Über den Tellerrand: Dr. Hans-Joachim Weintz im Porträt

Immer das Neue, das ist spannend. Hans-Joachim Weintz hat schon häufiger den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Als Direktor für technische Unternehmensentwicklung hat er seinen Arbeitgeber J.W. Ostendorf so bei wichtigen Themen wie Nachhaltigkeit und Internationalisierung weit nach vorne gebracht.

Dr. Hans-Joachim Weintz -

„Chemie ist, wenn es stinkt und kracht!“ – Ein Chemiebaukasten und ein begnadeter Lehrer haben Hans-Joachim Weintz bereits im Gymnasium von der Wissenschaft der Stoffumwandlung begeistert. Von da an sei klar gewesen, dass er einmal Chemie studieren würde, da habe es auch nie Zweifel gegeben. Nach erfolgreichem Studium, inklusive Promotion und einem Jahr Postdoc in Japan, begann seine Industriekarriere in der Kunststoffforschung der BASF. Eigentlich sollte es nach knapp drei Jahren dann in die USA gehen, da kam allerdings ein Alternativangebot der Personalabteilung, das ihn erstmals mit dem Thema Lack in Verbindung bringen sollte.

So startete er wenig später als Assistent des damaligen CEO der BASF Lacke + Farben AG in Münster. „Wenn ich die Wahl zwischen etwas Altem und etwas Neuem habe, wähle ich immer das Neue, das ist spannender“, beschreibt Weintz seine Entscheidung, das Thema Kunststoff und auch das Labor zu verlassen. Der damalige CEO war Jurist und Finanzwissenschaftler, Weintz war – etwas flapsig formuliert – als persönlicher Übersetzer für die technischen Themen zuständig und lernte dabei viel über Unternehmensführung.

In den Jungel

Der Einsatz wurde belohnt und nach wenigen Jahren bot man ihm an, das F&E Zentrum der „BASF Lacke & Farben Südamerika“ in Brasilien zu leiten. Lacke mit lokalen Ressourcen nach europäischem Standard zu produzieren, hieß die Herausforderung. „Aber ich habe mich damals trotzdem noch gefragt, wo ist der Fun-Faktor?“, sagt Weintz. Den fand er beim Thema Umwelt und Ressourcenschonung. Ein Entwicklungsprojekt in Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz, der UNESCO und einer lokalen Universität im Amazonas-Delta sollte den Urwald als nachhaltige Ressource für die Industrie erschließen und der Bevölkerung eine neue Lebensgrundlage geben. Im Rahmen des Projekts wurde eine Lianenart erforscht, die sich als nachwachsende regionale Quelle für den Farbstoff Indigo eignete. Der wurde fortan dann in Lacken für Mercedes-Motorblöcke eingesetzt.

Einige Jahre nach seiner Rückkehr nach Deutschland zog es ihn nach insgesamt 14 Jahren BASF zum heutigen Arbeitgeber J.W. Ostendorf. Das Coesfelder Unternehmen, das im internationalen Do-It-Yourself-Markt auf die Eigenmarken unter den Farben spezialisiert ist, kannte er beim ersten Kontakt noch nicht, „mich hat aber die gut organisierte und saubere Fertigung fasziniert, zudem die Möglichkeit, die eigene Überzeugung besser umsetzen zu können“, erzählt er. Der weltweiten Verantwortung bei BASF standen der höhere Freiheitsgrad und die höhere Agilität eines mittelständischen Unternehmens gegenüber. Auch sei es dort leichter, seine persönliche Ausrichtung auf das Thema Nachhaltigkeit einzubringen. „In flachen Hierarchien hat man nach der direkten Abstimmung mit der Geschäftsführung dann die Freiheit, seine Ideen umzusetzen – das hat mich gereizt!“

Mensch und Natur im Blick

Im Vordergrund steht bei J.W. Ostendorf der stetig steigende Anteil an wässrigen Farben und Lacken, die machen im Portfolio des Unternehmens auch den allergrößten Anteil aus. Der Umstieg hatte schon begonnen bevor Hans-Joachim Weintz zu dem großen Mittelständler stieß, er machte dort aber Wasser als natürliches Lösemittel zur maßgeblichen Technologie. „Lösemittel in Farben und Lacken einzusetzen, empfinde ich als Verschwendung“ sagt er. Neben den Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit müsse man bedenken, dass Mineralöl ein endlicher Rohstoff sei, der als Ausgangsbasis der chemischen Synthese vorbehalten bleiben solle.

