Beschichtung von Kristallglas: Besonderer Faktor Geometrie

Glasbeschichtungen erfreuen sich in der Lackbranche nicht der größten Aufmerksamkeit. Dabei sind sie allgegenwertig und technisch höchst spannend. Im Interview mit Swarovski zeigt sich etwa, wie geschliffenes Kristallglas beschichtet wird und wo Standardlacke dabei an ihre Grenzen stoßen.

Standardbeschichtungen scheitern an der Geometrie von Glaskristallen und können die Brillanz zerstören. (Foto: Swarovski) -

Welche Eigenschaften für Glasbeschichtungen sind bei Swarovski derzeit am wichtigsten?

Bei dieser Fragestellung ist zu unterscheiden, ob es sich um eine dekorative oder funktionale Beschichtung handelt. Je nachdem werden unterschiedliche Eigenschaften priorisiert. Gemeinsamer Nenner ist die chemische und mechanische Beständigkeit. Swarovski Kristalle werden z. B. sehr häufig im Schmuckbereich verwendet. Dort stehen sie meist in direktem Kontakt mit der Haut des Schmuckträgers. Die Kristalle müssen daher gegenüber Belastungen wie Schweiß aber auch Umwelteinflüssen wie UV-Strahlung, Meer- oder Chlorwasser beständig sein.

Wo liegen die besonderen Herausforderungen von Swarovski bei der Beschichtung im Vergleich zu anderen Glassubstraten?

Die besonderen Herausforderungen an die Beschichtung von Swarovski Kristallen liegen darin, dass diese den genannten Belastungen ohne weiteren Schutz ausgesetzt sind. Auch ist ihre Geometrie ein zusätzlicher besonderer Faktor. Durch den Schliff erhalten die Kristalle ihre Form, unzählige Facetten und somit auch ihre Brillanz. Die Mischung aus planen Flächen und Kanten in verschiedenen Winkeln ist für Beschichtungen eine große Herausforderung. Insbesondere bei scharfen Kanten gehen die Anforderungen weit über diejenigen von Standardanwendungen, wie z.B. für Möbelstücke, Türklinken oder auch Autos, hinaus.

Bei einer Automobil-Lackierung sind die Schichten in Summe typisch 50 – 70 Mikrometer dick. Wird eine Lackierung mit dieser Dicke über eine Kante von Kristallen gezogen, geht der ursprüngliche Kantenradius und dadurch auch die Brillanz verloren. Die Beschichtung würde folglich die gewünschte Eigenschaft des Produktes vermindern oder gar eliminieren. Ein weiterer Aspekt ist die Größe unserer Kristalle. Im Portfolio befinden sich auch Produkte, die unter 1 mm groß sind. Kleinere Produkte werden oft in einer größeren Anzahl simultan beschichtet, wobei auch hier eine Gleichmäßigkeit erzielt werden muss, um die gewünschten Qualität-Standards zu erreichen.

Und wie applizieren Sie die Beschichtung auf diese Kleinteile?

Ein Beschichtungsverfahren, bei dem die Kristalle rotieren, ist keine praktikable Lösung. Durch langjährige Expertise und internes Knowhow wurde eine eigene Technik entwickelt, bei der die Kristalle in dem Prozess so positioniert werden, dass die vielfältigen Geometrien gleichmäßig beschichtet werden.

In welchen Situationen greifen sie auf organische oder anorganische Beschichtungen zurück?

Diese Frage ist bei der Beschichtung für Swarovski Kristalle eher nachrangig zu bewerten. In erster Linie geht es darum, wie eine gewünschte Schichtdicke realisiert werden kann. Ist das Ziel eine Schutzschicht, die eine Barriere gegen chemische Belastungen wie Schweiß oder Meerwasser erreichen sollen, dann erhalten oft organische Beschichtungen den Vorzug.

Durch diese ist es möglich, die benötigte Schichtdicke aufzubauen. Anorganische Beschichtungen kommen eher zum Einsatz, wenn die Geometrie des Produktes eine stärkere Rolle spielt und die visuelle Wirkung des Swarovski Kristalls nicht vermindert werden soll. Hier erhalten meist Vakuumverfahren den Vorzug, um eine gleichmäßige Beschichtung zu erreichen.

Können Sie einen kurzen Ausblick auf zukünftige Trends geben, die für Glasbeschichtungen wichtig sind?

Immer wichtiger werden die individuellen Kundenerwartungen und -wünsche. Neben der Individualisierung nehmen auch die Nachfragen nach kleineren und variableren Losgrößen zu. Ein immer mehr zunehmender Trend ist auch der Wunsch nach zusätzlichen Funktionen wie z.B. elektronische Touch-Funktionen.

Diese gehen weit über eine dekorative oder auch schützende Funktion der Beschichtung hinaus. Beschichtungen sollen diese zusätzlichen Funktionen nicht beinträchtigen, sondern ermöglichen oder optimalerweise sogar noch verbessern. Beispiele hierfür sind Lichtschalter oder Panele, bei denen „smarte“ Swarovski Kristalle eingesetzt werden.

Das Interview führte Jan Gesthuizen

Vortrag Glassbeschichtungen

Noch detaillierte Information zur Beschichtung von Kristallglas und Touch-Oberflächen gibt Klaus Monz, Head of Coating Development bei Swarovski, in einer Key-Note Ansprache auf dem European Coatings Glass Forum, das am 17. und 18. Juni in Berlin stattfindet.

Hersteller zu diesem Thema