielsweise Mindestdicken sichergestellt, der Ressourcenverbrauch durch Materialüberschuss reduziert und Nachbesserungen vermieden. Auf metallischem Untergrund, wie einem Autoblech, können heute handliche Wirbelstromgeräte eingesetzt werden. Auf schlecht leitenden Faserverbundwerkstoffen aber versagt dieses Verfahren. Ultraschall bietet hier zwar eine Alternative, setzt jedoch wiederum mechanischen Kontakt zur Oberfläche voraus. „Der Bedarf nach einem zuverlässigen Messverfahren ist groß“, weiß Globisch, „weil der Markt für Verbundwerkstoffe in der Auto-, Flugzeug- und Windkraftindustrie wächst.“ Hier liegt der große Vorteil der Terahertz-Technologie: Die Messung erfolgt zerstörungsfrei und berührungslos, sodass auch nicht vollständig getrocknete Beschichtungen vermessen werden können. Außerdem ist die Qualität der Ergebnisse temperaturunabhängig und Mehrschichtsysteme können direkt aufgelöst werden. Nicht zuletzt ist die Terahertz-Strahlung nicht-ionisierend und auf Grund der geringen Leistung für den Menschen ungefährlich.
Obwohl das neue Terahertz-Messsystem aus kostengünstigen optischen Standardkomponenten aufgebaut wird, ist es derzeit noch teurer als beispielsweise Ultraschallgeräte, die in Stückzahlen von vielen Hunderttausend gefertigt werden. „Der Preis wird sich aber mit einer künftigen Serienfertigung angleichen“, prognostiziert Globisch. Angesichts der Vorteile des Messverfahrens und der aktuellen Fortschritte ist der Forscher davon überzeugt, dass sich das Terahertz-Verfahren in den kommenden Jahren als Messverfahren der zerstörungsfreien Materialprüfung etablieren wird.