Auch dem Einsatz nachwachsender Rohstoffe steht er positiv gegenüber. Dennoch müsse man immer fragen, was das Produkt leisten müsse, ob der nachwachsende Rohstoff zur Leistung beitrage und was man mit ihm sonst noch – vielleicht Sinnvolleres – machen könne, denn auch nachwachsende Rohstoffe seien begrenzt. „Innovationen bringen nichts, wenn sie am Ende keiner kauft“, ist sein Credo, daher gelte es auch, den Kundennutzen und die Wirtschaftlichkeit im Auge zu behalten. Der Wechsel zum Familienunternehmen brachte auch andere Veränderungen: Weintz erhielt die Freiheit, die er brauchte, um die Forschung und Entwicklung bei Ostendorf auf internationale Märkte auszurichten und auszubauen.

Andere Länder, andere Sitten

Bei dem Thema weiß er genau, wovon er redet. Neben vier Jahren in Brasilien, wo ein „Stückchen Herz geblieben ist“, verbrachte er ein Jahr in Japan. Als Postdoc hatte er an der Universität Nagoya beim späteren Nobelpreisträger Professor Ryōji Noyori geforscht. Noch spannender als die Chemie sei die Auseinandersetzung mit der anderen Kultur gewesen. Die finde erst statt, wenn man längere Zeit in einem anderen Land verbringt. „Der Anfang ist noch toll, da haben Sie noch den Touristenblick“ sagt er und ergänzt: „Irgendwann wird das dann jedoch merkwürdig, man spürt, dass die eigenen Reflexe und Gewohnheiten nicht so richtig passen.“ Damit müsse man sich auseinandersetzen, um die Vorteile der fremden und der eigenen Kultur kennen und schätzen zu lernen.

Gelernt hat er das offenbar sehr gut. Heute ist J.W. Ostendorf weltweit in 18 Ländern mit 65 Marken aktiv. Wer in so vielen verschiedenen DIY-Märkten ein Player sein will, der müsse sich auf die Besonderheiten vor Ort einstellen. „Qualität ist nichts Absolutes, das ist regional sehr verschieden“, erklärt er. Engländer haben ihre Wandfarbe zum Beispiel gerne wie Pudding, die müsse richtig gelartig sein. In Frankreich soll die Farbe dagegen schön flüssig sein und auch der Geruch nach Ammoniak wird goutiert, in England dagegen strikt abgelehnt.

Gemeinsam stärker

Die Zeit in Japan hat ihm aber nicht nur ein Verständnis für fremde Kulturen vermittelt, hier wurde ihm früh deutlich, wie wichtig Netzwerke sind. Beim Aufenthalt in Nagoya als Humboldt-Stipendiat lernte er die Bedeutung solcher Netzwerke kennen. „Wenn Sie als Fremder mit einem Anliegen nach Japan gehen, dann lächelt Ihr Gegenüber sie höchstens freundlich an, mehr passiert aber nicht.“ Als Teil der Humboldt-Alumni öffnen sich die Türen – eine echte Investition in die Zukunft! Heute ist Weintz in vielen Netzwerken aktiv und hat selbst einige mitgegründet. Etwa das „Netzwerk Oberfläche NRW“, bei dem er auch Mitglied des Vorstandes ist. Dies bestehe derzeit aus mehr als 30 Unternehmen rund um das Thema Oberfläche, die wenigsten dabei aus der Lackbranche, erklärt er. Aus dem interdisziplinären Austausch entstehen durch gemeinsame Interessen immer wieder Forschungsprojekte, die in vielen Fällen mit Fördergeldern unterstützt werden. Ihm ist wichtig, auf diese Art und Weise neue Technologien und Industrien miteinander zu verbinden. So fänden sich immer wieder Kooperationen, in denen Lösungen erarbeitet würden, an die man selber nie gedacht hätte.

Interdisziplinäres liegt Hans-Joachim Weintz im Blut. Er hat bei Ostendorf nach nun 17 Jahren seine Stelle um 50 % reduziert, um sich noch stärker seinen persönlichen Hobbies zu widmen: Reisen und Innovationen für mehr Nachhaltigkeit – am besten die Verbindung von beiden.

Von Jan Gesthuizen

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